Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich

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und traurigen Ideen; Du machst Dir und mir und der Mutter nur das Herz schwer, und nützest und hilfst doch nichts. Der liebe Herrgott da oben wird’s schon machen und lenken; Er hat die Welt so viele Jahrhunderte hindurch in ihrer Bahn gehalten, und die Menschen darauf geschirmt und gepflegt, wie unser Herr Pastor sagt, Er wird’s auch schon weiter tun, und wir dürfen uns eigentlich gar nicht sorgen und kümmern um den ,nächsten Tag’».

       «Doch, doch, Frau», sagte aber der Mann, aufstehend und jetzt, die Hände in den Hosentasche, in der Stube auf und abgehend, «doch, Frau, der Mann m u ß, denn wenn er’s n i c h t täte, wär er ein schlechter Hausvater, und ihm allein fielen dann all’ die schweren Folgen zur Last, die daraus entständen. Ich kann Dir das nicht so mit Worten deutlich machen, wie mir’s neulich der Schulmeister, mit dem ich darüber sprach, erklärte, aber der meinte, es wäre etwa so wie wenn einer im Wasser wäre. Da sei es auch nicht genug, daß man sich oben hielte an der Luft und im Kreis herumschwämme, eben nur nicht zu ertrinken, das täte nicht einmal ein unvernünftiges Stück Vieh, nein, des Menschen, des verständigen Menschen Pflicht sei es, sich schon im Wasser nach dem festen Land umzusehen, ob man das irgend erreichen könne, denn zuletzt würde man da im Wasser, man möchte noch so tapfer schwimmen, doch müde, und ließen erst einmal die Kräfte nach, dann hilft auch zuletzt das Schwimmen nichts mehr und man sänke eben langsam zu Boden.»

       «Ich verstehe nicht recht, was Du damit meinst,» sagte die Frau, «aber Du siehst mich so sonderbar dabei an – hast Du noch ‘was anderes dahinter?»

       «Nein und ja», sagte der Mann nach kleiner Pause, indem er sich mit dem Rücken an den Ofen lehnte und langsam dazu mit dem Kopf nickte. «Eigentlich nicht, denn Gott da oben weiß, daß es wahr ist, und weiß, wie und ob’s einmal enden kann; aber dann – dann hab’ ich allerdings noch ‘was dahinter, denn ich meine – ich meine… » Er schwieg und es war augenscheinlich, er hatte etwas auf dem Herzen, das er sich scheue so mit blanken, klaren Worten heraus zu sagen. Die Frau aber, die eben damit beschäftigt war das Geschirr hinauszuräumen, setzte die Kanne wieder auf den Tisch, sah den Mann erstaunt an, ging dann langsam zu ihm an den Ofen und sagte leise, vor ihm stehenbleibend :

       «Geh her, Gottlieb – Du hast ‘was, was Dich drückt, und willst nicht mit der Sprache heraus. Es ist irgend noch etwas vorgefallen in der Stadt, was Du nicht sagen magst. Du mußt doch nicht s i t z e n ?»

       «Sitzen? – Weshalb?» lächelte der Mann kopfschüttelnd. «Ich habe nie etwas Böses getan.»

       «Nun, was ist’s dann, so sprich doch nur, denn Du ängstigst mich ja mehr mit Deinem Schweigen, als wenn Du mir das Schlimmste gleich voraus erzählst – dem Hans fehlt doch nichts?»

       «Was soll dem Hans fehlen, närrische Frau – wenn’s aufhört zu gießen, wird er schon kommen.»

       «Und was ist’s dann? – Gelt, Du sagst mir’s?»

       «Ich m u ß Dir’s wohl sagen», seufzte der Mann, «nun sieh, Hanne, ich meine – ich habe so darüber nachgedacht, daß es jetzt hier in Deutschland immer schlechter wird mit uns – und daß wir’s zu nichts mehr bringen können, trotz aller Arbeit, trotz allem Fleiß, und daß jetzt – daß jetzt doch so viele Menschen – hinüber ziehen … »

       «Hinüberziehen?» frug die Frau erstaunt, fast erschreckt, und legte die hand fest auf’s Herz, als ob sie die aufsteigende Angst und Ahnung über etwas Großes, Schreckliches da hinunter und zurückdrücken wolle, ehe sie zu Tage käme. «Wo hinüber, Gottlieb?»

       «Nach Amerika», sagte der Mann leise – so leise, daß sie das Wort wohl nicht einmal verstand, und nur an der Bewegung der Lippen es sah und erriet. Wie ein Schlag aber traf sie die Wirklichkeit ihres Verdachts, und ohne ein Wort zu erwidern, ohne eine Silbe weiter zu sagen, setzte sie sich auf den dicht am Ofen stehenden Stuhl, deckte ihr Gesicht mit der Schürze zu, und saß eine lange, lange Weile still und regungslos. Auch der Mann wagte nicht zu sprechen – er hatte den Gedanken wohl schon eine zeitlang mit sich herumgetragen, aber sich immer davor gefürchtet, ihm Worte zu geben, sogar gegen sich selbst, wie viel weniger denn gegen die Frau. Jetzt war es heraus, und er betrachtete nur scheu die Wirkung, die er hervorgebracht.

       Auch die alte Mutter saß, mit der Hand auf dem Rad, das sie im Drehen aufgehalten, und horchte nach den beiden hinüber, was sie mitsammen hatten; und wie die so still waren und kein Wort mehr sprachen, mochte es ihr auch unheimlich vorkommen, und sie sagte laut und mürrisch:

       «Nun, Gottlieb, was gibt’s – was hast Du wieder mit der Hanne? Was habt Ihr denn, daß Ihr so still und heimlich tut – macht einem nicht auch noch Angst unnötigerweise – was ist nun wieder los?»

       «Ja, Mutter», sagte der Mann jetzt, der sich gewaltsam Mut faßte über das, was nun doch nicht länger mehr verschwiegen bleiben konnte und besprochen werden m u ß t e, auch l a u t zu reden, daß er’s vom Herzen herunter bekam. «Es geht mit uns hier den Krebsgang, und ich habe eben zu Hannen gesagt, daß uns zuletzt nichts anderes übrigbleiben würde, als – als es eben auch wie andere zu machen und …. »

       «Und ? – Und was zu machen?» frug die alte Frau gespannt.

       «Als a u s z u w a n d e r n», sagte der Mann mit einem plötzlichen Ruck und seufzte dann tief auf, als ob er selber froh wäre, es los zu sein.

       «Herr du meine Güte!» rief die alte Frau, ließ die Hände erschreckt in den Schoß sinken und lehnte sich in ihren Stuhl zurück, während ihr alle Glieder am Leibe flogen. «Herr du meine Güte!» wiederholte sie noch einmal, und die Finger falteten sich unwillkürlich zusammen, so hatte sie der Schreck getroffen.

       «Auswandern», sagte aber auch jetzt Gottliebs Frau mit tonloser Stimme und ließ die Schürze vom Gesicht herunterfallen. «Auswandern, das ist ein schweres – schweres Wort, Gottlieb – hast du Dir das auch recht – recht reiflich überlegt?»

       «Tag und Nacht die ganze letzte Woche hindurch», rief der Mann, der jetzt, da das Eis einmal gebrochen war, wieder Leben und Wärme gewann. «Wie ein Mühlstein hat’s mir auf der Seele gelegen, und ich habe so lange und tapfer dagegen angekämpft. Aber es wäre das Beste für uns, was wir auf der weiten Gotteswelt tun könnten; und wenn auch nicht einmal für uns, wenn wir selber auch schwere und bittere Zeiten durchzumachen hätten, doch für die Kinder, die einmal den Segen ernten, den wir mit unserem Schweiß, unseren Tränen gesät.»

       «Auswandern? Ja», sagte jetzt die Großmutter, mit dem Kopfe nickend und schüttelnd, als ob sie den schrecklichen Gedanken wieder von sich abwerfen wollte, «ja, wohin es Euch lüstet, aber erst wenn ich tot bin. Die paar Tage müßt Ihr noch hier bleiben, die ich noch zu leben habe, oder sonst schlagt mich tot, werft mich ins Wasser, oder schlagt mich mit dem Beil auf den Kopf, daß ich fortkomme und hier auf dem Kirchhof unter der alten Linde liegen kann, wo der Lebrecht liegt. In der Welt könnt Ihr mich doch nicht mehr umherschleppen, und nutz bin ich auch nichts mehr, wie das mit zu verzehren, was andere verdienen. Wenn Ihr jetzt fort wollt, schlagt mich vorher tot.»

       «Ach Mutter, wenn Sie nur nicht gar so häßlich reden wollen», sagte die Frau traurig, während der Mann wieder zum Tisch ging, sich dort auf den Stuhl setzte und den Kopf in die Hand stützte. «Sie sind noch wohl und rüstig, und werden, will’s Gott, noch manches Jahr leben und sich Ihrer Kinder freuen. Wo die dann hinziehen und sich ihr Brot suchen müssen, da gehören Sie auch hin, und was die verdienen, das haben Sie auch verdient mit Mühe und Not und banger Sorge schon vor langen Jahren, wo w i r noch klein und unbehilflich waren, wie unsere Kinder jetzt.»

       «Wozu mich mitnehmen», sagte aber die Frau, störrisch dabei mit dem Oberkörper herüber und hinüber schwankend, «unterwegs müßtet Ihr mich doch aus dem großen Schiff hinaus ins Wasser werfen, die Fische zu füttern. Bleibe

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