Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich

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«Jemand, der seine Geschwister will hinübergeschickt haben und mich ersucht, das Geld für ihn auszulegen. Da müßt’ ich schöne Kapitale herumstehen haben, wenn ich allen Leuten umsonst wollte die Familie nachschicken. Nachher sitzt der mitten im Land drin, und ich kann ihn dann suchen.»

       «Ne, das ist ein bißchen viel verlangt», sagte der Meister, wieder nach der Klinke greifend – und diesmal hielt ihn Herr Weigel nicht zurück. «Aber nun leben Sie auch recht wohl und verlassen Sie sich darauf, ich besorge Ihnen das heute noch.»

       «Seien Sie so gut», sagte der Agent. Er war auf einmal ganz einsilbig geworden, und Meister Leupold verließ mit nochmaligem Gruß das Zimmer, in dem jetzt Herr Weigel mit in die Tasche geschobenen Händen, aber keineswegs mehr so guter Laune als vorher, raschen, heftigen Schrittes auf und ab ging.

       «Und vierzehn Groschen bezahlt für den Wisch – es ist eine Frechheit, wahrhaftig, die ins Bodenlose geht. Lumpengesindel! Glaubt, die gebratenen Tauben sollen ihm da ins Maul fliegen, sobald sie’s nur aufsperren.» Und wieder riß er den Brief vom Pult, rückte sich die Brille zurecht und las mit halblauter, aber heftiger Stimme den Inhalt noch einmal und zwar aufmerksamer durch, als vorher:

       «,Sie nichtswürdiger Halunke’ – wenn ich Dich nur hier hätte, mein Bursche, dafür solltest Du mir brummen – ,schändlich betrogen und angeführt’ – wozu hat Dir denn der liebe Gott die großen Glotzaugen gegeben, wenn Du sie nicht aufsperren willst – ,Land eine Wüste’ – nah versteht sich, ein Gewächshaus hab’ ich ihm nicht verkauft – ,Hälfte gar nicht zu bekommen’ – Holzkopf – ,kein Mensch wollte die Billete nehmen’ – hah, geschieht Dir recht – ,Wohngebäude zu schlecht für einen Hund’ – für Dich noch immer viel zu gut, mein Schatz – ,wenn Sie nur einmal herüber kämen, Sie miserabler’ – bah … » unterbrach sich Herr Weigel in dieser nichts weniger als schmeichelhaften Lektüre, indem er den Brief in zwei Hälften riß und sich dann ein Streichhölzchen mit einem Gewaltstrich an der Tür entzündete. « S o viel für den Wisch!» Und das Papier anbrennend, warf er das auflodernde in den Ofen und schloß die Klappe so heftig er konnte.

       Allerdings wollte er sich nun über den Brief hinwegsetzen, aber geärgert hatte er sich doch, und Rock und Stiefel anziehend, drückte er sich seinen Hut in die Stirn, griff seinen Stock aus der Ecke und verließ sein Büro, das er sorgfältig hinter sich abschloß und eine kleine Pappe mitten an die Tür hing, auf der die Worte standen :

      «Kommt um elf Uhr wieder.»

      Sechstes Kapitel

      Die Weberfamilie.

       Nicht weit von Heilingen, und selbst in Hörweite der Domglocke, in ziemlich bergigem, aber unendlich malerischem Land, lag ein kleines armes Dorf, dessen Bewohner sich kümmerlich, aber meist ehrlich mit verschiedenen Handwerken und Gewerben, mit Holzschnitten, wie auch hier und da mit dem Webstuhl ernährten. Das Dorf hieß eigentlich ‚Zur Stelle’, welchen Namen aber die Bewohner im Laufe der Zeit und mit Hilfe des Dialekts zu dem von Zurschtel umgearbeitet hatten, und mochte etwa dreißig Häuser und Hütten mit der doppelten Anzahl von Familien, wie der sechsfachen von Kindern zählen. Es ist eine wunderliche Tatsache, daß man in den ärmlichen Distrikten stets die meisten Kinder findet.

       Mitten im Dorf lag eins der besseren Häuser, es war weiß getüncht, und hinter den sauber gehaltenen Fenstern hingen weiße, reinliche Gardinen. Vor dem Hause, über dessen Tür ein frommer Spruch mit roten und grünen Buchstaben angeschrieben war, stand ein Brunnen- und Röhrentrog, und ein kleiner Koven an der Seite desselben zeigte in der nach außen befestigten Klappe des Futterkastens dann und wann den schmutzigen Rüssel eines seine Kartoffelschalen kauenden Schweines. Auch ein ordentlich gehaltenes Staket umgab das Haus wie den kleinen Hofraum, und die Wohnung stach sehr zu ihrem Vorteil gegen manche der Nachbarhäuser ab.

       Im Inneren selber sah es ebenfalls sehr reinlich, aber nichtsdestoweniger sehr ärmlich aus. In der einen Ecke stand ein großer, viereckiger, sauber gescheuerter Tisch aus Tannenholz, an zweien der Wände waren Bänke aus dem nämlichen Material befestigt, und um den großen viereckigen Kachelofen, der fast den achten Teil der Stube einnahm, hingen verschiedene Kochgerätschaften, während auf darüber angebrachten Regalen die braunen Kaffeekannen und geblümten Tassen gewissermaßen mit als Zierrat zur Schau ausstanden. Die dritte Ecke füllte der Webstuhl des Mannes aus, und dem gegenüber stand eine riesengroße, braun angestrichene Kommode mit Messinghenkeln und Griffen und fünf Schiebladen, die, mit wirklich rührender Eitelkeit als eine Art von Nipptisch benutzt, zwei mit bunten Blumen bemalte Henkelgläser, eine vergoldete Tasse mit der Aufschrift ,Der guten Mutter’ – ein Geschenk aus früherer Zeit – und ein gelbirdenes, aber allerdings sehr wenig benutztes Tintenfaß trug, während dahinter, in zwei ordinären Stangengläsern, in dem einen Schilfblütenbüschel und in dem andern große, stattliche Ähren von Roggen, Weizen, Gerste und Hafer standen, zur Erinnerung an eine frühere segensreiche Ernte.

       Die Bewohner der kleinen Stube paßten genau in ihre Umgebung. Es war eine nicht mehr ganz junge, aber doch rüstige Frau, in die nicht unschöne Bauerntracht der dortigen Gegend gekleidet, die an ihrem Spinnrad saß und eifrig das Rädchen schnurren ließ. Dabei berührte die rechte Hand manchmal eine neben ihr stehende Wiege, um den darin ruhenden kleinen Säugling, der immer wieder die großen, dunklen Augen zu ihr aufschlug, endlich in Schlaf zu bringen. Sie war reinlich, aber in die gröbsten Stoffe gekleidet, ebenso der Bube von etwa vier Jahren, der ihr zu Füßen mit einer Hand voll Steinchen auf dem über die Diele gestreuten Sand Schäfer und Schafe spielte.

       Außerdem war noch eine vierte Person im Zimmer, die alte Mutter der Frau, eine Greisin von nahe an siebzig Jahren, die auch noch ihr Spinnrad drehte, sich aber mit demselben hinter den noch warmen Ofen gesetzt hatte, weil ihr das heutige naßkalte, unfreundliche Wetter fröstelnd durch die alten Glieder zog. Es war eine gutmütige, aber mürrische alte Frau, selten zufrieden mit dem, was sich ihr gerade bot, unermüdlich darin, sich und ihren Kindern die Last vorzuwerfen, die sie ihnen mache, und den lieben Gott täglich zu bitten, daß er sie doch bald zu sich nähme. Nur eine kleine, ganz kurze Frist erbat sie sich immer noch – dann wollte sie gern sterben. Erst, wie das Älteste geboren war, wollte sie das noch gern laufen sehen, dann hätte sie gern erlebt, wie es zum erstenmal in die Schule ging, dann war es Frühjahr geworden und sie hoffte nur noch einmal neue Kartoffeln zu essen, zu Jakobi aber wollte sie noch einmal von dem Pflaumenbaum die Früchte kosten, den ihr ,Seeliger’ noch gepflanzt. Wie der Herbst kam, wünschte sie im Frühjahr begraben zu werden, und die knospenden Maiblumen weckten den Wunsch nach den Astern, ihrer Lieblingsblume, von denen sie sich eigenhändig ein schmales Beet in dem kleinen Garten dicht am Hause gepflanzt. So lebt und webt die Hoffnung in unseren Herzen mit immer neuer, nie sterbender Kraft, und je älter wir werden, desto mehr lernen wir die schöne Erde lieb gewinnen, desto mehr klammern wir uns an sie und wollen uns gar nicht mehr von ihr trennen.

       Der Tag neigte sich dem Abend zu, der Mann war in die Stadt gegangen, um seine Steuern zu bezahlen und manches einzukaufen, was sie notwendig im Hause brauchten. Zum Ersatz dafür hatte er das zweite Schwein, das sie bis dahin gehalten, hineingetrieben, und der Erlös sollte seine Ausgaben bestreiten.

       Der Regen wurde jetzt wieder heftiger, die großen schweren Tropfen schlugen gegen das Fenster, und das Kind wurde vollständig munter und fing an zu schreien. Die Mutter schob ihr Spinnrad zurück, nahm das Kleine aus der Wiege, und ging damit trällernd im Zimmer auf und ab. Die Alte spann indes ruhig weiter und versuchte mit zitternder, leiser Stimme ein geistliches Lied zu singen, und mit dem Rad trat sie den Takt dazu. Sonst sprach keine ein Wort.

       Endlich wurde die Haustür geöffnet, jemand kam von draußen herein und strich sich die Füße auf den Steinen und der Strohdecke ab, und sie hörten gleich darauf, wie der zurückkehrende Vater und Gatte seinen großen, rotblauwollenen Schirm auf die Steine stieß, um das Wasser soviel wie möglich davon abzuschütteln, und den Mantel auszog und über den großen Schleifstein

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