Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich

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werfend über Wiesen und Feld und die weite Talesflucht, die sich dem Auge in der Ferne öffnete und dem leuchtenden Blick neue Schätze bot, wohin er fiel.

       Ein Frühling in Deutschland ein Frühling im V a t e r l a n d ! Oh, wie sich das Herz mit der wirbelnden, schmetternden Lerche hebt und jubelnd, jauchzend gen Himmel steigt! Zwinge die Träne da nicht zurück, die sich Dir, dem Glücklichen, ins Auge drängt – in ihrem Blitzen preist Du den Vater droben, wie es die jubelnde Lerche dort tut, die mit zitterndem Flügelschlag über den grünen Matten schwebt – wie das raschelnde, flüsternde Blatt im Wald, wie der schwankende, taugeschmückte Halm und die knospende, duftende Blüte im Tal. Ein Frühling im Vaterland ! – Oh wie schön, wie jung und frisch die Welt da um uns liegt in ihrem bräutlichen Glanz, voll neuer Hoffnungen in jedem jungen Keim ! Und wie sich das Herz der scheuen Blume gleich zusammenzog, als der Herbststurm über die Heide fuhr, mit rauher Hand den Blattschmuck von den Bäumen riß und zu Boden warf, und Schnee und Eis vor sich hinjagte über die erstarrende Flur : so öffnet es sich jetzt mit vollem Atemzug wieder dem balsamischen Frühlingsgruß, und vorbei, vergessen liegt vergangenes Leid – wie der verwehte Sturm selber keine Spur mehr hinterließ und die schönsten Blumen jetzt gerade an den Stellen blühen, wo er am tollsten, rasendsten getobt.

       Ein warmer, erquickender Regen war die letzten Tage gefallen, und so gut er dem Land getan, hatte er doch die Bewohner des nahen Städtchens in ihre Häuser und Straßen gebannt gehalten, von wo aus sie sehnsüchtig teils die nahen grünenden Berge, teils die dunklen Wolken betrachteten, die nicht nachlassen wollten, Segen auf die Fluren niederzuträufeln. Heute aber hatte sich das geändert; voll und warm glühte die Sonne am Himmelszelt, und hinaus strömten sie in jubelnden Scharen, hinaus ins Freie. Der Rote Drachen vor allen anderen Plätzen, der so reizend an der Öffnung des Tales lag und die Aussicht bot in das darunter liegende freie Land, hatte dabei sein reichlich Teil der fröhlichen Schar erhalten, daß die Wirtin mit ihren Kellnern und Mägden nicht Hände genug hatte, zu schaffen und herzurichten, und die Tische und Bänke im Garten draußen fast alle rundherum von Schmausenden besetzt waren.

       Der Rote Drachen sollte übrigens, wie die Sage ging, seinen Namen von einem wirklichen Drachen bekommen haben, der einmal vor vielen hundert Jahren in der Schlucht weiter oben, die auch noch ebenfalls nach ihm die Drachenschlucht hieß, gehaust und viele Menschen und Rinder verschlungen hatte. Der Wirt des Roten Drachen nun, Thuegut Lobsich, dessen Voreltern schon diesen Platz gehalten, behauptete, einer seiner ,Ahnen’ habe den Drachen im Einzelkampf erlegt (die Gäste meinten, mit schlechtem Bier vergiftet) und dafür von dem damals regierenden Fürsten Platz und Wirtschaft als Gerechtsame, mit dem Schild als Wahrzeichen, erhalten.7

       Wie dem auch sei, Thuegut Lobsich tat wirklich gut auf dem Platz, der im vortreffliche Nahrung bot, und befand sich so wohl, wie sich nur ein Wirt in einer gut gelegenen Wirtschaft befinden kann. Sein Frau war aber dabei der Nerv des Ganzen, in Küche und Stall, in Keller und Haus, und während sich Vater Lobsich (wie er sich gern nennen ließ, obgleich er noch jung und rüstig war) am liebsten zu seinen Gästen irgendwo an einen Tisch drückte und «das Bier kontrollierte», wie er sagte, daß ihm die Burschen kein saures brachten und die Gäste verjagten, arbeitete die Frau im Schweiße ihres Angesichts vor dem Herd, die bestellten Portionen herzurichten und zu gleicher Zeit auch den Verkauf von Kaffee, Tee, Milch und Kuchen zu überwachen. Dabei führte sie die Kasse und rechnete mit Kellnern und Mädchen ab, und wehe denen, die eine halbe Portion Kaffee oder Kuchen vergessen, ein nichtbezahltes Glas nicht aufnotiert oder einem schlechten Kunden noch einmal gegen den direkt gegebenen Befehl geborgt hatten.

       Böse Zungen meinten nicht selten, Frau Lobsich sei der ,einzige Mann im Hause’ und Thuegut dürfe nur tanzen, wenn sie nicht daheim wäre. Böse Zungen erwähnten dann aber nicht dabei, daß sie wirklich allein das Hauswesen in Zucht und Ordnung hielt, und so scharf und heftig sie draußen in Küche und Wirtschaft, wo sie fremde Leute doch auch eigentlich nur zu sehen bekamen, sein konnte, und so große Ursache sie dabei oft hatte ärgerlich zu sein, und die Ursache dann auch für vollkommen genügend hielt, es wirklich zu werden, so still und freundlich konnte sie sich betragen, wenn sie allein mit ihrem Mann war, und so gern gab sie ihm in allem nach, was nicht eben zu Ruin und Schaden trieb. Salome Lobsich war das Muster einer Hausfrau und, was ebensoviel sagen will, eine gute Gattin dabei; ob ihr Mann dasselbe auch von sich sagen konnte, stand auf einem anderen Blatte.

       Heute hatte sich nun eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft in dem gar so freundlich gelegenen Garten des Roten Drachen eingefunden, und dicht vor der Tür desselben, unter der alten breitschattigen Linde, die ihre Arme so weit nach rechts und links hinüberstreckte, daß man sie schon hatte stützen müssen, um nur den Weg zu ihr und den Platz darunter frei zu behalten, saß Lobsich selber mit einem kleinen Kreis guter Bekannten, das heißt alter Kunden und quasi Stammgästen von i h m, denn er selbst kam selten irgendwo anders hin, und wer also sein Bekannter b l e i b e n wollte, mußte i h n eben besuchen.

       Zu diesen gehörte besonders Jakob Kellmann, ein Kürschner und Pelzhändler aus Heilingen, dann der Aktuar8 Ledermann von dort, eine lange hagere, etwas ungeschickte Gestalt, doch mit nicht unangenehmen, gutmütigen Gesichtszügen, und der Apotheker aus Heilingen, Schollfeld mit Namen, die es gewöhnlich so einzurichten wußten, daß sie an einen Tisch miteinander zu sitzen kamen. Lobsich nahm ebenfalls am liebsten zwischen dieser kleinen Gesellschaft Platz, und nur dann und wann, besonders wenn er die Stimme seiner Frau irgendwo hörte, stand er auf und ging einmal durch den Garten und die Reihen seiner Gäste, um zu sehen, ob alle ordentlich bedient würden und keine Klagen einliefen gegen unaufmerksame Kellner, die er in dem Fall auch wohl gleich an Ort und Stelle mit einem Knuff oder einer Ohrfeige als warnendes Beispiel abstrafte. Er mußte an irgendjemand seinen Ärger auslassen, daß er nicht bei seinem Bier konnte sitzen bleiben.

       «Ist doch ein prachtvolles Wetter heute», sagte Kellmann, der eben einen tüchtigen Zug aus seinem Glase getan und nun mit vollem zufriedenen Blick über das freundliche Bild hinausschaute, das sich, von der warmen Nachmittags-sonne beschienen, in all’ seinem blitzenden Glanz und Farbenschimmer vor ihnen aufrollte, «und es wächst und gedeiht alles draußen so schön und steht so prächtig – merkwürdig dabei, daß alles so teuer bleibt und die Preise, statt herunter zu gehen, immer nur steigen und steigen.»

       «Ja, das weiß Gott», seufzte der Aktuar, dem der Gedanke selbst den Geschmack am Bier wieder zu verderben schien, denn er setzte das schon zum Mund gehobene Glas unberührt vor sich nieder. «Und wenn das noch eine Weile so fort geht, können wir alle miteinander verhungern oder davonlaufen.»

       «Nun, I h r habt gut reden», sagte Kellmann, «Ihr bekommt vom Staat Euer Gewisses und könnt Euch genau danach einrichten - E u e r Geld muß Euch werden, wenn der Erste jedes Monats kommt; unsereins hängt aber allein von den Zeiten ab, und wenn die Lebensmittel knapp werden, kauf niemand einen Pelz. Holz müssen sie doch haben, und daran kann sich nachher die ganze Familie wärmen.»

       «Ihr redet, wie Ihr’s versteht», brummte der Aktuar. «Unser Gewisses bekommen wir, das ist wahr, aber nur deshalb, damit wir gewisses Elend vor Augen sehen. Ich habe fünfhundert Taler Gehalt, und Frau und Kind und Dienstmädchen zu ernähren, und soll anständig dabei gekleidet gehen, denn vor zehn und zwanzig Jahren hatte ein Aktuar in meiner Stellung auch nicht mehr und machte das alles möglich, ja befand sich wohl dabei. Jetzt aber wird Brot, Butter, Fleisch, Holz, Wohnung, kurz alles, was wir nun einmal zum Leben brauchen, gesteigert von Tag zu Tag, aber meine fünfhundert Taler b l e i b e n. Vor zehn Jahren kaufte ich zwanzig Pfund Brot für dasselbe Geld, für das ich jetzt nicht zehn bekomme – aber m e i n e fünfhundert Taler b l e i b e n. Auch mein Hausherr verlangt höheren Zins – schon voriges Jahr bin ich höher gegangen, um nicht gesteigert zu werden, das heißt für denselben Preis aus der zweiten in die dritte Etage gezogen, aber für dies Jahr muß ich ganz hinaus, denn will wieder zehn Taler mehr haben und k a n n’s ihm nicht geben. I h r Leute habt Euch gut in die Zeiten schicken, denn wenn das Brot teurer wird, schlagt Ihr desto mehr auf Eure Ware, der kleine Beamte aber, der Staatsdiener um geringen Lohn, das ist das geplagte, gefährdete Geschöpf, und jede neue

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