Im Schatten der Schuld. Till Angersbrecht
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Ein bisschen weniger Pathos ist mir persönlich lieber, das muss ich schon sagen; allerdings können moderne Plädoyers dafür zum Einschlafen langweilig sein. Feindser kann immerhin darauf rechnen, dass einige seiner Sätze - stark gekürzt selbstverständlich - morgen früh in den Boulevardblättern im Fettdruck erscheinen. Eine Reaktion vonseiten der Verteidigung oder dem Hause Hochreith - Anklage wegen Verleumdung etc. - ist in diesem Fall nicht zu befürchten. Der Fall ist zu eindeutig, da gibt es kein Wenn und schon gar kein Aber.
Natürlich war Thea Wollbruck dennoch gespannt, was Verteidiger Kudorsky nach dem Statement des Staatsanwalt noch zu sagen hätte. Sie wusste, der Mann war stets für Überraschungen gut - das war er schon seinem Rufe als Staranwalt schuldig. In wenigen Tagen konnte der Mann so viel verdienen wie ein Richter in einem ganzen Jahr. Man warf ihm Millionen nach, nur damit er aus Krumm Gerade machte und Schwarz in Weiß verdrehte. Das war schon schlimm genug, aber dass ihm solche Verdrehungen fast immer gelangen, war überhaupt das Schlimmste. Allerdings hatte Kudorsky nie an einem Verfahren teilgenommen, dessen Vorsitz sie selber führte. Er würde schon sehen, dass man ihr mit durchsichtigen Finten nicht kommen kann. An ihr würde sich auch ein Kudorsky die Zähne ausbeißen. Überall, wo es Zweideutigkeiten, Verfahrensfehler, Widersprüche und Schlampereien von Polizei oder Staatsanwaltschaft gab, verstand dieser Mann sein Talent auszuüben, die Fehler der anderen, das war sein ureigenes Terrain. Aber diesmal lagen dem Gericht unanfechtbare Beweise vor. Es gab die Täterin, und es gab die Tatwaffe, den Sprenggürtel. Gegen die überwältigende Evidenz solcher Fakten kommt selbst ein ihn allen Finten geübter Anwalt nicht an.
Eigentlich warf ein Fall wie dieser sogar die Frage auf, ob Verteidigung unter solchen Umständen überhaupt noch einen Sinn besaß. Gewiss war in einer demokratischen Rechtsordnung die Anwesenheit eines Verteidigers grundsätzlich vorgesehen. Ein Angeklagter verdient ja Hilfe, weil er eines Verbrechens möglicherweise zu Unrecht bezichtigt wird; aber Julia v. Hochreith war nach allen Regeln der Kunst überführt, im Grunde war alle Verteidigung hier rein formal. Jeder musste begreifen, dass Verteidiger Kudorsky nur als Instrument herhalten sollte, um einem reichen Auftraggeber, in diesem Falle dem Hause Hochreith, einen letzten Ausweg zu verschaffen: Mit den Mitteln der Rechtsverdrehung sollte die Verteidigung alles nur Mögliche unternehmen, um die Rechtsordnung und Gerechtigkeit aus den Angeln zu heben.
Entschlossen, sich nicht beirren zu lassen, sah Richterin Wollbruck den Ausführungen des Staranwalts entgegen.
Was dann kam, war einfach - so einfach, dass sie zunächst ganz verdutzt war und einen Augenblick zögerte, bevor sie das Ende der Sitzung verkündete.
Kudorsky stellte fest, dass das Mordinstrument, der Sprenggürtel, in seiner der Polizei vorliegenden Form keinen Beweis darstellte, weil die Angeklagte ihn auch beim besten - in diesem Fall eher dem bösesten - Willen nicht hätte zünden können. Der Anschluss für ein Zündungshandy sei in Gestalt eines Audiosteckers zwar vorhanden, das Zündungshandy selbst aber habe gefehlt und wurde bis heute nicht aufgefunden. Damit stehe man vor einer völlig neuen Situation. Julia Hochreith sei möglicherweise nur das ausführende Organ einer sie aus dem Hintergrund manipulierenden Bande gewesen, die sie zu dieser Tat anstiften oder nötigen wollte.
Die Angeklagte, bis dahin reglos und mit eingesunkenem Körper auf der Anklagebank verharrend, richtete bei diesen Worten den Kopf in die Höhe und unterbrach den Verteidiger mit beleidigenden Worten.
Unsinn!, fauchte sie. Sie allein bekenne sich ohne Wenn und Aber zu dieser Tat, die sie ganz allein habe ausführen wollen. Sie wisse nicht, wie das Zündungshandy abhanden gekommen sei. Im übrigen brauche sie diesen Verteidiger nicht und wolle von ihm nichts wissen. Mehr werde sie auf keinen Fall sagen.
Es war der Richterin bekannt, dass die Angeklagte jede Zusammenarbeit mit der Polizei abgelehnt und zu allen Fragen verbissen geschwiegen hatte. Jetzt wusste sie überdies, dass auch der Verteidiger von dieser Frau keine Auskünfte erhielt. Nach wie vor war der Fall für sie eindeutig, dennoch nötigte es ihr eine gewisse Bewunderung ab, dass es Kudorsky auch diesmal und noch dazu gleich am Beginn des Verfahrens so mühelos gelungen war, Sand ins Getriebe zu streuen. Solange nicht zu beweisen war, dass Julia v. Hochreith allein und aus eigenem Antrieb gehandelt hatte, würde ein Abschluss des Verfahrens als voreilig und unstatthaft erscheinen. Sie sah sich genötigt, die Sitzung zu unterbrechen und einen neuen Termin festzulegen.
Die Verzögerung war ärgerlich, aber nicht zu vermeiden. Die unerwartete Wendung hätte sie vielleicht wirklich verstimmt, wäre es ihr in diesem Augenblick nicht in den Sinn gekommen, dass sie am späten Nachmittag wieder Wendelin zu einem gemeinsamen Ausritt treffen würde. Das würde allen Ärger auf der Stelle vertreiben.
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