Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II. Hymer Georgy
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Früher einmal, im kalten Krieg, wäre ein solches Ausbleiben eines führenden Agenten sehr besorgniserregend gewesen, und man hätte mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Heute jedoch, da sich Ost und West näher gekommen und Internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität und Wirtschaftsspionage mehr in den Fokus der Geheimdienste gerückt waren, bedeutete das Verschwinden eines Mannes in einem osteuropäischen Land nicht mehr unbedingt gleich dessen Entführung oder Ermordung – wenngleich genau jener kalte Krieg zwischen Russland und den westlichen Staaten durch die gefährlichen Entwicklungen in der Ukraine im Laufe des Jahres wieder deutlich angeheizt worden war.
Ein wichtiger Mensch im Ministerium hatte Generalmajor Stoessner, seit einiger Zeit ja Freysings Vorgesetzter beim BND, jedoch entweder eines Anderen überzeugt oder unter leichten Druck gesetzt, und so war der Agent zu diesem eher unscheinbaren Auftrag von ihm in Marsch gesetzt worden. Schon länger war da ein schöner, leider viel zu kurzer Urlaub mit seiner neuen Lebensgefährtin Katie bei St. Aygulf an der französischen Mittelmeerküste zu Ende gegangen, die er im Zuge der „Stahlmann-Verschwörung“ kennen und lieben gelernt hatte. Nun war Sax mitten in seinem neuen Fall drin, immerhin. Wenn auch in einem, wie er fand, eher tristen.
Sax betrachtete die Suche nach Marius Holler nicht als besonders wichtig. Natürlich verschwanden BND-Führungsagenten nicht jeden Tag, eigentlich kam es so gut wie nie vor. Dieser hier war weder sonderlich bedeutend noch ein außergewöhnlicher Geheimnisträger, und so würde sich am Ende wahrscheinlich herausstellen, dass sein Verschwinden sehr trivialen Gründen unterlag oder auch nur temporär war.
Freysing hatte in den letzten beiden Tagen bereits drei Kontaktleute, also „Spione“ im eigentlichen Sinn dieses Wortes, aus bedeutsamen Werken und verschiedenen Forschungseinrichtungen der Region getroffen, welche Holler in unregelmäßigen Abständen Informationen lieferten. Keiner der Befragten wusste etwas über dessen Verbleib auszusagen. Ernö Kicsi war der vierte Versuch, vielleicht doch etwas Sachdienliches zu erfahren. Der nicht ganz freiwillige Wahltscheche schien allerdings mehr daran interessiert, sein Material zu verkaufen, bevor es durch das Verstreichen von Zeit noch mehr an Wert verlor.
Die Spitzengruppe des Rennens durchfuhr nun die Omega-Kurve, und in der kurzen Lärmpause bis zum Herannahen des Feldes schrie der vertikal gehandicapte Unsympath ungeduldig zu Freysing hinauf: „Wollen Sie es nun haben, oder nicht?“
„Geben Sie her!“, meinte dieser ruhig, wenn auch ebenfalls laut.
Ernö lachte. Es war ein recht dreckiges Lachen, das zu seinem stetigen Grinsen passte: „Zeigen sie mir erst mal das Geld. Ich kenne sie schließlich nicht!“
Freysing fasste genervt in die Tasche seiner beigen Sommerhose, die ihn wie das fast gleichfarbige Poloshirt und der leichte Sommerstrohhut vor der Sonne schützten. Seine Hand kam mit einem zusammengefalteten Briefumschlag heraus, der, wie er wusste, fünfundzwanzig nicht banderolierte Zweitausend-Kronen-Banknoten enthielt. Er hatte sie am Samstagmittag am Bahnhof besorgt, ohne sich von den gewerblichen Geldwechslern dort im Tauschkurs über den Tisch ziehen zu lassen - kurz nachdem er mit Kisci telefoniert und die Verabredung für den Sonntag getroffen hatte. Fünfzig-tausend Tschechische Kronen, das waren gegenwärtig nicht mehr als ungefähr 2000 Euro, aber viel mehr war das, was Ernö zu bieten hatte, wohl auch nicht wert. Den Preis hatte der Informant - angeblich - noch mit Holler ausgemacht gehabt.
„Wir können es natürlich auch lassen!“, sagte Freysing knapp und wollte die Hand mit Umschlag und Geld sogleich wieder in der Hosentasche verschwinden lassen. Seine weiteren Worte gingen im Lärm des auf der Rennstrecke vorbeirasenden Feldes unter, aber als der letzte Wagen, etwas abgehängt, vorbeifuhr, reichte ihm der Mann nicht sichtbar für eventuelle Beobachter und ziemlich heimlich tuend eine kleine, flache Speicherkarte, wie sie noch in Bilderkameras Verwendung findet.
Freysing nahm sie entgegen, atmete kurz durch und steckte sie dann in einen kleinen Schlitz seines Fernglases, der einigermaßen so aussah, als gehöre er zur Tragschlaufenbefestigung. Dann hielt er das Fernglas in die Höhe und schien den Fahrzeugen hinterher zu blicken, die sich gerade noch weiter durch die Omega-Kurve bewegten. Anstelle der Rennwagen erblickte er darin nach entsprechender Justierung einer Stellschraube jedoch nun den Dateninhalt der eingeschobenen Speicherkarte: Eine Reihe von Dokumenten, die Ernö offenbar heimlich mit einer Digitalkamera fotografiert hatte. Das ermöglichte unter gewissen Lichtverhältnissen bessere Fotos, als die Miniobjektive in einem Smartphone. Die Seiten klickten automatisch annähernd im Sekundentakt weiter.
Der Inhalt war für Freysing nicht sehr verständlich, offenbar ging es um irgendwelche hitzebeständigen Kunststoffbauteile, und so setzte er das spezielle Fernglas, ein nützliches kleines Agentenwerkzeug, wieder ab, nachdem er ein gutes Dutzend Bilder betrachtet hatte. Er reichte Kisci den Geldumschlag, der sofort etwas verstohlen nachzählte, ohne dass die sie umstehenden Rennzuschauer dies mitbekamen. Der Informant schien zufrieden, aber Freysing war es noch nicht.
Die Fahrzeuge hatten sich weit von der Schikane entfernt und erreichten in den nächsten Sekunden bereits die gegenüberliegende Seite des Parcours, daher konnten sie sich nun für eine kurze Weile in beinahe gedämpfter Lautstärke unterhalten.
„Gut!“, bestätigte Freysing den nicht ganz astreinen Deal nun schnell. „Aber deswegen bin ich eigentlich nicht hergekommen.“
Kisci knurrte kurz. Dann meinte er: „Sie sagten mir, dass Herbst, der mir sonst das Geld mitbringt, seit ein paar Tagen verschwunden ist. Aber ich habe ihnen bereits am Telefon klar gesagt gehabt, dass ich auch nichts mehr von ihm gehört habe. Nicht mehr, seitdem ich ihm die Kostprobe gegeben hatte.“
Herbst, so war Freysing informiert, lautete der Deckname von Holler gegenüber dessen hiesigen Kontakten. Mit Kostprobe meinte Kisci die Fotografien von zwei Seiten eines Dokuments über die Forschungen in dem Werk, in dem er arbeitete. Wie immer hatte er zunächst nur einen Teil herausgerückt, um sicherzugehen, dass er auch eine korrekte Bezahlung für seine Informationen erhielt. Wenngleich er in den langen Jahren seiner geheimen Tätigkeit eigentlich gute Erfahrungen mit den Deutschen machte, war er stets von Misstrauen geprägt gewesen, ob man sein Engagement wirklich richtig zu würdigen wusste.
„Erzählen Sie mir etwas über ihn!“ forderte Sax.
Ernö zierte sich nur kurz. Er war fast sicher, die Deutschen diesmal mit seiner Forderung nach fünfzigtausend Kronen etwas übervorteilt zu haben, da waren ein paar zusätzliche Auskünfte durchaus mit im Preis enthalten. „Herbst?“, begann er. „Ich kenne ihn nur von den gelegentlichen Treffen persönlich, nicht weiter privat. Er ist bereits seit knapp acht Jahren mein Kontaktmann zu euch. Wir haben uns immer in Brno getroffen, nie außerhalb, oft auch hier, und soweit ich weiß ist er stets in einer kleinen Pension in der Mendlovo náměstí abgestiegen.“
Das war für Freysing alles nicht neu. Genauso stand es in den Unterlagen, die er vom Dienst in Berlin und von der Botschaft in Prag bekommen hatte. Freysing war im gleichen Haus untergekommen und noch in der ersten Nacht vorsichtig in das Zimmer Hollers eingebrochen, um nach Hinweisen zu suchen. Die Pensions-mitarbeiter hatten das Zimmer noch nicht ausgeräumt gehabt, denn Holler war ein zuverlässiger Gast und der Aufenthalt durch Kreditkarte abgesichert – da spielte es keine Rolle, wenn er für ein paar Tage dort nicht nächtigte. Die Aktion blieb ergebnislos, er fand lediglich Hollers Laptop, nahm diesen mit und achtete im Übrigen darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Auch in den Dateien des Gerätes gab es jedoch keine Hinweise zu den Gründen dessen Verschwindens zu entdecken.
„War diesmal alles genau so, wie sonst auch?“,