Dschungeltanz. Aurel Levy
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»Ist leider nischt so gut.« Der Professeur lächelte ein blendend weißes Zahnpasta-Lächeln. »Isch abe in Tübin-gen studiert, s'il vous plâit. Ist aber schon lan-ge er. Wenn Sie möschten, dann komme isch mit Ihnen und erzähle ein biss-schen von der Geschischte der Sklaverei. Mon grand-père war ier auf Gorée für einige Jahre Direkteur. Informationen aus die erste And. Möschten Sie?«
Ich sah zu Kai. Der zuckte mit den Schultern. Wieder war es Benny, der reagierte. Er hatte den Zeigefinger in die Öffnung der Colaflasche gesteckt und pendelte damit hin und her.
»Super. Ist immer gut, wenn man einen Local dabei hat.«
Sangaré ließ sich Geld geben und löste die Eintrittskarten. Wenig später startete unsere Tour durch das ehemalige Sklavenhaus von Gorée. Sangaré holte aus, bevor er auf die Bedeutung des Gefangenenhauses einging. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gab es ein gut organisiertes Handelsdreieck. Schiffe fuhren mit Werkzeugen und Gebrauchsgütern von Europa nach Afrika. Mit den Erlösen der Fracht bezahlte man die Menschenjäger, die ganze Negerstämme wie Tiere einfingen (den Ausdruck Negerstamm hatte Papiss gebraucht). Die Sklaven brachte man nach Amerika, wo sie in den Südstaaten Baumwolle und Zuckerrohr pflückten. Mit dem Schiffsrumpf voller Plantagenerzeugnisse kehrten die Segler nach Europa zurück und bescherten ihren Eigentümern astronomische Gewinne. Erst das Ende des amerikanischen Sezessionskriegs durch die siegreichen Nordstaatler beendete die Sklaverei. Über zwanzig Millionen afrikanische Männer, Frauen und Kinder wurden entwurzelt und in eine grausame Zukunft geschickt.
Ein Großteil über Gorée. Der Professeur führte uns durch Kellerräume und wurde nicht müde, zu beschreiben, unter welchen Bedingungen die Menschen, zusammengepfercht wie Vieh, hier ausharren mussten, bevor sie die weite und gefährliche Seereise antreten mussten.
Die Vorstellung war beklemmend. In diesen feuchten Verliesen ohne Sonnenlicht mit all den anderen dem Tod Geweihten auf das nächste Horrorszenario zu warten. Selbst Benny, der anfangs noch über eine unbefriedigende Gesamtsituation gewitzelt hatte, war kleinlaut geworden. Endlich führte uns eine Treppe wieder nach oben. Sangaré blieb vor einer rechteckigen Maueröffnung stehen. Man sah direkt auf das im Sonnenlicht funkelnde Meer. Nach dem Rundgang durch die Katakomben verströmte dieses Bild Ruhe und Frieden. Der Professeur wartete, bis alle hinaussehen konnten, dann begann er:
»Mes amis, bittschön, ier aben wir das Tor ohne Wiederkehr, entendez?« Der Professeur deutete mit dem Zeigefinger auf das Meer. »Dort draußen warteten die grands voiliers. Die Gefangenen wurden mit Ruderbooten zu die Schiffe gebracht. Um in die Ruderboote zu kommen, mussten les hommes ins Wasser steigen und dann ins Boot klettern. Sie atten jedoch Fußketten an. Viele waren malade et faible, sie schafften es nischt in die Boote. Sie gingen einfach unter. Afrikaner können nischt schwimmen.«
»Aber hatten die Eigentümer der Schiffe denn nicht ein Interesse daran, dass möglichst viele Sklaven in die Boote kamen?« Benny, ganz Geschäftsmann, kniff die Augen zusammen.
»Absolument! Aber was glauben Sie, würde ein Sklave die wochenlange Seereise überleben, wenn er ier schon Schwäsche zeigte?«
Benny schüttelte den Kopf.
»Sie sehen, man atte so eine ganz gute Selection.« Papiss fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. »Aber das Schlimmste kommt noch: Viele von les prisonniers atten ... wie sagt man ... offene Aut?«
»Wunden?«, half Kai.
»Rischtisch, Wunden, s'il vous plâit. Diese Unglücklischen wurden zu eine leischte Beute für die Aie. Vor allem für die Grands requins blancs, die große, weisse Ai. Die Leute ier nennen sie bloß les cannibales, die Menschenfresser. Sie kamen mit den Segelschiffen, weil sie genau wussten, dass es gab ier immer eine gedeckte table.«
Kai schaute den Professeur an. Ich meinte, leise Zweifel in seinem Gesicht zu erkennen.
Papiss sprach ihn direkt an: »Sie glauben mir nischt? S'il vous plâit, sagt Ihnen vielleischt der Name Cousteau etwas? Commandant Cousteau, le grand exploratuer de la mer?«
Kai nickte.
»Dann darf isch ihnen sagen, dass Monsieur Cousteau direkt ier draußen mit seine Calypso gelegen hat, über viele Wochen. Und wissen Sie, was Commandant Cousteau erausgefunden hat, s'il vous plâit? Dass es ier noch eute, isch wiederhole, noch eute es gibt mehr Exemplars von die grand requin blanc, als irgendwo sonst en Afrique.«
Kai: »Ich dachte, das sei ein Spot in Südafrika. Seal Island, eine Robben-Insel. Dort haben sie auch Haikäfige für die Taucher.«
»Nono, nonono!« Sangarés ausgestreckter Zeigefinger wackelte hin und her. »Das denken die meiste! En Afrique du Sud es gibt große Geschäftsleute, aber die größten Aie gibt es hier!« Papiss war noch nicht am Ende. »Cousteau at gemacht eine beruhmte Film pour le cinema, sie aben es vielleischt gesehen. Seine Taucher und er aben mit Geräte zum Metallfinden gearbeitet. Sie aben en sable viele Eisenketten gefunden. In mansche, sie können sisch vorstellen, steckte noch Reste von Fußknochen.«
Sangaré verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen und sah dabei Daisy an.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie eine Mutti mit ihrem Baby auf dem Arm versuchte, ins Boot zu kommen, während so ein Monster ihre Beine abfieselte, weil sie es nicht rechtzeitig ins Boot schaffte.
Ich liebe das Meer, aber seit Der weiße Hai ist mein Verhältnis dazu nicht mehr unbeschwert.
Wir folgten dem Professeur über eine geschwungene Treppe ins Freie. Ich dachte darüber nach, welch glücklicher Fügung des Schicksals ich es zu verdanken hatte, in der heutigen Zeit unter derart geordneten Verhältnissen aufgewachsen zu sein. Zweihundert Jahre früher und ein paar tausend Kilometer weiter südlich und die Nachspeise hätte völlig anders geschmeckt.
Daisy lehnte an der Brüstung der Freitreppe und blickte gedankenverloren auf die Fassade des Maison des Esclaves. Seltsam – seit ich wusste, dass sie als Ermittlerin beim Landeskriminalamt gearbeitet hatte, hatte ich ein völlig anderes Bild von ihr. Sie war nun nicht mehr nur die nette Copilotin, die nicht auf den Mund gefallen war. Sie hatte eine zusätzliche Facette erhalten. Etwas Geheimnisvolles, Gefährliches. Welcher Film mochte hinter den großen Gläsern der Piloten-RayBan gerade ablaufen?
»Ich hoffe, unser kleiner Rundgang hat Ihnen gefallen«, sagte der Professeur in bestem Hochdeutsch. »Wenn ja, dann würden sich die Kinder in unserem Waisenhaus sehr über eine Spende freuen.«
Sangaré holte einen kleinen Leinenbeutel aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn Kai. Der Beutel war bedruckt und zeigte zwei stilisierte Kinder, die sich unter einem Dach an der Hand hielten.
»Und ich muss Ihnen noch etwas sagen: Die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe, ist tatsächlich bloß eine Geschichte.«
Benny sah den Professeur an, als hätte der ihm gerade ein paar Nasenhaare ausgerissen.
»Woher können Sie auf einmal so gut deutsch?«, machte ich meiner Verwunderung Luft.
»Danke sehr.« Papiss deutete eine Verbeugung an. »Ich habe über dreißig Jahre als Taxifahrer in Mannheim gearbeitet, bevor ich in meine Heimat zurückkehrte. Mir war klar geworden, dass Afrika meine Hilfe braucht.«
»Und die Geschichte gerade eben?«
»Sie