Bloody Julie 2.0. Susanne Sievert

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Bloody Julie 2.0 - Susanne Sievert

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wissen, wo sie sind, falls sie sich denn in diesem Gebäude aufhalten. Ohne guten Grund gehe ich nicht mit einem Fremden mit, auch wenn es sich um einen Arzt handelt. Das sind schließlich die schlimmsten Sadisten.

      „Na, kommen Sie“, höre ich Elvis leise, weil er bereits losgegangen ist und mit der Wand redet, statt mit mir. „Ihre Fragen werden alle beantwortet.“

      Das reicht mir vorerst. Mir bleibt auch keine andere Wahl, und so folge ich dem Arzt über den Flur.

      „Elvis, ja?“ Ich habe keine Lust auf Kaffeeklatsch. Alles, was ich von ihm wissen möchte, ist, wo sich mein Bruder aufhält. Aber ich darf nicht zu ungeduldig sein, denn damit versaue ich mir womöglich ein paar wichtige Antworten.

      „Tja, was soll ich sagen? Meine Eltern liebten den King und sie liebten ihren einzigen Sohn, der mal Arzt werden sollte – also mich. Raten Sie mal, zu welchem Lied sie auf ihrer Hochzeit getanzt haben? Richtig: Falling in Love. Kitschig, oder?“

      Ich gebe ein paar kurze, harte „Ha, ha, ha“ von mir und versuche, in meinem Kopf die Puzzleteile zusammenzufügen. Es sind aber zu viele und meine Gedanken werden schwammig und trüb.

      Vor einer Tür, die wie alle anderen aussieht, bleiben wir stehen. Elvis zieht einen schweren Schlüsselbund aus seiner Tasche und findet auf Anhieb den passenden Schlüssel. In meinen Augen eine Meisterleistung.

      Beim Eintreten schlägt mir ein muffiger Geruch entgegen, der mich an Schweißsocken und fettige Haare erinnert. Ich halte mir die Hand vor Nase und Mund und als Elvis das merkt, hebt er entschuldigend die Schultern und öffnet ein Fenster. Ich wiederum nutze die Gelegenheit, mir einen schnellen Überblick zu verschaffen.

      Sein Büro ist aufgeräumt und die Möbel alle in Weiß gehalten. Farbloser Tisch und Stühle und Schränke, die vom Boden bis zur Zimmerdecke reichen. In der hintersten Ecke entdecke ich seinen Schlafplatz, eine Matratze mit ordentlich drapierten Kissen und einer Decke so dünn wie Papier.

      „Setz dich bitte“, fordert er mich auf und zeigt auf einen der Stühle. „Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?“

      Für mich ist nichts in Ordnung.

      „Es wäre ein Anfang“, antworte ich und ziehe die Sitzgelegenheit in Richtung Tür, um einen schnellen Abgang hinzulegen, sollte Elvis sich in ein Arschloch verwandeln. Er nimmt meinen Argwohn zur Kenntnis, sagt aber nichts dazu.

      „Möchtest du was trinken?“

      Die Frage gefällt mir schon eher und ich hoffe, er hat etwas mit ein paar Umdrehungen anzubieten.

      „Unbedingt.“

      Mit einem zufriedenen Nicken greift er ins Regal und reicht mir ein Glas, aber als er eine Wasserflasche öffnet, schüttle ich enttäuscht den Kopf.

      „Ich bin nicht von den Toten auferstanden, um Wasser zu trinken.“

      Es braucht seine Zeit, bis Elvis meine Antwort als Scherz versteht und an seinem Gesicht erkenne ich, dass es ihm schwerfällt, sich zwischen Lachen und einer Predigt zu entscheiden. Er wählt ein mildes Lächeln.

      „Als dein Arzt muss ich dir dringend von Alkohol abraten.“ Er wird viel zu schnell wieder ernst und öffnet eine andere Schranktür. „Aber als ein Überlebender empfehle ich Scotch.“

      Ich werfe einen kurzen Blick in den Schrank und bin sprachlos. Elvis ist offensichtlich ein Sammler, ein Liebhaber edler Tropfen. Tja, Julie, das nenne ich mal einen Glückstreffer.

      „Du bist ein echt merkwürdiger Arzt“, antworte ich und nehme das Glas Scotch, obwohl ich das Zeug nicht ausstehen kann. Aber ein Geschenk lehnt man nicht ab, erst recht nicht in solchen Zeiten.

      „Tja, und du bist eine verdammt merkwürdige Patientin“, schließt Elvis unser Gespräch.

      Seltsamerweise finde ich ihn sympathisch.

      Ich lasse mich aber nicht von Alkohol oder witzigen Ärzten bezirzen und halte lieber an dem fest, was wirklich wichtig ist. Und das ist und bleibt mein Bruder. Nachdem ich den Scotch in einem Zug gekippt habe, behalte ich das Glas in der Hand, um es als Waffe benutzen zu können, sollte das Gespräch eine dunkle Wendung nehmen. Es hat einen schweren Boden und ist perfekt geeignet, um Elvis zur Not ein paar Beulen zu verpassen.

      „Also“, fange ich an und unterdrücke ein Husten. Auch Elvis leert sein Glas und stellt es mit einem dumpfen Geräusch auf dem Schreibtisch ab. „Wo ist mein Bruder? Wenn ich hier bin, muss er in der Nähe sein und bevor ich auch nur eine Frage beantworte, will ich ihn sehen.“

      Elvis’ Augen glänzen hinter seiner Brille. Er sieht wie ein Lehrer aus, der sich auf eine Klausur freut.

      „Das verstehe ich sehr gut, Julie, und ich würde dich gerne zu deinem Bruder bringen. Es gibt allerdings Umstände, die das nicht zulassen. Du musst mir glauben, wenn ich dir versichere, dass er in guten Händen ist.“

      Ich lache, obwohl ich sehr, sehr angepisst bin. Das ist nicht die Antwort, die ich hören wollte. Überhaupt nicht. Wenn er glaubt, dass derart gekünsteltes Gerede mich zufriedenstellt, wird er bald eine andere Seite von mir kennenlernen.

      „Ich glaube dir gar nichts, Elvis, und letztendlich ist es egal, ob du mich zu ihm bringst oder nicht. Er wird mich finden. Oder ich ihn. So war das bis jetzt immer. Und dann wird es richtig hässlich. Das kann ich dir versichern.“

      Meine Worte verfehlen nicht ihre Wirkung. Elvis lehnt sich in seinem Stuhl zurück und denkt nach, bevor er mir antwortet.

      „Es tut mir leid“, sagt er. „Ich fürchte, ich habe mich nicht deutlich ausgedrückt. Was ich sagen will, ist, dass dein Bruder eine spezielle Überwachung benötigt.“

       Mit anderen Worten was?! Er ist gefährlich? Er ist krank? Was will er mir damit sagen?

      „Geht es auch genauer?“, frage ich. Mein Magen krampft sich zusammen. Wenn er nicht bald mit der Wahrheit rausrückt, werde ich die Fassung verlieren.

      Und dann trifft mich die Erkenntnis.

      Er weiß es. Nein, er hat es gesehen.

      Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen? Elvis hat mich untersucht. Er hat den Biss an meinem Arm entdeckt, das Einschussloch, das ich eigentlich unmöglich überleben konnte. Himmel, er hat Jules gecheckt und nun sind wir die Starpatienten, die man nicht einfach so herumspazieren lässt. In ihren Augen benötigen wir tatsächlich eine spezielle Behandlung, aber wie die aussieht, will ich gar nicht erst herausfinden.

      „Das wird mal wieder anstrengend“, denke ich voller Angst und mit einem Kribbeln im Nacken. Mein Mund wird trocken, wenn ich mir vorstelle, was sie mit Jules angestellt haben könnten.

      „Nimm deinen Bruder und geh mit ihm nach Hause“, höre ich Bobby in meinen Gedanken.

      In Ordnung, flüstere ich stumm. Ich werde ihn finden. Ich werde sie alle finden und dann hauen wir ab.

      „Okay“, sage ich laut. „Reden wir.“

      Ich fühle mich besiegt, geradezu machtlos. Im Vergleich hierzu ist ein Kampf gegen einen Zombie ein Kinderspiel. Da hatte ich bisher alles unter Kontrolle und der Vorteil ist ganz eindeutig, dass ein Untoter sich keine Gedanken macht. Er frisst, und

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