Bloody Julie 2.0. Susanne Sievert
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„Runter von mir!“, brülle ich und wälze mich von links nach rechts, rutsche über den Boden und bäume mich auf. Es nützt alles nichts, ich verbrauche nur kostbare Kraft, von der ohnehin nicht mehr viel übrig ist.
Der Stinker sitzt auf meinem Bauch und die Laute, die aus seinem ätzenden Mund kommen, klingen wie das Gackern von Hühnern. Das schaurige Lachen eines Untoten. Und dann wird es mir klar: Er lacht mich aus. Das Arschloch lacht mich aus!
Ich überlege nicht lange, stemme meinen Oberkörper hoch und breite die Arme aus, als wolle ich den Zombie umarmen. Kurz bevor er seine Zähne in mein Gesicht rammt, schlage ich mit beiden Händen fest auf seine Ohren. Elvis hat gute Vorarbeit geleistet. Der Kugelschreiber steckte halb in seinem Ohr und mit meinem Schlag begrüßt der Stift das Gehirn. Es reicht nicht aus, um den Arsch auszuschalten, aber seine Bewegungen erschlaffen und werden langsamer. Sabbernd und mit großen roten Augen begegnet er meinem Blick. Es sind nur wenige Sekunden und doch erkenne ich die Botschaft, die er mir mitteilt. Ich halte daran fest, dass es eine ist, denn diese Dinger waren einst Menschen, nicht wahr? Bei all den Kämpfen und Verlusten gerät dieser Punkt schnell in Vergessenheit.
In seinem Blick liegt Schuld. Trauer. Und sogar Bedauern.
Ich habe das Gefühl, etwas sagen zu müssen – etwas Bedeutendes. Aber wie zuvor fällt mir nichts ein.
Mit dem Brieföffner ziele ich auf seine Schläfe, die weichste Stelle am Kopf, und steche zu, einmal, zweimal, dreimal, bis ich unter dem untoten Körper begraben werde.
„Julie, alles okay?“
Elvis Starre dauert zum Glück nicht lange an. Er rollt den Zombie von mir herunter. Dankbar greife ich nach seiner Hand und lasse mich hochziehen. Seite an Seite betrachten wir sein Büro, das Schlachtfeld und die zerbrochene Flasche auf dem Boden.
Elvis’ weißer Arztkittel ist mit schwarzem Blut gesprenkelt. Er sieht aus wie aus einem Splatterfilm. Ich sehe auch nicht besser aus und könnte die Rolle der irren Patientin übernehmen. Von Anfang an hatte ich befürchtet, dass meine neuen Klamotten nicht lange sauber bleiben …
„Und jetzt?“, fragt Elvis.
„Jetzt“, sage ich, strecke meinen Arm aus und halte den Brieföffner an seinen Hals. Die Spitze des Metalls bohrt sich in seine Haut und sein Adamsapfel hüpft auf und ab. „Jetzt bringst du mich gefälligst zu meinem Bruder.“
Fahrstuhlklänge
In Zeitlupe hebt er seine Arme und stammelt: „Ganz ruhig, Julie. Wir reden darüber, okay? Das willst du doch nicht wirklich.“
„Du hast gesehen, was ich kann. Gib mir einen guten Grund, es zu lassen“, antworte ich und drücke den Brieföffner etwas fester gegen seine Haut.
Ich will den Arzt nicht verletzen, aber der Moment ist günstig und er ist eingeschüchtert. „Ich lasse mich nicht länger hinhalten, kapiert? Und ich sage es nur noch ein einziges Mal: Bring. Mich. Zu. Jules.“
„Ist gut“, antwortet er mit einem Seufzer und lässt seinen Blick über das Trümmerfeld schweifen. „Doch bevor wir gehen, lass mich wenigstens deinen Verband wechseln.“
Sein Vorschlag gefällt mir überhaupt nicht, denn das gäbe ihm die Gelegenheit, einen allzu genauen Blick auf sein Versuchsobjekt zu werfen. Mich.
Andererseits hat er recht. Niemand weiß, was passiert, wenn mein Blut sich mit dem der Untoten vermischt. Da Jules mich bereits gebissen hat, wird es mich vermutlich nicht verändern, denn das, was in ihren Körpern steckt, steckt längst auch in meinem. Aber was bedeutet das für mich? Bin ich tot? Bin ich lebendig? Womöglich beides?
Je mehr Fragen ich mir stelle, desto unschlüssiger werde ich. Daher entscheide ich mich für Elvis’ Vorschlag und senke meinen Arm. Mit ein wenig Glück werden der Doktor und ich uns gegenseitig helfen. Denn wie es aussieht, suchen wir dieselben Antworten.
„Was soll’s“, sage ich und ziehe das Shirt über meinen Kopf.
Da wird mir plötzlich klar, was ich da gerade getan habe, und zwar freiwillig: Ich habe mich vor einem Fremden ausgezogen. Das ist völlig untypisch für mich und überraschenderweise – schockierenderweise! – ist es in Ordnung. Die Hemmschwelle ist weg.
Er sieht meine Narben. Die Geschichte auf meiner Haut. Den Schrecken aus der Vergangenheit. Ich lasse es zu. Als ich im Badezimmer stand, nach meinem Erwachen aus dem Koma, ging es mir ähnlich. Ich war in der Lage, mich zu betrachten, mich sogar zu berühren.
Was hat das zu bedeuten?
„Keine Sorge, Julie. Ich lege dir einen neuen Verband an und dann gehen wir. Versprochen“, sagt Elvis, weil er mein Verhalten falsch deutet und nicht weiß, was tatsächlich in mir vorgeht.
Ich setze zu einer Erklärung an, aber das würde ja doch nichts bringen.
Ist es möglich, dass ich tot bin? Irgendetwas ist in mir gestorben, so muss es sein. Diese ganzen Veränderungen … Mir wird kalt, aber nicht wegen der kühlen Berührungen auf meiner Haut, als Elvis am Rücken anfängt, den Verband aufzuschneiden.
„Tut mir leid, ich habe nur diese eine Schere. Gleich fertig“, erklärt Elvis und mit einem „Ja, ja“, lasse ich ihn weitermachen.
Mich plagen andere Sorgen. Was, wenn ich innerlich sterbe? Nicht meine Organe, nein, furchtbarer. Was, wenn ich nach und nach nichts mehr spüre – empfinde? Wenn meine Gefühle zerfallen und ich das Monster werde, für das ich mich immer gehalten habe?
Das ist doch Unsinn, schimpfe ich in Gedanken. Es gibt zumindest eine Person, die dir immer wichtig sein wird.
Aber was, wenn ich recht behalte?
Der Verband fällt zu Boden und ich löse mich von meinen finsteren Gedanken.
„Möchtest du ein Schmerzmittel?“, fragt Elvis. Ich schüttle den Kopf, denn für den Notfall habe ich Aspirin in der Tasche.
Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich das Thema: „Die Patientenzimmer sollten häufiger kontrolliert werden, meinst du nicht?“
Ich schaue über meine Schulter und beobachte Elvis, der vor einer Kiste hockt und eine Kompresse und Verbandsmaterial hervorkramt.
„Tja. Mit Bewerbungen werden wir nicht gerade beworfen“, antwortet er. „Drehst du dich bitte zu mir? Ich würde mir die Wunde gern ansehen.“
„Was geschieht mit den Toten?“, frage ich weiter, um den Moment der Untersuchung ein wenig hinauszuzögern.
„Normalerweise verbrennen wir sie im Hinterhof. Andere bringen wir in den Keller, für Untersuchungen. Dort gibt es gesicherte Räume für besondere Fälle.“
„Von was für ‚besonderen Fällen‘ redest du?“
Ungeduldig tippelt Elvis mit dem Fuß und ich spüre ein Kribbeln im Nacken. „Entschuldige, das kannst du natürlich nicht wissen. Ich führe diverse Tests durch und dafür benötige ich kürzlich verstorbene Menschen.“
„Du führst Untersuchungen an Toten und Untoten durch?“