Bloody Julie 2.0. Susanne Sievert

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Bloody Julie 2.0 - Susanne Sievert

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Da gibt es einen gewaltigen Unterschied. Das hat er doch am eigenen Leib erfahren.

      Mit einem Räuspern tippt er auf meine Schulter und ich drehe mich um. Dabei bedecke ich mit meinen Händen die Brüste.

      Die Wunde wurde genäht und an einigen Stellen sogar getackert. Ein bösartiges, rotes Geschwulst, das auf der Höhe meines Schlüsselbeins beginnt und sich zwischen meine Brüste zieht. Ich spüre keine Schmerzen, nur ein dumpfes Pochen.

      „Unfassbar … Wie konntest du das nur überleben?“, murmelt Elvis. In einer Hand hält er eine Tube mit Wundsalbe. Er scheint unschlüssig, wohin er sie schmieren soll. „Normalerweise gebe ich nichts auf Glück, Wunder und Ammenmärchen. Aber das hier … Das ist einmalig.“

      „Gibt es diesen Trupp wirklich oder ist dir das spontan eingefallen?“

      Mein Themenwechsel bringt ihn durcheinander, obwohl er nur Augen für, na ja, meine Brust hat. Die Rolle des Wunders steht mir nicht, finde ich, sie passt überhaupt nicht zu mir und meinem Leben.

      Elvis schüttelt lachend den Kopf.

      „Ich wünschte, es wäre so. Der Trupp ist die Pest. Wenn sie nicht unterwegs sind, halten sie sich im Keller auf und stapeln die Vorräte. Die meiste Zeit gehen sie mir ziemlich auf die Nerven und halten mich von meiner Forschung ab.“

      Mit einem Fingerzeig bedeute ich Elvis, den neuen Verband anzulegen. Mit beiden Händen halte ich die Kompresse vor die Wunde und der Arzt rollt den Stoff drum herum.

      „Im Keller?“, frage ich und ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Sagte Elvis nicht, dass Jules überwacht wird? Wo hält man jemanden am besten gefangen, der eine spezielle Behandlung benötigt? Ich wette, der Trupp stapelt nicht nur Vorräte. Ich wette …

      „Er ist dort unten“, flüstere ich und mein Herz schlägt schneller. Warum habe ich es nicht gleich begriffen?

      „Ja, er ist im Keller“, bestätigt Elvis, als läge es auf der Hand, und befestigt den Verband. Fertig. „Sei unbesorgt, Julie. Ich werde dir alles erklären und dann wirst du es verstehen. Der Keller ist der sicherste Ort für ihn und auch für uns.“

      Das reicht! Hektisch ziehe ich mir mein Shirt über den Kopf, steige über die Leichen und stolpere zur Tür und auf den Flur, bloß raus aus dem stinkenden Büro. Hier drin habe ich genug Zeit vertrödelt.

      „Los“, fordere ich Elvis auf und winke mit dem Brieföffner in meiner Hand. „Los. Los! LOS! Worauf wartest du, verdammt?“

      Mit großen Schritten steigt Elvis über die Leichen, der Schlüssel klirrt dabei leise an seinem Hosenbund und jede seiner Bewegungen scheint in Zeitlupe abzulaufen. Ungeduldig schaue ich von links nach rechts und bin derart aufgeregt, dass mir flau im Magen wird. Ich habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen, schlucke die bittere Galle hinunter und folge stattdessen Elvis über den Flur.

      Ich steuere auf die Treppe zu, aber der Arzt zeigt in eine andere Richtung.

      „Wir nehmen den Fahrstuhl“, erklärt er. „Die Treppe endet im Erdgeschoss, nur der Lift fährt in den Keller.“

      Was auch sonst.

      Ich nicke halbherzig, denn die Vorstellung, im Fahrstuhl stecken zu bleiben, gefällt mir gar nicht.

      In der hintersten und dunkelsten Ecke des Flurs kommen wir zum Stehen und trotz des spärlichen Lichts findet Elvis auf Anhieb den richtigen Knopf. Kurze Zeit später öffnet sich die Fahrstuhltür mit einem vertrauten „Pling“.

      Das Licht ist grell und ein großer Spiegel zeigt zwei Schreckensgestalten, angespannt, blutverschmiert und blass. Unser Spiegelbild erinnert mich an Serienkiller, die sich eine kleine Pause gönnen. Ich drehe mich weg. Elvis stört sich nicht weiter daran, zieht seinen Schlüsselbund hervor und statt auf eine Taste zu drücken, schiebt er ein Metallplättchen zur Seite. Tadaa – darunter erscheint ein Schloss.

      Umgeben von den Metallwänden fühle mich eingeengt und ausgeliefert. Das ist verrückt. Ich vertraue einem Fremden. Einem Unbekannten, dessen Pläne ich nicht kenne. Und wo gehen wir hin? In einen abgesperrten Keller. Das ist absolut großartig!

      Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung und das Ruckeln und Schleifen lässt meinen Magen hüpfen und kreisen. Das Licht flackert und neben Knarren und Schaben höre ich ein seltsames Klimpern.

      „Was ist das?“, frage ich.

      „Fahrstuhlmusik“, antwortet Elvis und summt die Melodie mit. Er wirkt entspannt. Offenbar hat er den Kampf besser überstanden als erwartet. Vielleicht ist er doch keine Zimperliese.

      Pass besser auf, ermahne ich mich und nicke.

      Hinter meiner Schädeldecke dröhnt es. Ein fieser Kopfschmerz breitet sich aus. Mein Herz pocht – hämmert – in meinen Ohren und zieht sich jäh fest zusammen. O nein, bitte keine Panikattacke. Nicht jetzt, verdammt, nicht so kurz vor dem Ziel! Meine Gedanken sind klar, aber mein Körper ist ein Arschloch und gibt den Geist auf. Ich lasse mich zu Boden sinken, der Brieföffner rutscht klirrend aus meiner Hand und während alles vor meinen Augen verschwimmt, beugt Elvis sich zu mir herunter. Aus der Ferne höre ich meinen Namen.

      „Julie.“

      Dann ein fernes „Pling“, das Licht flackert und die Fahrstuhltür öffnet sich. Dahinter ist es dunkel. Wie ein schwarzes Loch, das uns zu verschlingen droht.

      „Julie.“ Diesmal ist es nicht Elvis’ Stimme, es ist Jules. Mein Jules! „Pass auf, Schwesterherz. Sie sind hier. Sie sind alle hier.“

      In der Dunkelheit erkenne ich Schatten, die sich auf uns zu bewegen. Tränen laufen aus meinen Augen, mein Gesicht brennt und es fühlt sich an, als würde ich Glasscherben weinen.

      Tränen aus Glas, Tränen aus Glas, singe ich in Gedanken und es klingt wie die furchtbare Fahrstuhlmusik.

      „Reiß dich zusammen, Püppi!“ Ah, wie beruhigend. Bob, du bist da. „Beweg deinen Arsch! Na los, oder willst du nicht nach Hause?“

       Nein, nicht nach Hause.

      Ich fühle, wie Bobby den Kopf schüttelt, aber dann begreife ich es.

      Zuhause ist da, wo Jules ist.

      Schritte. Fremde Stimmen. Aus der Dunkelheit tauchen drei Gesichter auf und ich schreie.

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