Leben - Erben - Sterben. Charlie Meyer

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Leben - Erben - Sterben - Charlie Meyer

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erwähnten vorhin Bruno“, begann Zoe das Gespräch von Neuem, während die Männer den Schnaps noch unter sich kreisen ließen. „Kannten Sie ihn?“

      „Nein!“ Ich versuchte so glaubwürdig wie möglich zu klingen und fragte mich, ob Zoe die Beschreibung von der etwas übergewichtigen Mordverdächtigen, die per Fahrrad flüchtete, gelesen hatte und gerade ihre Vergleiche anstellte. „Aber der Name stand ein paar Tage lang jeden Morgen in der Zeitung, genauso wie der von Frederike Kamm alias Fiona McCullen. Aber bei Bruno konnte ich mir nur den Vornamen merken. Vom Nachnamen ist mir so, als ob er mit C anfing, aber mehr bekomme ich nicht zusammen.“

      „Cassebohm“, sagte Zoe, musterte mich aber immer noch aufmerksamer, als mir lieb war. „Hatten Sie nicht gerade erwähnt, Sie läsen keine Zeitung? Na ja, wie auch immer - wie heißen Sie eigentlich?“

      „Pusch! ... Amaryllis Pusch.“ Ich nuschelte das Pusch zu einem Psch zusammen und beglückwünschte mich zu meiner Geistesgegenwart, nicht Delia gesagt zu haben.

      „Amaryllis, was für ein wunderschöner Name. Ein Name, so außergewöhnlich, dass ich ihn bestimmt nicht wieder vergesse. Woher kommt er?“

      Scheiße, dachte ich spontan. Bloß das nicht. Vergiss ihn ganz schnell wieder.

      „Als ich geboren wurde, waren meine Eltern gerade in ihrer Flower-Power-Phase, hörten Peter, Paul and Mary und guckten Woodstock im Fernsehen. Damals wollten sie aus ihrem Bauernhof eine Landkommune machen, aber die anderen Bauern waren dagegen, und so mussten sie sich damit begnügen, ihren Kühen Blumenkränze umzuhängen und ihr Kind Amaryllis zu nennen.“ Eigentlich war ich auf den Namen Amaryllis Magnolia Pusch getauft worden, hatte mich aber schon mit fünf Jahren in Delia umbenannt. Die Lieblingskuh unseres Nachbarn hieß so, aber mir half der Name wenig. Ich buhlte nach wie vor vergeblich um die Gunst meiner Eltern. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Als ich auszog, hatte sie das Dorf bereits zu biederen, abgekämpften Bauern umerzogen, die mit den Sorgen um die Gerstenernte zu Bett gingen und mit den Sorgen um die Heuernte wieder aufwachten. Als ich ihnen Eiko ankündigte, schien mir einen Moment, als erwögen sie, mich unter der Dorflinde vor dem Feuerwehrhaus steinigen zu lassen, doch dann begnügten sie sich damit, uns die Tür zu weisen.

      „Tragisch, sein Lebensziel den äußeren Zwängen opfern zu müssen.“ Zoe betrachtete melancholisch ihre knochigen Finger. Auch sie trug jede Menge Ringe, und ich fragte mich, ob das Bedürfnis, sich mit Gold und Silber zu behängen, wohl in den McCullen’schen Genen verankert war. „Aber wenigstens waren die Kühe glücklich. Und Sie sind mit Papa und Mama aufgewachsen und nicht mit einem Trinker oder im Waisenhaus. Womit wir wohl wieder bei Ihrer Frage nach dem Warum das alles? wären, nicht wahr?“

      Ich nickte. Wenn der zwinkernde Edgar und sein Halbbruder nicht bald die Flasche zur Seite stellten, würden sie Arm in Arm aus dem Laden torkeln.

      „Die Sache ist die: Fiona und Bruno sind tot, und wir hier, weil wir erben wollen. Sie wissen schon,“ an dieser Stelle holte sie tief Luft und summte die Melodie zu dem Marilyn Monroe-Song Money makes the world go round, the world go round ...

      „Zoe, bitte, hör mit dieser Summerei auf. Du bist nicht deine Mutter, du hast zwar ihre Stimme, aber der liebe Gott hat vergessen, dir eine Tonleiter mit in die Wiege zu legen.“ Edgar klang gequält. In seiner Gegenwart hatte sie vielleicht schon das eine oder andere Mal gesummt.

      „Du bist ein humorloser Holzklotz, Edgar Kamm. Aber bitte, wie du willst. Der langen Rede kurzer Sinn. Es gibt nichts mehr zu erben. Was immer es gewesen ist, und die Gerüchte reichen von einem mit Centstücken vollgestopften Sparstrumpf bis hin zu Obligationen im Wert von mehreren Millionen, jetzt es ist weg. Entweder hat es nie existiert, oder aber die Mörder haben gründlich aufgeräumt. Kein Bargeld, kein Sparbuch, nicht einmal ein einziger goldener Kerzenständer. Wir sind um die halbe Welt gejettet, jedenfalls der eine oder andere von uns, und stehen nun vor dem Nichts. Also haben wir unsere tote Mutter verkauft.“ Sie beugte sich plötzlich vor, riss Edgar die Schnapsflasche aus der Hand und trank in zwei, drei großen Schlucken den Rest aus. „Ich bin nicht stolz darauf, ganz bestimmt nicht, aber andererseits kann sie wenigstens nach ihrem Tod was für uns tun.“

      „Ich verstehe nicht.“

      „Ganz einfach, Schätzchen. Wir verkaufen die Fotos von Fionas und Brunos Leiche an alle, die sie haben wollen. Die Regenbogenpresse und die großen Boulevardzeitungen werden sich wohl kaum lumpen lassen. Dazu liefern wir ihnen exklusiv unsere eigenen Geschichten. Verlassene Kinder, trunksüchtige Väter, das Waisenhaus. Rabenmutter Fiona McCullen. Eine Story in Fortsetzungen. Man wird sie uns aus den Händen reißen, glauben Sie mir. Unter hunderttausend Euro weigere ich mich ganz einfach, wieder in der Versenkung zu verschwinden. Und Edgar auch, nicht wahr, Edgar?“

      Edgar nickte, zwinkerte jedoch stärker und sah peinlich berührt aus. „Sie müssen das verstehen, es ist nicht so, dass uns keine Skrupel plagen ...“

      „Red keinen Stuss, Edgar, Skrupel würden mich plagen, wenn es sich um meine Mutter handelte. Ich meine im Sinne von - ach, ihr wisst schon. Wegen einer Fiona McCullen plagt mich nicht einmal der Anflug eines schlechten Gewissens. Zugegeben, dass ich mich auf ein derart tiefes Niveau begeben muss, ärgert mich natürlich, aber Skrupel wären absolut fehl am Platz. Du bist doch genauso pleite wie ich, oder etwa nicht? Wo ist denn das große Erbe? Wo klimpern die Millionen, hä? Nix is‘, außer dass uns die Kripo stundenlang verhört hat. Geradeso, als wäre einer von uns der Mörder. Dann, im nächsten Moment heißt es: Tut uns Leid, es war wohl doch der Einbrecher. Aber danke für Ihr Kommen und Auf Wiedersehen. Wir wünschen Ihnen eine gute Heimreise. Pah! Aber nun gut, wir sind hier, wir bleiben und machen das Beste aus dieser Tragikomödie. Wir verkaufen zwei Leichen, was soll’s? Selbst von läppischen hunderttausend Euro lässt sich eine Weile recht nett leben. Keine angemessene Bezahlung für das, was Fiona uns angetan hat, aber hunderttausend pro Nase sind besser als eine lange Nase von ihr.“

      Edgar hatte angefangen, nervös mit seinem Fuß zu wippen und knabberte an der Unterlippe, während er jeglichen Blickkontakt mied. Eine Weile schwiegen wir alle und hingen unseren Gedanken nach. Ich konnte mich nicht zwischen Verständnis und moralischer Entrüstung entscheiden und war in dem Sumpf dazwischen steckengeblieben.

      „Vielleicht sollten wir zum Geschäftlichen kommen“, zog mich Zoe wieder auf festen Boden.

      Edgar hörte auf zu wippen und sah erleichtert aus. In den schwarzen Pupillen des Indianers spiegelte sich die Schnapsflasche wider. „Was wir wollen ist Folgendes. Wir wollen eine Leiche, in der man den Hollywoodstar Fiona McCullen wiedererkennt. Bruno ist unwichtig. Er sollte vielleicht etwas aufgebessert werden, aber letztendlich kommt es nur auf sie an. Sie soll wie eine Diva aussehen. Glauben Sie, Ihr Boss bekommt das hin?“

      Ich lächelte unwillkürlich. „Er ist ein Künstler, soviel kann ich Ihnen versprechen. Möchten Sie vielleicht ein paar Vorher-Nachher-Fotos sehen?“

      „Bloß nicht!“, stieß Edgar hervor und begann erneut mit seinem Fuß zu wippen.

      „Her damit!“, forderte Zoe resolut, und ich ging die Ledermappe aus dem Hinterzimmer holen.

      In den Augen des Indianers spiegelte sich keine Flasche mehr, als ich wiederkam. Er hielt sie geschlossen und schien mit verschränkten Armen ein Nickerchen zu machen. Edgar beobachtete demonstrativ einen Weberknecht, der halb tot in einer Zimmerecke hockte. Kurzzeitig fühlte ich mich an eine Schmierenkomödie erinnert. War die Welt wirklich so theatralisch, wie sie mir momentan vorkam, oder stimmte etwas mit meiner Wahrnehmung nicht?

      Zoe blätterte die Fotokartons um. „Meine Fresse!“, murmelte sie andächtig. „Der könnte aus mir glatt einen Edgar schminken. Vielleicht sogar den Häuptling.

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