Leben - Erben - Sterben. Charlie Meyer

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Leben - Erben - Sterben - Charlie Meyer

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Tag, kann ich irgendetwas für Sie tun?“, fragte ich höflich und einen Moment lang narrte mich das Gefühl, ich sei in diesem Laden schon zur Welt gekommen. Die drei musterten mich in meiner roten Caprihose und dem grasgrünen, ärmellosen Shirt, dann die Papierstapel auf Boden und Schreibtisch, und wahrscheinlich narrte sie das Gefühl, im falschen Laden gelandet zu sein.

      „Sind Sie der oder die Thanatodingsbums?“, fragte der ältere Mann ungläubig.

      „Nein, ich ...“ Binde nur Penisse ab, wollte ich gerade antworten, als ich gegen diese Mauer von Schwarz blickte und mir der Ernst der Lage wieder einfiel. Außerdem hatte mich Kuhn gebeten, ihm keine Aufträge zu vermasseln. „Ich bin nur die Assistentin. Für Computer und Telefon zuständig. Herr Kuhn ist der, den Sie suchen. Er ist im Moment leider außer Haus, aber wenn Sie mir Ihr Anliegen kurz umreißen und vielleicht die Telefonnummer dalassen, wird er sich so schnell wie möglich mit Ihnen in Verbindung setzen.“ Ich klopfte mir auf die Schulter. Jedenfalls in Gedanken. Es war doch prima gelaufen.

      „Gut, ich bin nur etwas verwirrt und hatte eine dem Anlass angemessene Umgebung erwartet.“ Sein Blick verriet, dass er mit der fehlenden angemessenen Umgebung übersetzt mich und mein Outfit meinte.

      „Sehen Sie, die Kunst dieses Handwerks besteht doch darin, der Gestalt des Todes ein Schnippchen zu schlagen und den geliebten Verstorbenen optisch ins Leben zurückzurufen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht gerade von einem Grund zur Freude sprechen, ich denke, positiver Kreativismus trifft es eher. Eine Unternehmensphilosophie, der sich stimulativ natürlich auch das Ambiente anzupassen hat.“ Improvisieren beherrschte ich etwas besser als Lügen, doch während mich drei Augenpaare verblüfft anstarrten, überlegte ich, ob es das Wort Kreativismus im offiziellen Wortschatz überhaupt gab, und wenn ja, was zum Teufel es dann bedeutete.

      „Ich denke aber doch ein wenig Pietät ...“, erwiderte er mit gerunzelter Stirn und blinzelte nervös hinter seinen Brillengläsern.

      „Ach Gott, lassen wir doch diesen müßigen Smalltalk. Komm zur Sache, Edgar, oder halt den Mund“, platzte die Frau plötzlich heraus, und mein Magen verkrampfte sich. Diese samtene Stimme hatte ich doch vor Kurzem erst gehört. „Am besten, du lässt mich das machen. Du bist zu dämlich, und unser kleiner Winnetou hier versteht doch nur Bahnhof.“ Sie holte tief Luft, doch der Herr namens Edgar war schneller, kam aber nicht allzu weit mit seinen Erklärungen.

      „Wir wollen eine Aufbahrung. Das heißt, eigentlich brauchen wir zwei Aufbahrungen, denn ..:“.

      „Lass sein, Edgar. So wird das nichts. Also, meine Mutter und ihr Ehemann sind vor Kurzem von uns gegangen.“ Edgar und sie blickten pietätvoll auf ihre Schuhspitzen, der kleine Winnetou vergewisserte sich, dass ihn niemand weiter beobachtete, und grinste mich breit an. Ihm war kein Schneidezahn abgebrochen, und sein Gebiss konnte jeden Bären in die Flucht schlagen. Meine Phantasie stellte ihn sich kniend in einem Kanu oder im Lendenschurz mit Pfeil und Bogen vor, wie er über die weiten Ebenen der Prärie in den Sonnenuntergang ritt. Im Anzug mit schwarzer Krawatte wirkte er verkleidet.

      „Mein Beileid“, murmelte ich und versuchte, an den Zähnen vorbeizublicken. Woher kannte ich bloß diese samtene Stimme? „Ein Unfall? Ich meine, weil beide auf einmal ...“ Abgetreten? Abgenippelt? In eine bessere Welt gegangen sind? Himmelherrgott, was sagte man bloß. „... verstorben sind?“, stieß ich mit einer Erleichterung hervor, die bei meiner Kundschaft erneut Irritation auslöste. Man tauschte beredte Blicke aus. Nur die tiefschwarzen Augen des Indianers wandten sich nicht von mir ab. Mir schien, sie flirteten mit mir, doch durch mein Leben geisterten schon genug problematische Männer, einen grinsenden Indianer, der gerade seine Eltern verloren hatte, konnte ich keinesfalls brauchen.

      „Nein“, entgegnete die Frau finster. „Sie sind erschossen worden. Alle beide, und zwar aus nächster Nähe. Wollen Sie mir etwa weismachen, Sie hätten von dem Doppelmord an unserer Mutter und ihrem Mann nichts mitgekriegt? Es ist eine Schande. Man sollte meinen, die ganze Welt nimmt Anteil an der brutalen Ermordung von Fiona McCullen, doch wo sind sie denn, die Reporterscharen, die Hamelns Gassen verstopfen? Wo sind die Kameraleute, die mir und meinen Geschwistern die Bude einrennen?“

      Ich war froh, bereits zu sitzen, sonst hätte ich mir auf dem harten Boden mit Sicherheit das Steißbein gebrochen. Es war, als hätte mir jemand von hinten in die Kniekehlen getreten. Mein Mund wurde trocken, die Stimme blieb mir weg. F.C.! Deshalb war mir die Stimme der Frau so unangenehm vertraut vorgekommen. Vor mir standen die Hinterbliebenen von F.C. und Bruno. Einen Moment lang geriet ich in Panik. Falls ich so schuldig aussah, wie ich mich fühlte, würde gleich die Tür aufspringen und eine Hundertschaft Polizisten das Büro stürmen. Da sitzt sie, die Frau vom Steckbrief. Greift sie euch!

      Und nicht nur das. Ich verbarg etwas, was dem Erben gehörte. Doch wer von den Dreien war denn der Erbe? Eine Klausel meines Vertrages mit F.C. lautete: abwarten, bis sich der rechtmäßige Erbe mit der rechtmäßigen Legitimation bei mir meldete. Und schon rückte ich den Hund heraus. Außerdem besaß Churchill kaum mehr als einen nostalgischen Wert, sodass von Unterschlagung oder einer ähnlichen Straftat wohl kaum die Rede sein konnte. Trotzdem fühlte ich mich wie ein Kaufhausdieb, der mit seinen vollen Taschen gerade flüchten will und zwischen sich und dem Ausgang einem Detektiv ins finstere Antlitz blickt.

      „Natürlich habe ich von den schrecklichen Morden in der Zeitung gelesen“, krächzte ich mühsam. „Aber aus welchem Grund sollte ich gerade Sie mit dem Drama in Verbindung bringen? Ich sehe selten fern, ich lese keine Zeitung, und begegnet sind wir uns meines Wissens nach auch noch nicht. Außerdem sterben bei uns hier in der Provinz auch Leute, die nicht erschossen werden. Die Medien waren übrigens da, sie sind nur schon wieder weg.“

      Edgar und die Frau mit den metallicblauen Haaren blickten sich an, als berieten sie in einer stummen Konferenz über Sinn oder Unsinn des Gehörten. Der Indianer nutzte ihre wortlose, vertrauliche Zwiesprache für ein erneutes breites Grinsen, das er allein mir widmete. Es war, als explodiere eine Leuchtrakete am nachtschwarzen Himmel, und ich fuhr unwillkürlich zurück. Doch unmittelbar darauf verwandelte er sich wieder in einen offiziell trauernden Indianer. Züchtig gesenkter Blick, geschlossene Lippen. Während das Grinsen noch auf meiner Netzhaut brannte, widmeten mir Edgar und die Frau wieder ihre volle Aufmerksamkeit. Im Laufe unserer Unterhaltung hatte ich mehrfach mit dem Gedanken gespielt, ihnen mit weltmännischer Geste einen Platz anzubieten, doch wir hatten nur zwei Besucherstühle, und ich wollte mit den Dreien nicht unbedingt Reise nach Jerusalem spielen.

      Edgar meldete sich nach einer Reihe bronchienbefreiender Räusperer blinzelnd zu Wort. „Ich“, er tippte sich auf die Brust, „bin Apollonius McCullen, Fionas Erstgeborener, und das hier ist meine Schwester Zoe. Der Kerl auf meiner anderen Seite dürfte der letzte Bastard sein, den sie zur Welt gebracht hat. Zumindest konnte die Polizei keine weiteren ausfindig machen. Angeblich ist er ein halber Cheerokee-Indianer. Dancing Wolf oder Crying Coyote, was weiß ich? Er ist der jüngste McCullen und wurde ein knappes Jahr nach der Haftentlassung unserer Mutter geboren. Sie hatte sich mit irgendeinem Häuptling aus irgendeinem Reservat eingelassen. Aber wie üblich verschwand sie nach der Geburt, und es gehen merkwürdige Gerüchte um, ob der Kerl hier tatsächlich Fionas kleiner Indianerbastard ist oder ihr nach dem Tod des echten Kindes nur untergeschoben wurde. Wie auch immer, er hat jedenfalls eine Geburtsurkunde, auf der McCullen steht, also kann man ihm nichts Gegenteiliges beweisen.“

      „Heutzutage lässt sich alles fälschen“, warf seine Halbschwester ein. „Ein guter Scanner, ein Farbkopierer, mein Gott, Edgar, siehst du nie fern?“

      Das mit dem Scanner stimmte, wie Uwe anhand unserer Mietvertragskopie für den Hartz IV-Antrag bewiesen hatte.

      „Die Amis haben Satelliten in den Weltraum geschossen“, fuhr sie fort, „die können von ganz da oben runter den Rattenfänger knipsen, wie er mit den Ratten durch

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