REMEMBER HIS STORY. Celine Ziegler
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Wenn er wirklich der kleine lockige Nathan aus der Grundschule ist, würden sich mir tausend Fragen im Kopf bilden. Mich interessiert schon seit Jahren, wieso er damals einfach verschwunden ist, wo er wohnt, was er so macht, wie es ihm so geht, wie er so ist? Ob er wirklich immer noch so ein Rebell ist wie früher? Gut vorstellbar ist es auf jeden Fall, denn er war gerade nicht wirklich nett zu mir.
Zehn Minuten folge ich Nathan unauffällig durch ein paar Straßen und komme mir mehr als bescheuert vor. Mama wird mich bald anrufen, weil sie sich Sorgen macht, doch ich will einfach wissen, wer er ist.
Er bleibt an einer Ecke stehen und lehnt sich dann an eine Hauswand. Er sieht sich um. Anscheinend wartet er auf irgendwen.
Schnell verstecke ich mich hinter einem Auto mit einem guten Sicherheitsabstand von mindestens dreißig Metern. Ich überlege, wie es nun weitergehen soll. Er wird sich hier mit irgendwem treffen und dann gehen sie weg. So bekomme ich nie raus, wie er heißt. Wieso mache ich das überhaupt? Ich sollte schon längst zu Hause sein, es beginnt schon dunkel zu werden, außerdem soll Mama sich keine Sorgen machen.
Doch meine Neugier ist größer als meine Vernunft. Mama muss warten.
Ich beuge mich etwas an dem Auto vorbei und sehe wieder zu ihm. Er zündet sich gerade eine Zigarette an, dann bläst er den Rauch aus seiner Nase. Ob Nathan wirklich rauchen würde? Wahrscheinlich. Würde mich nicht wundern, wenn er nicht nur Tabak raucht.
Ich sitze noch weitere fünf Minuten hinter dem Auto. Noch immer steht er an der Hauswand und scheint zu warten. Okay, das geht doch eigentlich ganz einfach. Ich mache es mir viel zu kompliziert. Bevor ich hier noch erfriere, mache ich es jetzt.
Ich beuge mich wieder etwas an dem Auto vorbei und stelle auch klar, dass er mich definitiv nicht sehen kann, aber ich ihn. Ich atme tief ein und aus. Und dann: „Nathan!“ Schnell ducke ich mich ein wenig, doch luge noch so hervor, dass ich ihn sehen kann.
Und tatsächlich. Er dreht sich verwirrt in meine Richtung.
Er ist es!
Ach du heiliger Himmel.
Oder er heißt auch Nathan. Oder er hat nur geguckt, weil er sich erschreckt hat. Was rede ich da? Das wären zu viele Zufälle auf einmal. Dieser rauchende, schwarz gekleidete, große Junge ist definitiv der kleine achtjährige Junge aus meiner Kindheit.
Da vorne steht wirklich dieser kleine Junge, der damals einfach verschwunden ist und wahrscheinlich die meist gehasste Person der Schule war. Dieser kleine, stille Junge mit den blauen Flecken und aufgeplatzten Lippen. Ich kann mich noch erinnern, dass er damals sogar ein wenig kleiner war als ich. Heute überragt er mich mehr als einen Kopf. Nathan war damals zwar schon sehr einschüchternd, doch das ist kein Vergleich zu heute. Er hat eine fast rabenschwarze Aura um sich herum.
Während ich ihn weiter anstarre und nicht fassen kann, dass er tatsächlich er ist, klingelt plötzlich mein Handy. Oh, verdammt, das wird er definitiv hören, denn wir sind die einzigen Leute hier in dieser Straße. Hektisch krame ich mein Handy aus meiner Tasche und versuche, den Ton in meiner Jacke zu dämpfen, indem ich mich fast auf diese setze. Es ist Mama. Schnell gehe ich ran. „Ja, Mama?“, flüstere ich in die Leitung und sehe noch mal zu Nathan, um sicherzugehen, dass er mich nicht gehört hat. Er steht noch immer nur da, schmeißt seine Zigarette weg.
„Wann hast du vor, nach Hause zu kommen?“, nörgelt meine Mutter. „Es ist schon halb sieben und du weißt, dass wir um sechs Uhr essen.“
Seufzend setze ich mich auf den kalten Boden und lehne mich an das Auto. „Tut mir leid. Ich werde in einer halben Stunde zu Hause sein. Olivia und ich haben uns noch so lange unterhalten, du kennst sie ja“, lüge ich.
„In Ordnung, aber sag doch das nächste Mal Bescheid, ich habe mir Sorgen gemacht. Vor allem wenn es dunkel ist.“
„Mama, ich bin achtzehn.“
„Na und? Dir kann immer etwas passieren, Liebling.“
Ich schmunzle. „Wie immer hast du recht. Ich werde bald da sein, wartet nicht mit dem Essen.“
Wir verabschieden uns und ich lege auf, schiebe das Handy in meine Jackentasche. Kurz schließe ich die Augen und lehne meinen Kopf an die Autotür hinter mir.
Diese ganze Situation macht mich kirre. Dieser Typ aus der Apotheke, der gestohlen hat, ist Nathan. Wie war noch mal sein Nachname? Cort, genau, Cort. Wie könnte ich das je vergessen? Wahrscheinlich würde ich mich immer an ihn erinnern. Wenn ich zurückdenke, wie oft ich als kleines Mädchen versucht habe, Kontakt zu ihm aufzubauen und mit ihm zu spielen, weil er immer so allein und gebrochen aussah, und wie oft er mich abgeblockt und beleidigt hat, rutscht mir das Herz in die Hose. Das sind keine schönen Erinnerungen, doch trotzdem lag er mir am Herzen. Warum, weiß ich nicht und wusste ich, denke ich, auch damals schon nicht, aber er hatte einfach diese trostlose Art an sich. Diese traurige. Und das hat irgendwie einen gewissen Instinkt in mir hervorgerufen, es war mir schon als Kind wichtig, andere Menschen glücklich zu machen.
Ich öffne wieder die Augen.
Und sehe unmittelbar auf eine schwarze Jeans.
„Oh, mein Gott“, keuche ich erschrocken und zucke zusammen, weil Nathan genau vor mir steht und mich mit verschränkten Armen anstarrt.
Allerdings sieht er nicht glücklich aus. Eher genau das Gegenteil. Wieder extrem einschüchternd. Wie hat er nur diesen Blick in seine Augen bekommen? „Wieso zur Hölle folgst du mir?“, faucht er zornig. „Habe ich dir vorhin nicht klar und deutlich gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst? Was bist du? Ein beschissener Stalker?“
„Nein“, sage ich wortkarg. Er muss denken, ich bin verrückt. Aber das schüchtert mich nur noch mehr ein. „I-Ich … E… Es …“
„Du, was? Stotter nicht so rum.“
Ich knicke vor seiner festen Stimme ein. Mir kommt die ganze Situation mehr als bekannt vor. Damals war es ganz genauso, jedes Mal, wenn ich mit ihm reden wollte, hat er mich auf diese Art und Weise zurückgewiesen. Nur scheint er jetzt seine stille Art abgelegt zu haben, sondern hat keine Scheu mehr, auch mal auf jemanden zuzugehen und ihn zu beleidigen. Beziehungsweise mich. Nathan scheint sich kein Stück geändert zu haben, wenn, dann ist er schlimmer geworden.
„I-Ich wollte dir nicht folgen“, erkläre ich unsicher meine Situation. „Ich … Es tut mir leid.“ Es bringt sowieso nichts. Wenn er nicht merkt, dass ich ihm gefolgt bin, dann muss er dumm sein und das war er damals nicht und heute ist er es mit Sicherheit auch nicht.
Kurz gafft er mich einfach nur mit etwas zusammengekniffenen Augen an und von hier unten sieht er noch bedrohlicher aus. Vor allem, weil es immer dunkler wird und so nimmt seine Aura noch mehr an Dunkelheit zu. „Hat Eduard dich geschickt?“, fragt er schließlich giftig.
Ich blinzle. „Eduard? Nein, ich – niemand hat mich geschickt.“
Er scheint mir direkt in die Seele zu blicken, um herauszufinden, ob ich die Wahrheit sage. Dann dreht er sich etwas und zieht sich wieder die Kapuze über. „Du solltest besser verschwinden. Das ist keine Gegend für kleine Mädchen wie dich.“ Dann geht er auch schon wieder über die Straße.
Ich stehe auf und sehe mich um. Er hat recht. Erst jetzt fällt mir auf,