Karibisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani

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Karibisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani

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Touren kosteten in der Regel zwischen 50 und 120 Dollar und gingen ganz schön ins Geld. Erfahrene Kreuzfahrt-Profis begegneten diesen Preisen durch Webseiten wie „Auf eigene Faust“ oder Ähnlichem, auf denen man bereits vor der Reise Mitstreiter suchen konnte, um mit Hilfe von einheimischen Anbietern die Inseln preiswert zu erkunden. Die Taxifahrer, die vor Ort auf solche Kreuzfahrt-Touristen warten, waren bereits kreuzfahrtadaptiert und wussten, dass sich die Kreuzfahrtteilnehmer untereinander auf Internetseiten austauschten und dass man deswegen nicht folgenlos die Sau rauslassen konnte. Wir als Kreuzfahrtneulinge mussten erst nach und nach in diesem Geschäft heimisch werden. So vollzog sich unsere Reise als eine Mischung aus selbstorganisierten Touren und gebuchten Ausflügen.

Titel Titel

      Die Geschichte

      Eine Reise durch die Karibik ist ein merkwürdiges Ding. Man bereist Räume, in den nichts, aber auch gar nichts mehr an die schrecklichen Verwüstungen erinnert, die die karibische Geschichte prägten. Bridgetown auf Barbados war einer der größten Sklavenumschlagplätze der Welt, heute erinnert daran nichts mehr als die kümmerliche Skulptur eines rebellischen Sklaven am Stadtrand. Fast völlig verschwunden sind die Indianer, sowohl auf den Kleinen wie auf den Großen Antillen, und die Weißen, die heute nur noch als Minderheit etwa auf den Kleinen Antillen leben, haben nichts mehr gemein mit den brutalen Menschenschindern früherer Jahrhunderte. Geblieben sind nur das Meer, die Palmen und die Sonne, der zauberhafte Schauplatz einer blutigen Geschichte, die für die Welt weit wichtiger war, als man gemeinhin annimmt. Dazu einige kursorische, einführende Bemerkungen. Auf weiterführende Literatur wird im Anhang verwiesen.

      Die Besiedlung der karibischen Inseln und vor allem der Kleinen Antillen vollzog sich in drei Schüben. Schon im 2. vorchristlichen Jahrtausend erschienen (1) die sogenannten „Ciboney“ als Jäger und Sammler auf den Inseln. Ihnen folgten um die Zeitenwende (2) die „Arawak“-Indianer, die schon den Feldanbau von Mais, Hirse, Maniok und Bohnen mitbrachten. Auch die in der Überlieferung oft erwähnten „Taino“- Indianer gehörten zu dieser Großgruppe. Ihre Kultur wurde vernichtet durch die (3) sogenannten „Kariben“, kriegerische Stämme aus Venezuela und Guyana, die einige Jahrhunderte vor Kolumbus auf die „karibischen“ Inseln übersetzten. Folgte man der spanischen Überlieferung, handelte es sich bei den Kariben um blutrünstige Eroberer, die die bereits ansässigen Indianer gnadenlos ausrotteten. Ob es sich wirklich so düster mit den Kariben verhielt, sei dahingestellt, dass die Kariben aber Menschenfresser waren, steht fest. Wenn sie keine Taino mehr fanden, die sie massakrieren konnten, bekämpften und verspeisten sie sich auch gegenseitig, bis sie in Gestalt der Europäer auf noch größere Schlächter trafen, als sie es selbst es waren. Soweit die Perspektive einer eurozentrischen Geschichte, die man gerechterweise durch eine karibische Überlieferung ergänzen müsste. Da es die aber nicht gibt, schwankt das Bild der Kariben ganz erheblich in der Geschichte, wenngleich das, was man über ihren Untergang weiß, dazu angetan ist, mindestens Anteilnahme zu erwecken – denken wir nur an die kriegerischen „Black Caribbeans“, die sich nicht unterpflügen ließen und es als „Garifuna“ bis nach Belize und Honduras schafften (vgl. S. 55ff. und S 157ff.). Fest steht auf jeden Fall, dass die Kariben der Kleinen Antillen länger durchhielten als ihre Verwandten auf den Großen Antillen, also auf Kuba, Hispaniola, Puerto Rico oder Jamaika, ganz einfach, weil die Kleinen Antillen kaum Bodenschätze besaßen und deswegen von den Europäern lange Zeit links liegen gelassen wurden. Übrigens leben die letzten halbwegs „unvermischten“ Kariben heute in einem „Reservat“ (!) im Norden Dominicas, das jeder verlassen muss, der exogam heiratet. Ein auf diese Weise schrumpfender Genpool, der unausweichlich Schwachsinn und Missbildungen generiert, markiert das traurige Finale der karibischen Ethnie.

      Die Geschichte der europäischen Mächte in der Karibik ist kompliziert, kann aber auf einige vereinfachte Grundmuster zurückgeführt werden. Am Anfang waren die Spanier, die die Großen Antillen unterjochten, die Indianer versklavten oder durch eingeschleppte Seuchen ausrotteten. Ihre Zentren waren und blieben Hispaniola, Kuba und die Festlandskaribik Mittelamerikas. Ihnen ging es nicht in erster Linie um Plantagenwirtschaft sondern um die Ausbeutung von Bodenschätzen und die Sicherung der Karibik als Ausgangspunkt ihrer Silberflotten nach Europa.

      Schon ab dem frühen 17. Jhdt. begannen Niederländer, Engländer und Franzosen in die Karibik einzudringen. In einem wechselvollen Auf und Ab setzten sie sich auf verschiedenen Inseln fest und verteidigten jede Eroberung mit Zähnen und Klauen. So behaupteten sich die Niederländer auf Aruba, Curacao und Bonaire, die Franzosen eroberten Martinique, Guadeloupe und eine Reihe benachbarter Inseln, während die Engländer nach der Eroberung Jamaikas auch in den Kleinen Antillen mehr und mehr die Vorherrschaft gewannen.

      Die hohe Zeit der karibischen Piraterie, die noch heute das Bild der karibischen Geschichte prägt, währte hingegen nur kurz. Nachdem in der 2. Hälfte des 17. Jhdts. auf der Insel Tortuga nördlich von Hispaniola und in Port Royal auf Jamaika regelrechte Piratenzentren entstanden waren, von denen aus die gesamte Karibik terrorisiert wurde, sorgten die europäischen Seemächte bis zur Jahrhundertwende dafür, dass das einträgliche Plantagengeschäft nicht durch das Piratenunwesen beeinträchtigt wurde. Übrigens besaßen die Kleinen Antillen für die Überfahrt nach Europa eine optimale geographische Position, weil sie sich als „Insel über dem Wind“ in einem Windkanal befanden, in dem die Segelschiffe jener Tage schnell und sicher nach Europa segeln konnten.

      Bei der im 17. Jhdt. entstehenden und im 18. Jhdt. blühenden Plantagenwirtschaft handelte es sich vor allem um den Anbau von Tabak und Zuckerrohr, wobei diese Nutzpflanzen ganz unterschiedliche ökonomische und soziale Implikationen besaßen. Tabak war „die Frucht des kleinen Mannes“, weil der Tabakanbau sich auf kleinen Plantagen vollzog, auf denen die Eigentümer selber mit Hand anlegten. Der Zuckerrohranbau, den die Holländer in die Karibik einführten, erforderte dagegen viel größeren Kapitaleinsatz, weil die teuren Maschinen und die Zuckermühle amortisiert werden mussten.

      Die höhere Nachfrage nach Zucker führte zur sogenannten „Zucker-Revolution“ des 17. Jhdts., die zum Verschwinden von Kleinbesitz und zur Entstehung großer Plantagen führte. Es war nicht zuletzt diese ausgedehnte und profitable Plantagenwirtschaft auf den Kleinen Antillen, die die millionenfache Verschleppung afrikanischer Sklaven nach sich zog. Damit kommen wir zur Sklaverei, die untrennbar mit der Geschichte der Karibik verbunden ist, weil die Mehrzahl ihrer Bewohner aus den Nachkommen verschleppter Sklaven besteht.

      Der transatlantische Sklavenhandel der europäischen Mächte gehört zu den dunkelsten Kapiteln der europäischen Geschichte, und das ganz unabhängig davon, dass dieser transatlantische Sklavenhandel ohne die Mithilfe afrikanischer Reiche unmöglich gewesen wäre und dass es auch einen ähnlich umfangreichen Sklaventransfer in den islamischen Kulturraum gegeben hat.

      Hinsichtlich der quantitativen Ausmaße des transatlantischen Sklavenhandels existiert mittlerweile eine zuverlässige Datengrundlage in Gestalt der Dokumentation „The Transatlantic Slave Trade“ aus dem Jahre 1999, die seit 2008 in einer erweiterten Fassung vorliegt. Sie dokumentiert 34.808 transatlantische Sklavenfahrten, das sind 77 Prozent aller vermuteten Fahrten. Auf diesen Fahrten wurden zwischen dem 16. und 19. Jhdt. insgesamt 10.125.456 Afrikaner eingeschifft und 8.733.592 ausgeschifft, was einen durchschnittlichen Verlust von 13,7 Prozent auf der Reise bedeutet. Zusammen mit einigen anderen Parametern ergibt sich eine geschätzte Gesamtzahl von etwa 12,5 Millionen Sklaven, die vornehmlich aus dem Westen und dem Südwesten Afrikas über den Atlantik verschleppt wurden.

      Weitgehend

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