Karibisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani

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Karibisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani

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wurde. Etwa 45 % der 12,5 Millionen Sklaven gingen zwischen 1500 bis 1888 nach Brasilien. Rio de Janeiro und Salvador de Bahia waren die beiden größten Sklavenumschlagplätze der Welt, der Hafen von Recife in Nordbrasilien folgte auf dem vierten Platz.

      22 % der 12,5 Millionen Sklaven, also fast drei Millionen Afrikaner, wurden in die englisch-französisch-niederländische Karibik verschleppt. Rechnet man die spanische Karibik mit Kuba und Hispaniola hinzu (12%), war die Gesamtkaribik der Zielort für etwa ein Drittel aller transatlantischen Sklaventransporte. Das spiegelt auch die Liste der bedeutendsten Anlaufpunkte des transatlantischen Sklavenhandels wieder. Nach Rio und Salvador de Bahia als größten Sklavenumschlagplätzen der Geschichte folgten Kingston auf Jamaika auf dem dritten, Brigdetown auf Barbados auf dem fünften und Martinique auf dem neunten Platz. Havanna auf Kuba belegte den fünften Platz vor Haiti auf dem sechsten Rang. Charleston in South Carolina, der größte Sklavenumschlagplatz Nordamerikas, taucht in dieser traurigen Liste erst an 10. Stelle auf.

      Bei diesen Zahlen hätte man eigentlich von einer Explosion der Sklavenbevölkerung ausgehen müssen. Dem war aber nicht so. Die Sklavenbevölkerung in der Karibik (aber auch in Brasilien) stagnierte lange Zeit oder sank sogar, so dass eine unablässige Sklavennachfuhr erforderlich war. Das lag nicht nur an der hohen Sterblichkeit angesichts extremer Arbeitsbedingungen sondern auch an der geringen Zahl der Frauen und einer extrem hohen Kindersterblichkeit. Bemerkenswert auf der anderen Seite war, dass sich trotz der gnadenlosen Arbeit auf den Zuckerplantagen im Laufe der Zeit eigene kulturelle Strukturen herausbildeten, die das Leben der schwarzafrikanischen Bevölkerung bis heute mitbestimmen. (Candomble, Santeria, Voodoo etc., ebenso eigene Formen der Musik und der Instrumentierung).

      Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrplantagen führten immer wieder zu Sklavenaufständen, die alle scheiterten – bis zum größten von ihnen, dem großen Sklavenaufstand auf Haiti, der zusammen mit dem anschließenden Bürgerkrieg zum Menetekel der karibischen Sklavenökonomie wurde. Die Vernichtung der weißen Pflanzerschicht auf Haiti am Beginn des 19. Jahrhunderts gehört zu den großen Rachedramen der Geschichte.

      Der Rückgang der karibischen Sklaverei hatte aber auch noch andere Gründe. Eine wesentliche Rolle spielte die britische Anti-Sklavenbewegung, die man als die erste demokratische Massenbewegung der Neuzeit bezeichnen kann. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass die Sklaverei im Britischen Empire ab 1833 verboten wurde. Das Ende der Sklaverei im Britischen Weltreich generierte allerdings bald neue demographische Effekte. Denn da sich viele der freigelassenen Schwarzen nach ihrer Emanzipation auf reine Subsistenzwirtschaft beschränkten und für den Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen, wurden Kontraktarbeiter aus Indien, China und teilweise auch aus Japan angeworben. Ein beachtlicher Teil der Einwohner der Karibik, Ostafrikas und Südamerikas sind die Nachfahren dieser Kontraktarbeiter. Auf den Kleinen Antillen spielen die Inder wirtschaftlich eine ganz maßgebliche Rolle, so dass ihnen im Prinzip ein eigenes Kapitel gewidmet werden müsste.

Titel

      Denkmal des rebellischen Sklaven (Barbados)

Titel

       Blick über eine Ayo-Landschaft in der Inselmitte

Titel

       Aussichten auf den Eagle-Beach im Inselwesten

      Das ostkaribische Reisetagebuch

       Divi Divi und danki, danki auf ARUBA

      Ganz im Gegensatz zu den Mitteilungen diverser Reiseführer kommt der Begriff „Antillen“ nicht von „Atlantis“, sondern vom lateinischen „ante illum“, was „Inseln vor der Küste“ bedeutet. Wirklich „vor der Küste“ aber lagen eigentlich nur die niederländischen Antilleninseln Aruba, Bonaire und Curacao (die sogenannten „ABC-Inseln“), die wir als erstes anlaufen würden. Erst danach würden wir in einem weiten Bogen die klassischen Antillen wie Grenada, Dominica, St. Lucia, Barbados, Antigua oder Guadeloupe besuchen, die sich keineswegs vor irgendeiner Küste, sondern am Rande des Atlantischen Ozeans befanden.

      Ein „Info-Sheet“, das jeden Morgen unter der Kabinentüre hindurchgeschoben wurde, bot einige Basisinformationen. Entdeckt wurden die Niederländischen Antillen im Jahre 1499 durch den Spanier Alonso de Ojeda. 1634 besetzten die Holländer unter dem Kommando von Peter Stuyvesand die Inseln. Geschichtsinteressierten ist Peter Stuyvesand durch dreierlei bekannt: er besaß ein Holzbein, amtierte später als Gouverneur von Neu-Amsterdam (dem späteren New York) und war in den schrecklichen, vorökologischen Zeiten der Namensgeber einer Zigarettenmarke. Auf jeden Fall waren die Holländer auf Aruba, Curacao und Bonair seit fast vierhundert Jahren ununterbrochen präsent, so dass sich in dieser Zeit eine besondere Sprache, das sogenannte „Papiamento“ entwickelt hatte. „Danke, danke“ wurde mit „Danki, danki“ übersetzt, was ich mir gerne merken wollte, um die Einheimischen zu verblüffen.

      Die erste ABC Insel, die wir nach dem Seetag anliefen, war Aruba. Aruba war 184 qkm groß, hatte etwa 10.000 Einwohner und verfügte über zahlreiche Kakteen, jede Menge krummer Divi-Divi-Bäume, malerische Ayos (Felsen), eine Windmühle, eine eingestürzte Naturbrücke und eine Serie herausragender, flacher Puderzuckerstrände. Was man allerdings ebenso wie auf Bonaire oder Curacao nicht erwarten sollte, war Postkartenkaribik, denn im Unterschied zu den üppigen, regenreichen nördlichen Antillen lagen die ABC Inseln im Wind- und Regenschatten und waren knochentrocken.

      Wie ein schwerfälliger Wal legte die AIDAdiva an einer langen Betonmole im Hafenbecken von Oranjestad auf Aruba an. Auf den ersten Blick dachte ich: ein typisches Holland, genauso flach, genauso geschäftig, genauso multikulturell, allerdings fast völlig ohne Regen. Dafür landeten in der Hochsaison jede Woche doppelt so viele Menschen als Kreuzfahrer auf Aruba, wie die Insel Einwohner hatte. Auf der einzigen Durchgangsstraße von Oranjestad staute sich der Verkehr wie in einer mitteleuropäischen Rush-Hour. In den Strandbars war es brechend voll, und die Fortbewegung des gewöhnlichen Fußgängers war nur als ein slalomartiges Bürgersteig-Geschlängel möglich. Ein wenig Ruhe fanden wir erst im Wilhelmine-Park direkt am Meer, dessen zentrale Skulptur die niederländische Königin Wilhelmine zeigte, als sie noch halb so umfangreich war wie später.

      Als wir den Park verließen, hielt eine Taxifahrerin neben uns und bot uns für einen Komplettpreis von 50 Dollar eine dreistündige Inselerkundung an. Die Taxifahrerin machte einen vertrauenserweckenden Eindruck, sie war eine junge Karibin mit Kraushaarfrisur, großen runden Augen und exzellentem Englisch. Ohne große Umstände stiegen noch zwei andere Kreuzfahrttouristen in das Taxi ein, was den Preis pro Person weiter minimierte. So einfach war das also?

      Unsere Taxifahrerin hieß Anita, war gerade zwanzig Jahre alt, bereits Mutter von zwei Kindern und alleinerziehend, weil sich der Gatte in die Vereinigten Staaten abgesetzt hatte. Sie erzählte, dass 1000 Dollar das Durchschnittseinkommen der Inselbewohner wären und dass der Wind auf Aruba immer von Nordosten käme, so dass die Divi Divi Bäume wie Soldaten alle in die gleiche Richtung schauten. Tatsächlich boten die Divi Divi Bäume auf Aruba einen trostlosen Anblick. Es waren unansehnliche knorpelige Gewächse unter dem Diktat des Windes, der sie seit Jahrmillionen zauste. Bemerkenswert sei der hohe Taningehalt ihrer Rinde und Blätter, erzählte Anita, so dass man sie zur Farbgewinnung gebrauchen konnte.

Titel

      Divi Divi Baum auf den Niederländischen Antillen>

      So wurden wir über unsere erste Karibikinsel kutschiert, und um die Wahrheit zu sagen: eine Offenbarung war diese Reise nicht. Am besten gefielen mir noch die

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