Karibisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani

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Karibisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani

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die ihre deutschen Verwandten nach Grenada schickten, weil sie diese Sendungen nicht versteuern müsse und auf den Märkten verkaufen könne. Normale Einfuhrzölle dagegen seien gigantisch und beliefen sich für ein importiertes Auto zwischen 90 und 150 % des Wagenwertes. Der Tourismus sei zwar im Kommen, befände sich aber noch in den Kinderschuhen, denn es existierten gerade mal 5000 Betten auf der ganzen Insel. Vielleicht, so Connie, läge das auch daran, dass Land knapp und teuer sei. Gräber wurden deswegen nur auf felsigem Grund ausgehoben, und wenn ein Hinterbliebener stürbe, werfe man seine sterblichen Überreste in das Grab des Verwandten einfach obendrauf. Jedenfalls mache man das, bis der Sarg voll sei.

      In knapp sechshundert Höhenmetern erreichten wir den Grand Etang Nationalpark. Mitten im Nationalpark lag ein kugelrunder Kratersee im immergrünen Regenwald. Der See war klein und trübe, die Regenwolken reichten uns bis zum Scheitel, so dass das Landschaftsbild ein wenig an einen Kratersee in der Hocheifel erinnerte. Im Visitor Center des Grand Etang Nationalparks spielte wieder eine einheimische Musikergruppe Kalypso-Musik, trübsinnig auch sie. Besser gelaunt waren die Händler am Parkeingang, die Gewürzmischungen verkauften, von denen wir gleich drei als Geschenke erwarben. Leider erwiesen sich die meisten Gewürze, die wir zuhause auspackten, als total vergammelt.

      „Spice Basket“ war der Name eines Kulturzentrums, in dem wir zur Begrüßung erst einmal eine Runde Punsch erhielten, was die Stimmung wieder enorm auflockerte. Ich notierte: Ein wenig Alkohol, auf einem Ausflug ausgeschenkt, macht die Gäste heiter und dankbar. Nach dem Punsch nahmen wir in einer Halle Platz und folgten einer Tanzvorführung. Prachtvolle schwarze Schönheiten fegten zu rhythmischer Trommelbegleitung im malerischen Karibenoutfit über das Parkett. Die meisten Frauen waren jung und knackig, es waren aber auch einige ältere Damen dabei, die genauso agil, aber erheblich voluminöser waren. Dass Frauen in fortgeschrittenem Alter dicker werden, ist natürlich nichts Besonderes, aber das Ausmaß der femininen Altersverdickung in der Karibik war doch verblüffend, was ich an dieser Stelle nur rein beschreibend und ohne jede Wertung anmerken möchte. Die Show endete mit einem Limbo-Tanz, dessen Herausforderung darin bestand, unter einem sehr niedrig gehaltenen Stock schlangengleich hindurchzutanzen. Peinlich, als sich auch ein Tourist am Limbo versuchte und sich die ganze Hüftsteifheit des westlichen Menschen vor aller Augen enthüllte.

      Die Insel St. Vincent bot einen ähnlichen Anblick wie Grenada. Eine gebirgige Insel mit einem dunklen Rot aus Wolken und Licht über ihren Höhen. Ein Anblick, der Karibikstimmung aufkommen ließ, auch wenn die Wenigsten den Namen St. Vincent vor dieser Reise überhaupt schon einmal gehört hatten. Wie dem alltäglichen Infozettel zu entnehmen war, umfasste die Insel eine Fläche von 346 qkm, auf denen 130.000 Einwohner lebten. Die Hauptstadt Kingston, nicht zu verwechseln mit dem berühmteren Kingston Town auf Jamaika, lag am Fuße dicht bewachsener, südseeartiger Berge, an denen sich bunte Stelzenhäuser die Hänge emporzogen.

      Wir verzichteten auf eine Inseltour und beschlossen, Kingston auf eigene Faust zu erkunden. Wir kamen gerade richtig, denn die ganze Stadt stand im Zeichen des samstäglichen Wochenmarktes. Die Auslagen quollen über vor lauter Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch in jedem nur denkbaren Stadium des Fliegenbefalls. Bewacht wurden die Waren von sehr stattlichen, fast voluminösen Frauen in knallroten oder knallgelben Gewändern. Immer wieder der gleiche Befund: das Schicksal der karibischen Frauen schien es auch hier zu sein, zauberhaft und schlank eine kurze Jugend zu durchleben, ehe sie einer gewaltigen Beleibtheit anheimfielen. Im Unterschied dazu waren die älteren Männer keineswegs fett, im Gegenteil: sehr viele von ihnen saßen als dürre Klappergestelle in den Ecken. Ein altersphasenverschobener karibischer Dimorphismus, der von der Fachwelt noch nicht bemerkt worden war. Im unnachahmlichen „Pimp Roll“ des selbstbewussten Schwarzen schlenderten die Jugendlichen mit ihren jamaikanischen Ballonmützen und Dreadlocks durch die Gassen. In Ufernähe waren improvisierte Schnapsbuden aufgebaut worden, in denen die Männer aller Altersgruppen und Hautpigmentierungen sich volllaufen ließen. Sich dazuzusetzen und mit den Leuten ein wenig zu plaudern wäre reizvoll gewesen, die Aussicht, dann aber auch etwas von dem lebensgefährlichen Spiritus, der in den Buden gebraut wurde, trinken zu müssen, schreckte mich ab.

      Hoch über der Stadt lag das Fort Charlotte, eine englische Festung, die um 1800 erbaut und nach der deutschen Gattin König Georgs III benannt worden war. Ursprünglich hatten 34 Kanonen St. Vincent nach allen Seiten hin gesichert, nun waren nur noch drei Geschütze vorhanden. Ähnlich wie Fort Frederic auf Grenada bildete auch das Fort Charlotte auf St. Vincent einen idealen Aussichtspunkt über einen großen Teil der Insel. Tief unter uns erblickten wir das quirlige Kingston mit seinem Markt und den bizarren Türmen der Kirche St. George und der St. Marys Cathedral.

      Der Blick auf den Inselnorden war uns durch die wolkenverhangenen Berge versperrt. Dabei hatte gerade dort eine der zahlreichen und weitgehend unbekannten Seitenpfade der karibischen Geschichte ihren Anfang genommen. Im Jahre 1675 war im Norden von St. Vincent ein Schiff mit afrikanischen Sklaven gestrandet. Die Sklaven hatten diesen Schiffbruch überlebt und sich mit den kriegerischen Kariben von St. Vincent zur äußert wehrhaften Population der sogenannten „Black Caribbeans“ vermischt. Ihre Stunde schlug im Jahre 1797, als sie von den Engländern gewaltsam auf die Insel Roatan vor Honduras und nach Belize deportiert worden waren (vgl. S. 158ff).

Titel

      Wochenmarkt in Kingston

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      Blick auf die Küste vom Fort Charlotte aus

      Aber zurück nach Kingston. Nach dem Besuch des Forts wanderten wir den Hügel wieder herab und besuchten den botanischen Garten von Kingston. Hier blühten seit seiner Gründung im 19. Jahrhundert nicht nur die endemischen Pflanzen der Karibik, sondern auch der botanische Nachfahre des sagenhaften Brotfruchtbaumes, den Captain Bligh 1793 aus der Südsee nach St. Vincent gebracht haben soll. Wir bewunderten Kokos- und Königspalmen, den Travellers-Tree, Orchideen, Banyanbäume und unzählige Pflanzen, die einfach nur schön waren, ohne dass wir ihre Namen kannten. Sage übrigens keiner, St. Vincent wäre hinter der Zeit zurückgeblieben, denn einer der Exportschlager der Insel war die Knollenpflanze, aus der Computerpapier hergestellt wurde.

      So endete der Tag auf St. Vincent mit einem abschließenden Spaziergang zum Schiff. Auch wenn wir dabei die eine oder andere schmale Gasse durchqueren mussten und dem Alltagsleben der Einheimischen recht nahe kamen, empfanden wir zu keinem Zeitpunkt unseres Aufenthaltes irgendein Gefühl der Bedrohung. Im Gegenteil, bei den meisten Passanten folgte auf einen Augenkontakt ein spontanes „Hey, Man“ und eine grüßende Geste. Durch Rio oder Salvador de Bahia würde man nicht so sorglos herumflanieren können.

Titel

      Botanischer Garten in Kingston- St Vincent

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      Scotish District – Barbados

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      Andromeda Garden – Barbados

      Flach, alt und vornehm – BARBADOS

      Der erste Blick auf Barbados war eine Enttäuschung. Keine im Dunst verschwimmenden Gebirgsketten wie auf Grenada oder St Vincent, keine steil abstürzenden Felsen über heftiger Brandung. Flach wie ein Spiegelei lag die Insel vor uns, ausdruckslos wirkten die Ufer, die wir vom Schiff aus sehen konnten. Warum waren die einen Inseln gebirgig und die anderen flach? Dafür musste es eine Erklärung geben, die ich aber erst später

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