MORS. Ralf Worringen

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Häusern gleichen, schlichten Friesenhausstils fegten arktisch gekleidete Männer den Schnee beiseite. Als ich vorbeifuhr, hob einer von ihnen die Hand leicht zum Gruße, die beiden anderen schauten nicht einmal auf.

      Der Tageskilometerzähler des Simca hätte auch funktionierend diese Präzision nicht hergegeben, ich war mir dennoch sicher, dass ich nach exakt 235 Metern den Tatort erreicht hatte. Eine Kreuzung. Geradeaus führte die Straße im gleichen sanften Bogen weiter durchs Dorf. Nach links lief sie leicht hügelan, gleich auf der Ecke ein imposantes Zweiständerhaus, in der Ferne waren die grünen Zipfelmützen einer Biogasanlage zu erkennen. Rechts führte das Verbundsteinpflaster an drei, vier Häusern vorbei, wurde dann zu Kopfsteinpflaster und mündete schließlich an einem Steg, der in das Eiswasser des gestauten Flusses ragte.

      Auf der Ecke rechter Hand: Eine Unentschiedenheit in friesisch-griechisch, mit Säulen, aber ohne Reetdach. Hochglänzend grüne Dachpfannen. Weißer Klinker. Braune Holzläden vor aluminiumgerahmten Fenstern mit Sprossenimitat. Rote Schüssel mit dem Aufdruck SatAn auf dem Dach. Verbundgepflasterte Auffahrt, breit genug für einen Staatsempfang. Das gut acht Meter lange, elektrisch betriebene und vollverzinkte Eisentor hatte sich zwischen Koniferen und Maschendrahtzaun zurückgezogen, die das Grundstück rundum doppelt abgrenzten. Der einzige Zaun, den ich bisher in Mors gesehen hatte.

      Ich parkte den Simca hinter einem weißen Golf, der unter dem dazu passenden, mit Wellplastik bedachten Baumarkt-Carport stand. An der vorderen rechten Ecke lief ein Fallrohr von der Regenrinne Richtung Verbundpflaster. Auf halber Höhe ließ sich eine Klappe öffnen, um das Regenwasser in ein Wasserfass umzuleiten. Die Klappe war geschlossen, das Fass war voll. Ringelsocken ragten aus der Regentonne. Ich hatte die Leiche gefunden.

      Der leichte Schneefall hatte eine weiße Haube auf die Fersen der dreifarbig anscheinend Selbstgestrickten gelegt, die in ihrer Buntheit der ansonsten monochromen Winterkulisse trotzten. Zwischen den Sockenbündchen und der opaken Eisschicht lugten von pergamentener Haut umspannte Knöchel heraus. Für den Toten war es wahrscheinlich kein Trost, dass sein restlicher Körper eisfrei in der Tonne steckte. Der immerhin badebemantelte Leichnam klemmte offenbar dermaßen zusammengestaucht in dem grünen Gefäß, dass er diese Haltung - weniger tot – sicherlich als sehr schmerzhaft empfunden hätte.

      Am Tonnenrand landete nervös flatternd ein Erlenzeisig auf Futtersuche und piekte probehalber an einem großen Zeh. Der in der Nähe mit der fotografischen Dokumentation der Umgebung beschäftigte Mitarbeiter der Spurensicherung, dessen Overall im von leichtem Schneefall geweißtem Garten wie ein Tarnanzug wirkte, verscheuchte mit großer Gebärde den kleinen Vogel. Zwei Uniformierte beschützten das Absperrband vor niemandem und interessierten sich weder für den Vogel noch für die Leiche.

      Ich stieg aus dem Auto und stellte mich kurz den beiden Polizisten vor. Dann begrüßte ich die Kollegen von der KTU. Wir kannten uns und ich hätte ihre Namen wissen sollen. Sie schienen meinen aber auch nicht zu erinnern, denn wir alle vermieden die persönliche Anrede.

      „Und?“

      Der KTU-Chef klopfte auf das Eis zwischen den besockten Füßen:

      „Das Eis kann sich erst letzte Nacht gebildet haben, war die erste Frostnacht in diesem Winter, leichter Schneefall heute Morgen. Liegt also mindestens seit gestern da drin, so wie die Knöchel aussehen aber nicht länger als 36 Stunden. Mehr, wenn wir ihn rausgeholt haben. Von uns aus…“

      „Ja, dann holen Sie ihn mal da raus.“

      Ich ging wieder zu den Polizisten:

      „Und?“

      „Naja, sicher ist es erst, wenn wir die ganze Leiche sehen, aber der Nachbar meint schon, dass das der Franzkowski ist, weil der hier wohnt und im Haus ist er nicht und sein Auto ist ja auch da.“

      „Franz Kowski?“ fragte ich nach.

      „Ja, Rudolf Franzkowski.“

      „Wie jetzt? Rudolf Franz Kowski?“

      „Ja. Nein. Rudolf Franzkowski. Vorname: Rudolf. Nachname: Franzkowski.“

      „Ach so. OK.“ Ich schaute mich um. „Welcher Nachbar?“

      Er zeigte zum nächsten Haus die Straße herunter, ein niedriger Fachwerkbau.

      „Der uns angerufen hat.“ Er schaute auf seine Notizen und erklärte behutsam bemüht, weiteren Missverständnissen vorzubeugen:

      „Nachname: König. Vorname: Kain, wie bei Kain und Abel. Zusammen: Kain König.“

      Der Polizist lachte:

      „Was manche Eltern sich so denken... Hat hier auf uns gewartet. War mit seinem Hund raus heute Morgen und hat dann die Füße gesehen. Meinte, wegen der Eisschicht in der Tonne hätte er auf Wiederbelebungsversuche verzichtet. Wollte auch nichts anfassen und so. Sie wissen schon: Die Leute gucken CIS und kennen sich alle aus von wegen Tatortkontamination und so.“

      Eine Weile schauten wir den beiden von der KTU dabei zu, wie sie vergeblich versuchten, die Regentonne umzuwerfen.

      Dann fragte ich den schweigsameren der beiden Polizisten: „Sie kennen den?“

      „Den König? Nicht näher, der verkauft Häuser, dafür reicht‘s bei mir nicht.“

      „Ich meinte das Opfer.“

      „Ach so. Ja, den Franzkowski kenn ich aus der Stadt, der war da früher im Katasteramt tätig. Ist schon lange auf Rente.“

      Im amtlichen Tonfall zählte er auf:

      „Jahrgang 35, ledig, Rentner. Ist vor 10, 11 Jahren hier her gezogen.“

      Er machte eine kurze Pause, räusperte sich, und fügte dann leiser hinzu:

      „Und ein ziemliches Arschloch, was man so hört.“

      Die Leute von der KTU hatten mittlerweile einen Gartenschlauch in die Regentonne geschoben, um das Wasser unter der Eisschicht abzulassen.

      „Was hört man denn so?“

      „In seiner Dienstzeit hat er sich schon nicht besonders beliebt gemacht, soll ein Superpingel gewesen sein, nicht sehr entgegenkommend. Und hier im Dorf gibt’s glaub ich auch keinen, mit dem er nicht Ärger hatte. Und um die Leute hier zu verärgern, da gehört schon was dazu. Aber Sie werden ja ein bisschen hier bleiben dürfen, das merken Sie dann schon selber.“

      22.12., nachmittags

      Mein erster Zeuge war also König, Kain König. Ich ging die paar Schritte zu seinem Haus, welches von außen um einiges heimeliger wirkte als die architektonische Scheußlichkeit des Opfers. Kaum hatte ich angeklingelt, öffnete sich auch schon die Tür, so dass ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Einen kleinen, dicken Spaniel zurechtweisend, stand ein kleiner, dicker Mann in der Tür und sprach so halbwegs in meine Richtung:

      „Platz, mach Platz jetzt, komm rein, hast du Angst, brauchst du nicht, der tut nur was, wenn er die Leute nicht mag, mach jetzt Platz, und den einzigen, den er nicht mochte, schafft ihr ja wohl gerade weg. Kaffee? Mach Platz jetzt!“

      Während ich die Worte noch nach ihren Adressaten sortierte, ging er voraus in die Küche, begleitet von seinem sich vor Freude über meinen Besuch windenden Hund. Er zeigte

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