Mord in Kreuzberg SO 36. Ann Bexhill
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Ann Bexhill
Mord in Kreuzberg SO 36
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Inhaltsverzeichnis
1
Onkel Tata ein großer ausladender Mann mit roten Apfelwangen, früher war er Gewichtheber im Arbeitersportverein Viktoria 36 Kreuzberg, hatte gerade den Kuchenteig fertig gerührt und zum Auskühlen auf den Tisch gestellt. Nun sah er aus dem Fenster. Die Küche im Gebäude des Plattenstudios Skull Rekords war das Herz des Hauses. Aus dem Küchenfenster zur Oranienstraße blicken machte ihm Spaß. Zu beobachten, wer wo ein- und ausging, alte Freunde zu begrüßen und mit den anderen Jungs (nun Opas) süffisante Bemerkungen darüber fallen zu lassen, wer sternhagelvoll war, wer sich mit wem geprügelt oder sich sonst wie daneben benommen hatte. Der Berliner Stadtteil Kreuzberg wirkte jetzt wie ausgestorben. Auf der Turmuhr der Mariannenkirche, die über den Dächern zu sehen ist, war es fünf vor 3 Uhr nachmittags. Ein Sturm aus Südwest kündigte sich an und ließ die Blattkronen der jungen Birkenbäume und Linden am Straßenrand schaukeln. Ab und zu fegte eine Windböe durch die Straße, wo er Papierfetzen und Flyer über den Boden schleifte und mit den Rocksäumen der weiblichen Touristinnen und Transvestiten spielte. Es war ein Nachmittag Ende August und eine Gluthitze zum Krepieren kündigte ein schweres Gewitter an. Ab und zu jaulte der Vorbote des Sturms auf und schmetterte angekippte Türen gegen Mauern oder kippte Werbeständer um. Angus Budrow unser Nachbar goss mit einer riesigen Gießkanne in den beiden Händen seine Rosenbüsche in den Kübeln vor seiner weißen Ladentür ab. Allem Anschein nach misstraute er der alle 20 Minuten wiederholten Sturmwarnungen im Radio. Angus trug einen schwarzen Anzug ein weißes Hemd und einen Strohhut er nickte mir zu. Ein gut gekleideter Mann lief vorbei, von Weitem merkte ich, dass er einen in der Krone hatte, er war, unsicher auf den Beinen. Schwarzgrau gestreifte Hose weißes Hemd blaue Weste und eine schwarze Krawatte. Er hatte einen roten Dreitagebart und einen Glatzkopf, eine helle Gesichtsfarbe und vom Bier oder der Wut rot gezeichnete Wangen. »Hoher Wellengang heute«, bemerkte ich und steckte mir den Rührlöffel schnell in den Mund als Onkel Tata nicht hinsah. Er ist der festen Überzeugung, dass der Verzehr von rohem Kuchenteig das reinste Gift für die Stimme ist. Der Betrunkene schwankte davon, hielt sich ab und zu an einer Laterne fest und durch das geöffnete Fenster drang sein Gesang das elbisch oder Bulgarisch sein konnte. Ich lachte, als der Mann den fruchtlosen Versuch unternahm, sich seine Zigarette mit feuchten Streichhölzern anzuzünden. Onkel Tata entschuldigte sich bei mir und beugte sich aus dem geöffneten Küchenfenster.
»Hurensohn! Säufer! Popwichser! Mongo!«, schrie er. Er drehte sich nach dem drolligen Auftritt von Herri Freitag dem Ex Sänger der Westshop Kerls und nun Plattenstudioboss zu mir und erklärte, dass jeder, der Herri Freitag um die Ecke bringen würde, der Musikwelt und seinen mit Vertrag geknechteten Künstlern eine große Freude bereite. Herri Freitag ein guter Sänger war Studioboss und hatte vor Jahren angefangen jedem der ein Mikro halten konnte unter Vertrag zu nehmen. Herri war der unbeliebteste Mensch in der Gegend. Sein mangelndes Selbstwertgefühl kompensierte er mit Hochmut und Geld ausgeben. Ihm gehörte die Szene und er zeigte es in dem er alle naselang in der Provinz Klamottenläden seiner Marke Gangsterlife eröffnete. Ich schüttelte den Kopf.
»Können wir hoffen, dass der alte Knabe nicht demnächst in seinem Blut liegen gefunden wird.«
Onkel Tata lächelte und meinte: »Er ist ein aufgeblasenes altes Ekel. Kein Wunder, dass ihm seine Frau davongelaufen ist und die eigenen Kinder nichts mit ihm zu tun haben wollen.«
»Sie hätte ihn stattdessen abmurksen sollen«, bemerkte ich.
»Franz Kevin! Ich dulde nicht, dass du in meinem Studio leichtfertig von Mord sprichst«, schimpfte er, nachdem er ihm selber die Pest an den Hals gewünscht hatte.
»Onkel Tata erzählen tue ich es dir weil, ich weiß, dass du mich niemals bei den Bullen verpfeifen würdest.«
Onkel Tata, für andere und das Finanzamt Herr Anton Singer der Boss von Skull Rekords. Der in den siebziger Jahren sein Plattenlabel in Kreuzberg 36 mit der promotung seiner eigenen Punkband den Arbeitergesangsfreunden angefangen hatte, sah zu mir auf.
»Du weißt nichts vom Skandal, der uns droht!«, sagte er.
»Diesmal sitze ich was Wissen abgelangt auf dem trockenen. Was war los?«
Er seufzte und band seine Schürze ab und setzte sich an den Küchentisch.
»Joh Gerstein war einkaufen er brauchte ein paar Bandanas für seine Tour.«
»Hat eine beklagenswerte Kleinstadt Disco Geburtstag und wird mit einem Aufritt von dem Hip-Hop Arschloch belohnt?«
Joh Gerstein war der missratene Sohn von Onkels Freund Werner und sang für sein Leben gern, obwohl er es nicht konnte. Jeder der ihm irgendwann einmal nur guten Tag gewünscht hatte bekam ein Konzert von ihm zum Geschenk. Das Herri Freitag der Besitzer von Gangsterlife Rekords und dem gleichnamigen Modelabel auf Youtube stellte und Geld monetisierte. Joh der Gangster Rapper mit der erlogenen Biografie hatte eine so piepsige Stimme, dass sie Allergien auslösen konnte und dazu zeichnen sich seine Songs durch so schlecht gereimte Texte aus das es in den Ohren kratzt und Halluzination erzeugt.
»Er gab mir angeblich einen Zweihundert Euro Schein aber als ich in die Kasse sah um das Wechselgeld herauszugeben bemerkte ich das ein Fünfziger war. Ich gab ihm das Wechselgeld darauf heraus. Er beschwerte sich bei mir, und ich wies mit allem Respekt darauf hin, dass er sich geirrt haben musste. Ich sagte ihm taktvoll er sei nicht gerade der Klügste und habe es nicht mit dem Zählen, er habe sich geirrt. Ich empfahl ich ihm einen guten Alphabetisierungskurs in der Abendschule in Friedrichshain.«
Gerstein hatte nie eine höhere Schule von innen gesehen, was nicht an seiner Herkunft, sondern nur an seiner mangelnden Intelligenz lag. Er war eben dumm wie Brot sein Künstlername war § 174, weil er dachte, 174 stehe für Autodiebstahl. Onkel Tata seufzte, er war seit 30 Jahren im Musikgeschäft und hatte