Mord in Kreuzberg SO 36. Ann Bexhill
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»Anstatt seinen Fehler einzusehen, stürmte § 174«, mein Onkel grinste, »erbost davon direkt in die Schenke, wo Herri Freitag sich betrank.«
»Oh je der noch!«
Herri Freitag gehört zu den Menschen, die sich ein Vergnügen daraus machen für Wirbel zu sorgen. Er würde die Sache so groß machen, dass ein Mord, wie das Mopsen eines Kekses aus der Bäckerei wirken würde. Er war der Prototyp eines garstigen Mannes. Er hatte sich in den Jahren auf Kosten seiner Künstler und der Intelligenz seiner Hörer ein immenses Vermögen zusammengerafft.
»Wenn Freitag dir den Fehdehandschuh hinwirft, weil ihm Gegner ausgegangen sind, hat er sich den Falschen ausgesucht.«
Und das hatte Herri Freitag. Mein Onkel war resolut und seine Zunge galt als tödliches Instrument, außerdem verfügte er über seine Camorra, ein Netzwerk abgetakelter Künstler aus Kreuzberg. Wenn man es sich mit einem verdarb, war man schneller isoliert, als ein Leprakranker seinen Daumen verlor.
»Das Wort, das er gebrauchte, als er zusammen mit Gerstein alias Paragraf wie ein Verrückter angestürmt kam und einen Blick in meine Ladenkasse werfen wollte war, Betrug!«
Onkel Tata war der lauterste Mensch in der Gegend. Seinen Ruf anzukratzen war als unterstelle man dem Papst Prostitution.
»Niemand bei Verstand wird dich verdächtigen, vergiss es einfach. Was hast du heute noch vor?«, fragte ich, um vom leidigen Thema Herri Freitag abzulenken. Der Mensch machte nicht nur ihm Kummer, wie bedauerlich musste es erst seiner Familie ergehen mit so einem Menschen bestraft zu, sein.
»Meine Pflicht«, sagte Onkel Tata tugendhaft, »meine repräsentative Pflicht, als ein hohes Tier in der Musikbranche ist und deshalb kommen Freunde zu Kaffee und Kuchen und Bier.«
»Also deshalb der Kuchen! Wer kommt alles?«
»Stein, Angus, Werner und Frau Spiegel«, zählte er das who is who in Kreuzberg auf.
»Ich mag sie«, sagte ich. Frau Spiegel war eine junge Anwältin spezialisiert auf Medien und Urheberrecht eine attraktive Person, die sich nicht zu fein war, im Garten ihrer Villa in Zehlendorf eine Badeparty zu geben und mich einzuladen.
»Ja das kann ich mir gut vorstellen Franz. Naja hoffen wir das sie nicht anfängt von, ihren Superstars zu reden. Das einzige Thema, das sie zu interessieren scheint.«
Frau Spiegel liebte alles, was mit dem Hochadel der Pop Kultur zu tun hatte, egal ob Elton John oder die Snoop Dog. Sie liebte es nicht nur, sie musste uns davon alles bis ins kleinste erzählen. Ich hatte den Verdacht den Stapel Zeitschriften, den sie weg liest, wie ein Fresssüchtiger einen Teller Frikadellen, überdecken eine unbefriedigte Beziehung.
»Über was werdet ihr reden?«
Onkel Tata machte sich Stichpunkte zu Themen, die gerade interessant waren. Er überflog seine Unterhaltungskarten, wie der Moderator einer Quizsendung vor der Show.
»Wahrscheinlich nichts, was dich angeht, Franz.«
Onkel Tata lächelte, strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn und sagte: »Das Übliche die Skandale von gestern oder die von Morgen wer weiß, was Budrow herausgefunden hat.«
Angus Budrow besaß die Gabe mit einer für seinen Jahrgang 1960 beeindruckenden Sehschärfe alles, um sich herum wahrzunehmen.
»Davon gibt es hier genug nehme ich an«, entgegnete ich sarkastisch.
Wir lebten in einem Dorf in Kreuzberg 36, in dem die Automarke die jemand fuhr, Anlass zu wüsten Spekulationen war. Es war nicht viel los in Kreuzberg, denn Westberlins Musikszene war, so Tot und Ideenlos wie ein Friedhof um Mitternacht. Man schrieb und redete zwar viel vom kreativen Potenzial doch man war unfähig Neues zu erschaffen, West Berlin, zehrte vom Alten wie eine Made von einer Leiche.
2
Als ich vom Küchentisch aufstand, war ich in der richtigen Stimmung, einen zündenden Hip-Hop Schlager zu schreiben, was vermutlich am vielen Zucker in Onkels Kuchenteig lag. Der Titel hatte platz in meinem Kopf genommen. Irgendetwas mit Ghetto und Moderne Automobiltechnologie etwa, “die Bitch in dem Porsche Bang bang bang“. Ich müsste mich schämen zu gestehen mit dem Käse mein Geld zu verdienen oder mich fremdschämen für die Hörer, aber zum Glück kannte man mich nur unter meinem lächerlichen Komponistennamen AK 47.
Ich hatte von meinem Tod geträumt, ich stand an der Himmelspforte und ein ungeheurer wichtig aussehender Engel musterte mich mit unterdrücktem Lächeln und sagte: »Deutscher Gangster Rap was? Na komm rein!«
Ich ging ins Arbeitszimmer mit Blick in den Hinterhof, die Haselnusssträucher den Schuppen, den alle aus einen mir nicht einsehbaren Grund Pavillon nennen und dem hinter dem Garten liegenden Spielplatz mit dem Klettergerüst und den Schaukeln. Nach einem Blick auf die Idylle machte ich mich an den Entwurf eines Textes. Skull Rekords verfasste als Subunternehmen Texte für andere Plattenstudios, für jeden, der uns angemessen bezahlte. Gerade als ich mich auf die stupide Arbeit des Schlagers fabrizieren konzentrierte, flatterte Betty Freitag herein. Sie ist ein hübsches Mädchen, groß und blond und völlig gedankenlos. Sie segelte durch die Glastür zum Hinterhof wie ein verirrter Schmetterling, sah mich an und rief mit einer Art Tadel in der Stimme: »Ach Sie hier?«
Wenn man vom Spielplatz kommt, führt der kürzeste Weg in die Oranienstraße mitten durch das Haus und den Laden. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt Eintrittsgeld zu verlangen aber mein Onkel erzählte mir, von dem uralten Recht der Menschheit sich ihre Wege zu Zielen selber zu wählen. Er meinte, nur weil er etwas Land gekauft hatte, bedeute das nicht auch, es zu besitzen. Die Leute kommen nicht einmal auf die Idee ums Haus herum, statt mitten durch mein Arbeitszimmer durch die Diele hinaus zum Laden zur Straße gehen.
»Wen hast du erwartet den Prinzen von Bell Air?«, fragte ich.
Sie sah mich mit ihren großen Augen an und fragte: »Den wen?«
»Ach das war eine Fernsehserie vor deiner Zeit!«
Sie ließ sich völlig erschlagen in einen meiner großen Sessel fallen und legte ihre verwirrend langen Beine übereinander. Es gibt Mädchen die sind für Tennisshorts gemacht und Betty Freitag gehörte dazu. Dort saß sie mit ineinander gefalteten Händen und starrte mich an, wie ein Entomologe ein seltenes Insekt.
Ich schrieb gerade: Bitch ey Bitch in dem Porsche bang bang bang.
Dieses bang kommt im Hip-Hop recht zweideutig daher außer es wird von Pistolenschüssen synchronisiert und plastisch für den letzten Idioten dargestellt. Ein Bang strich ich durch.
Ghetto mein Viertel meine Straße ich vermisse dich im Knast. Saxofon ich vermisse dein Gold deine Chicks meine Jungs den ganzen Real Gangster Shit. Ghetto du küsst mich in der kranken Seele nicht übertreiben und das Sterben erwähnen und mit