Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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fremde Haus auf die nächste Straße, die zu ihrer Erleichterung verwaist war.

      Obwohl der Lärm der Zerstörung die ganze Stadt erfüllte, war ihre Umgebung gespenstisch leer. Einen Moment lang hatte Jamil die Hoffnung, dass hier alle hatten fliehen können – dann fiel sein Blick auf die reglosen Gestalten von Männern, Frauen und Kindern, die allesamt vor ihren Häusern niedergestreckt worden waren.

      Beim Anblick der Toten, so sinnlos aus dem Leben gerissen, wurde Jamil übel.

      Zu seiner Überraschung war es jetzt sein kleiner Bruder, der ihn am Arm weiterzog. Schlagartig fühlte er sich hilflos und verloren. Die Grauen Soldaten fielen eiskalt über Kas’Tiel her und zeigten kein Erbarmen.

      Er folgte Balor durch ein Gewirr aus Gassen und mehr als einmal sahen sie die Uniformierten, wie sie mit ihren Gewehren Menschen vor sich hertrieben.

      Als sie das Hafenviertel erreichten, waren sich beide Brüder sicher, dass die Soldaten jeden auf ihrem Vernichtungszug erschießen oder versklaven würden.

      Jamil stach der Anblick des Hafens so sehr in der Brust, dass er keuchen musste. Er hatte die Fliehenden und seine Mutter in den sicheren Tod geschickt.

      Die Soldaten hatte ganze Arbeit geleistet: Auf den ersten Blick konnte er kein einziges Schiff erspähen, das nicht in Flammen stand. Funken stoben wie Myriaden von Glühwürmchen gen Himmel. Die Hitze erzeugte einen Sog, der an ihren Kleidern zerrte. Dazu kam der ohrenbetäubende Lärm von knackenden Balken und lodernden Flammen.

      »Navenne! Wo seid ihr?«, brüllte Jamil atemlos über den tosenden Brand hinweg.

      Balor wankte neben ihm. Sie spürten beide, wie sich Entsetzen in ihren Knochen breitmachte. Es war vorbei. Die Soldaten hatten die Stadt überrannt und nur die Götter wussten, wie viele schon gestorben waren.

      Sie würden dazu gehören.

      Gerade als Jamil Gebrüll in den Hafenstraßen hörte und Balor ins Wasser stoßen wollte, damit sie sich unter dem Pier verbergen konnten, fiel sein Blick auf den Rand der großen Bucht. Zwischen den Rauchschwaden schimmerten dort für einen Augenblick die Umrisse eines Handelsschiffes durch, das dem Funkensturm und den Soldaten noch nicht zum Opfer gefallen war.

      Dort waren Menschen, die nicht in schimmernden Uniformen steckten!

      Jamil packte seinen Bruder am Ärmel und deutete in die Richtung, bevor sie den Pier entlangrannten und dabei die glühende Luft einatmeten. Als sie durch den Rauch drangen, erblickten sie Flüchtlinge, die hastig zusammengeraffte Sachen auf das Schiff wuchteten, während andere es zum Auslaufen fertigmachten.

      Männer hievten die letzten Kisten an Bord und lösten gerade die Taue, als die Brüder es erreichten und als Letzte an Deck sprangen.

      Jamil konnte es kaum fassen, als er seine Eltern in der Menge erspähte, beide unversehrt.

      Aldo rief Befehle über das Deck, auf dem sich ein bunter Haufen von Bürgern drängte, von denen die wenigsten jemals zur See gefahren waren. Zwei Matrosen, die von einem der anderen Schiffe entkommen sein mussten, halfen dem Stadtvorsteher und zeigten hektisch, was es zu tun gab, damit endlich die Segel gesetzt werden konnten.

      Frauen und Kinder liefen hastig an Deck hin und her und klopften alles aus, das durch den Funkenflug zu schwelen begann.

      Endlich nahm das Schiff Fahrt auf. Sie hielten es mit Stangen von den brennenden Wracks im Hafen fern und wandten die Gesichter ab, als die Hitze schier unerträglich wurde. Dann ließen sie das Hafenbecken hinter sich.

      Auf dem offenen Meer meinte Jamil für einen kurzen Augenblick noch ein zweites Schiff zu erspähen, dann verhüllte dichter Rauch wieder die Sicht.

      Jamil dachte schmerzerfüllt an die Freunde und die Heimat, die sie alle so plötzlich verloren hatten. Seit er denken konnte, war Kas’Tiel eine friedliche Handelsstadt, jetzt war sie von den Grauen Soldaten zerstört.

      Das Gesicht seiner Mutter war von Tränen und Ruß verschmiert. Sie herzte ihre Söhne und drückte sie so fest, als wolle sie die beiden nie wieder loslassen.

      Der Wind frischte auf, trieb den Rauch fort und trug das Schiff in die Schwärze der Nacht, während Jamil und sein Bruder auf die brennende Stadt starrten, deren Flammensäule sich noch lange im Meer spiegelte.

      Der Sturm

      Ein heftiger Ruck riss Jamil aus unruhigen Träumen. Klamme Dunkelheit und der Geruch von modrigem Holz umgaben ihn. Erst nach und nach gewöhnten seine Augen sich an die Verhältnisse, während sein Magen gegen das Schwanken im Schiffsbauch rebellierte.

      Er setzte sich in der miefigen Hängematte auf und ignorierte das Grollen seines Magens, denn der war ohnehin leer.

      Irgendwo in der Dunkelheit hörte er die Seherin und ihre beiden Töchter beten, die es als Einzige ihrer Zunft aus den brennenden Tempeln auf das Schiff geschafft hatten.

      Es war den Menschen erst allmählich bewusst geworden, dass sie alles verloren hatten und heimatlos waren. Vertriebene, Flüchtlinge, die ihre geliebte Stadt und deren Bewohner nie wiedersehen würden. Sie alle fragten sich verzweifelt, wie die Götter das hatten zulassen können … warum die Seherinnen der vielen Tempel so eine Katastrophe nicht vorhergesehen hatten.

      Jamil dachte an Lezana und ihre Familie. Sein Vater hätte es völlig unabhängig von den Göttern ahnen müssen. Er selbst hätte wissen müssen, dass diese Verlobung ein verzweifelter Versuch von Lezanas Familie gewesen war, ihre einzige Tochter nicht an den Grauen König zu verlieren, der sie als seine Braut eingefordert hatte. Kas’Tiels Geschicke hingen schon immer davon ab, mit allen Nachbarn gute Handelsbeziehungen zu führen. Sie stellten besondere Waren her und hatten den größten, sichersten Hafen an der Küste. Nun war die Stadt dem Hass des Grauen Königs zum Opfer gefallen.

      Jamil presste die Lippen zusammen, als er sich an gestern Nacht erinnerte. Balor hatte in der Hängematte neben ihm geschlafen und in seinen Träumen gemurmelt, dass alles die Schuld seines großen Bruders sei.

      Ein weiterer Ruck lenkte ihn von seinen düsteren Gedanken ab. Das Schiff knarzte und ein hohes Pfeifen drang durch die verschlossene Luke.

      Er stand auf und machte sich schwankend auf den Weg zur Treppe. Auf halbem Weg kam ihm seine Mutter entgegen, ihr Gesicht blass und mager. Im schummrigen Licht der Öllampen wirkte sie wie ein Geist.

      »Navenne, was ist los?«

      Sie klammerte sich an die vertäute Ladung neben der Treppe. »Wir sind in einen Sturm geraten! Aldo braucht dich an Deck.«

      Jamil nickte langsam, während seine Gedanken rasten. Sie hätten schon bei den schroffen Felsinseln beinahe den Kampf gegen das Meer verloren – Jamil hoffte inständig, dass sie diese toten Inseln endgültig hinter sich hatten und der Sturm sie nicht zurücktreiben würde.

      »Gut … beruhige die Frauen und Kinder, damit sie sich festhalten können. Bleibt hier unten, bis wir Entwarnung geben.«

      Als er den Blick durch den dunklen Raum schweifen ließ, wurde ihm bewusst, dass er wohl gerade der einzige Mann unter Deck war. Stirnrunzelnd erklomm er die steile Treppe. Hatte sein Bruder ihn nicht wecken sollen? Was sollte das?

      Mit

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