Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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hinter der Bucht zum Vorschein kamen.

      Balor und Jamil kletterten unter dem Blick der Versammelten an einer Strickleiter auf die Felsen hinab, die ihr Schiff aufgeschlitzt hatten. Ihr Beiboot hatte sich schon zu Beginn des Sturmes losgerissen und war verschwunden, also mussten sie eine andere Lösung finden.

      Während die Leute oben an Deck angespannt warteten, suchten Jamil und sein Bruder gemeinsam einen Weg durch das Wasser. Glücklicherweise wurde es direkt hinter den großen Felsen, gegen die das Schiff getrieben war, so flach, dass sie dort stehen konnten. Andere folgten ihrem Beispiel.

      Sie reichten die Kinder von Arm zu Arm, halfen den Frauen und Alten und waren alle durchgefroren und erschöpft, als sie endlich den Strand erreichten.

      Die alte Yesima hielt sich resolut auf den Beinen, als sie, gefolgt von ihren Töchtern, die Bucht hinauf in die sanfte, große Senke zwischen zwei Hügeln schritten. Sie kostete von dem Wasser des Baches, der an einer Seite der Senke zur Bucht hinunter plätscherte und nickte dann wohlwollend.

      Jamils Blick wurde bereits von der Tiefe des nahen Waldes angezogen. Nach der langen Zeit auf dem Schiff trug ihm der Wind jetzt den Geruch von nasser Erde und grünen Bäumen entgegen. Es lockte ihn, zwischen die Baumriesen zu treten und die fremde Natur zu erkunden.

      Doch zunächst verhinderten das seine Pflichten als erster Sohn des Rätors. Die Seherin zog unter dem Blick der Versammelten siebzig Seelen einige Knochen aus einem nassen Beutel und befragte die Götter, während die Schiffbrüchigen angespannt vor dem friedlich wirkenden Wald in der Senke warteten.

      Yesima warf die Tierknochen auf ihr Tuch, murmelte heilige Formeln und kniete sich auf die Erde. Im nächsten Moment sackte ihr der Kopf auf die Brust und sie zitterte, schwankte und flüsterte.

      Jamil stand schräg hinter ihr und konnte sehen, dass ihre Augen nur noch das Weiße zeigten. Alle hielten den Atem an, als sie sich endlich wieder aufrichtete und an ihre Schützlinge wandte.

      »Dieses Land ist den Göttern genehm! Sie geben uns ihren Segen und werden uns schützen, wenn wir hier siedeln. Doch wir müssen möglichst bald einen Schrein für sie errichten, denn sie verlangen ein großes Opfer für ihren Schutz auf dem Meer. Nur dank ihrer Hilfe konnten wir die toten Felsinseln und den Sturm überstehen.«

      Ein allgemeines Aufseufzen ging durch die Menge, während Jamil still die Augen verdrehte.

      Als ob man das Schutz nennen könnte, dachte er für sich, erwiderte aber das erleichterte Lächeln seiner Mutter.

      Sie überließen die beiden Töchter der Seherin ihren Gebeten und Jamil wartete neben seinem Vater, um sich mit ihm, Balor und der alten Yesima zu beraten. Aldo starrte mit gerunzelter Stirn auf die bewaldeten Hügel.

      »Wir sollten nach Dörfern suchen, vielleicht kann man uns aufnehmen und helfen«, schlug Jamil vor, da sein Vater keine Anstalten machte, selbst zu sprechen.

      Der Blick der Seherin wurde sofort missbilligend. »Wir brauchen jetzt allen Zuspruch und Schutz der Götter, junger Rätorsohn. Wir dürfen sie nach diesem Sturm nicht erzürnen.«

      »Die Götter würden sicher nicht wollen, dass wir hier verhungern!«, wandte er ein und deutete auf die unterkühlte Gruppe. Siebzig Augenpaare waren auf sie und ihre geheime Unterredung gerichtet.

      Auch Aldo schüttelte den Kopf. »Nein, die Seherin hat recht. Wir bleiben hier und kümmern uns um uns selbst. Hier gibt es Trinkwasser, im Wald sicherlich Wild und in der Bucht Fisch. Ich habe von diesem Land schon von manchen Reisenden gehört. Nichts als Wildnis. Wir sind auf uns allein gestellt.«

      Jamil hielt das für engstirnig. Soweit er von ebendiesen Händlern gehört hatte, reiste niemand hierher, weil das Meer eine sichere Überfahrt eigentlich nie zuließ. Doch alle waren erschöpft und die Schrecken des Überfalls auf Kas’Tiel saßen ihnen auch nach der langen Fahrt noch immer in den Knochen.

       Vielleicht sollten wir uns wirklich erst hier erholen. Ich kann den Vorschlag einer Weiterreise in ein, zwei Wochen erneut einbringen, wenn sie sich nach Zivilisation sehnen.

      »Du kümmerst dich um unsere Versorgung mit Feuerholz und dein Bruder um die Jagd.« Aldo zog eine Augenbraue hoch, doch sein Blick wurde hart, als sein Sohn den Mund öffnete. »Und ich will keine Diskussionen. Ihr macht, was ich euch sage! Und was die Götter wünschen!«

      Jamil spürte den kritischen Blick der Seherin, als er sich widerwillig abwandte und einige Frauen an den Waldrand begleitete. Balor scharte die Männer um sich, die er während der Überfahrt auf den vorausschauenden Befehl ihres Vaters hin schon in Jagdstrategien unterwiesen hatte.

      Nach einem kurzen Zögern betrat Jamil den kühlen Schatten des Waldes. Auch hier hatte der Sturm anscheinend gewütet, denn der Boden war übersät von abgerissenen Ästen. Er ließ seinen Blick wandern, genoss den lebendigen, erdigen Geruch der Natur und fühlte sich augenblicklich wohl. Solche Wälder hatten sie um Kas’Tiel schon lange nicht mehr ihr Eigen nennen können. Das wenige Land außerhalb der Stadtmauern war bewirtschaftet worden – dies hier aber war Wildnis, die sich scheinbar endlos über die Hügel und entlang der Küste zog.

      Jamil riss sich schließlich von der Anziehungskraft des Waldes los und beruhigte die Frauen, die jedes Mal nervös zwischen die Bäume spähten, wenn es irgendwo knackte oder ein Vogel aufflatterte.

      Sie sammelten Feuerholz in dem Waldstück, das an die Senke angrenzte, und kehrten in das Lager zurück.

      Schon bald nach der ersten Mahlzeit an Land erwachten die Lebensgeister der Gruppe. Die Kinder klaubten Steine und Muscheln zum Spielen auf und ihr Lachen erfüllte alle mit einem ersten Hoffnungsschimmer.

      Obwohl der Sturm ihnen schwer zugesetzt hatte, räumten Jamil und seine Freunde noch am Nachmittag alles, was sie bei Ebbe erreichen konnten, aus dem Bauch des Schiffes.

      Zuletzt musste er tauchen, fand noch einiges an Werkzeug und gab dann den Rest vorläufig auf. Farnir zog ihn aus der Luke hoch und einen Moment lang saß er nass an Deck und atmete schwer. Anschließend hielt er stolz die Säge hoch, die er unten im Wasser ertastet hatte und lachte erleichtert.

      Farnir und Felik stimmten mit ein und machten sich daran, aus Brettern eine provisorische Plattform zu zimmern, auf der sie ihre Habseligkeiten treibend an Land bringen würden.

      »Es liegt noch einiges unten, aber dafür müssen wir auf eine besonders niedrige Ebbe hoffen«, meinte Jamil in die Runde, als weitere Männer an Bord kamen, um Sachen aus dem Zwischendeck zu bergen.

      Währenddessen konnte er vom Schiff aus sehen, dass die ersten Zelte zwischen den Hügeln aus Segeltuch improvisiert worden waren.

      Jamil watete mit einem Sack voll feuchter Kleidung auf dem Kopf zurück ans Ufer und holte noch ein paar helfende Hände hinzu, da die Ebbe wohl nicht mehr lange anhalten würde.

      »He! Jamil!«, brüllte Farnir ihm vom Schiff aus zu. Einige Möwen flogen kreischend davon und kreisten aufgebracht über der Bucht. »Bleib ruhig an Land, hörst du! Mach mal Pause!«

      Feliks raues Lachen schallte über die Bucht und Jamil winkte den beiden dankbar zu, bevor er das Bündel zum Lager trug. Er spürte den Blick von Yesimas Tochter auf sich ruhen, als er den Stoff auseinanderschlug und sich trockene Kleidung überstreifte, ignorierte ihre neugierigen Augen aber.

      Jamils Bruder und seine Jäger erlegten in der Abenddämmerung einen Hirsch, was die Seherin als gutes Omen deutete. Balor brüstete

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