Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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Regen peitschte über das Schiffsdeck, auf dem die Männer bereits verbissen gegen den Sturm kämpften.

      Jede der großen Wogen spülte salzige Gischt um ihre Füße und schlug donnernd über die Reling. Jamil klammerte sich in das Tauwerk, als eine neue Welle ihm die Füße von den Planken riss.

      Seit fünf Wochen waren sie auf hoher See, hatten alle auf härteste Weise das Überleben an Bord erlernen und die traumatische Flucht vorerst verdrängen müssen. Zuerst waren die Furcht vor Verfolgung und die schrecklichen Träume ihr Feind gewesen, danach der Durst – jetzt lieferte der Sturm ihnen mehr als genug Trinkwasser, ohne dass sie es nutzen konnten.

      Jamil hielt nach seinem Vater und Bruder Ausschau, doch Gischt und Regen verwischten jede Gestalt an Deck zu undeutlichen dunklen Schemen. Gemeinsam mit dem alten Moleno verknotete er einige lose Taue, war jedoch wie die anderen die meiste Zeit damit beschäftigt, sich irgendwo festzuklammern.

      Nach einer Weile ließ der Regen endlich etwas nach und ein heller Streifen zeigte sich am Horizont. Ein Riss in der Wolkendecke, der auf besseres Wetter hoffen ließ.

      Der Streifen blieb jedoch seltsam starr und an der gleichen Stelle … Jamil kniff die Augen zusammen, bevor er ächzte.

      Eine Küste! Sie tauchte vor ihnen im wogenden Meer auf und verschwand wieder. Als er sie das nächste Mal durch den Regen sehen konnte, war sie schon beängstigend nah.

      Die Männer brüllten gegen den Sturm an, der das Schiff und seine Besatzung unerbittlich mit sich riss. Unter Deck konnte Jamil die Frauen und Kinder weinen hören, während die Männer versuchten, das Schiff unter Kontrolle zu bringen.

      »Holt die Segel ein! Wir müssen an Fahrt verlieren!«, schrie Jamil und hörte, wie sein Bruder fast zeitgleich den Befehl weitergab. Auch er hatte den Küstenstreifen entdeckt. Jeder an Deck kämpfte gegen den Wind und Seegang, doch es war unmöglich, die Segel zu reffen.

      »Kappt die Seile!«, brüllte ihr Vater und Jamil zückte sein Messer. Nach einer viel zu langen Zeit fielen die Segel krachend auf die Planken. Der Sturm heulte und drückte sie dennoch unerbittlich mit den Wellen weiter.

      Ein losgerissenes, dickes Tau peitschte knapp an Jamils Kopf vorbei, riss seinen Nebenmann von den Füßen. Er hangelte sich zu dem alten Mann, zog ihn ächzend wieder auf die Beine und hielt ihn fest, als das Deck sich senkte und im nächsten Wellental verschwand.

      In der Strömung vor der Küste wurde das Schiff plötzlich gedreht und seitwärts von den Wellen weitergeschoben … Aldo schrie seinen Söhnen etwas zu, aber sie konnten durch das laute Tosen des Sturms kein Wort verstehen.

      Eine Klippe tauchte hinter einigen Wellenkämmen auf und ragte wie eine gigantische Tempelmauer vor ihnen in die Höhe. Jamil packte den Alten fester.

      Im nächsten Moment erzitterte das Schiff, als es krachend gegen die Felsen vor der Klippe schlug. Die Gestalten an Deck wurden allesamt zu Boden gerissen, Jamil bekam einen Hieb in den Rücken, als er gegen die Reling geschleudert wurde. Der Mast über ihnen schwankte bedrohlich, während sich der Rumpf mit dem donnernden Knirschen von splitternden Balken festsetzte.

      Der Wind heulte weiter, als wäre nichts passiert … und einen kurzen Augenblick war nur der Sturm zu hören, bevor andere Geräusche an Jamils Ohr drangen.

      Schreie wurden im Schiffsbauch laut. Er überließ den alten Tirin sich selbst und schlitterte über das nasse Deck zur Luke. Balor eilte ihm von Steuerbord entgegen und gemeinsam wuchteten sie die schweren Türen auf.

      Unten breitete sich Panik aus, da Wasser in der Dunkelheit eindrang. Jamil sah im Schein der wenigen Öllampen, wie es schwarzem Pech gleich zwischen ihren Füßen anstieg.

      »Beruhigt euch!«, rief Jamil über den Sturm und das Weinen der Kinder hinweg. »Wir holen euch raus!«

      Er wollte noch mehr sagen, aber sein Bruder stürzte von der Luke weg.

      »Wir müssen an Land!«, brüllte Balor gegen den Wind und schwang sich schon über die Reling. Jamil packte ihn bei den Schultern und starrte fest in die panischen Augen seines Bruders. Es kostete ihn all seine Kraft, Balor davon abzuhalten, sich über Bord zu stürzen.

      »Sei kein Narr! Die Wellen sind viel zu hoch, sie werden dich gegen die Felsen schlagen und du ertrinkst!«

      Balor wehrte sich noch kurz gegen seinen Griff, wurde jedoch bereits von Jamils erzwungener Ruhe angesteckt.

      »Wir müssen durchhalten. Das Schiff sitzt fest, aber das bedeutet auch, dass wir nicht sinken können! Komm schon, wir haben die letzten Wochen auf dem Meer überlebt, da schaffen wir das auch! Geh zu Vater und zählt alle durch! Wir müssen wissen, ob jemand über Bord gegangen ist.«

      Sein jüngerer Bruder nickte kantig und eilte davon. Jamil atmete tief durch, dann entdeckte er die beiden Schmiedelehrlinge Farnir und Felik, die sich noch immer an ein Seil klammerten.

      Sie sahen ihn an wie einen Geist. Jamil hatte einen Moment lang das Gefühl, er sei bisher der einzige, der erkannt hatte, dass sie nicht ertrinken würden.

      »Reißt euch zusammen! Wir sind alle keine Seeleute, aber es ist bald vorbei!«, sagte er etwas barscher als nötig, löste Farnirs schwielige Finger vom Seil und zog ihn auf die Beine. Dann endlich folgten die beiden ihm zurück zur Luke. Einige andere hatten sich mittlerweile ebenfalls beruhigt und schlossen sich an.

      Jamil rutschte die steile, nasse Treppe hinab und spürte den Griff seiner Mutter, die ihre dünnen Hände um seinen Arm klammerte. Auch andere Frauen packten ihn angsterfüllt.

      »Bringt alle Kinder nach oben!«, rief er seiner Mutter zu, schnappte sich eine der Öllampen und watete durch das steigende, schwarze Wasser zur geborstenen Schiffswand, aus der das salzige Nass unerbittlich ins Schiff sprudelte.

      »Wir müssen alles ins Zwischendeck oder nach oben unter das Segel bringen, was nicht völlig durchnässen soll!«, rief er in die Runde und ergriff einen Eimer, der im Wasser trieb. Jamils Mutter wirkte zwar noch immer verängstigt, doch sie folgte seinem Beispiel und beorderte die anderen Frauen, den restlichen Proviant und andere Dinge vor dem Wasser in Sicherheit zu bringen.

      Sie zerrten alles aus den Ladungsnetzen und reichten es zur Luke, durch die gerade die Kinder hinaufgezogen wurden. Bei mehreren konnte er dunkelrote Flecken erahnen, auch einige Frauen wirkten stark mitgenommen, da der Sturm sie gegen die Ladung geworfen hatte.

      Oben polterten Schritte laut über das Deck und Jamil hörte seinen Vater, der befahl, das heruntergeschnittene Segel zur Seite zu räumen.

      Obwohl sie den Sturm überlebt hatten, wurde es eine der längsten Nächte ihres Lebens. Das Wasser drang an etlichen Stellen in den Bauch des Schiffes, das ihre einzigen Habseligkeiten beherbergte. Die Kinder wurden in dem schmalen Zwischendeck in die wenigen noch trockenen Stoffdecken gewickelt, doch unter ihnen war der Kampf gegen das Wasser aussichtslos. Vieles musste in der Dunkelheit bleiben, da sie es bei all dem Regen und nassen Holz nicht hinauf bekamen oder es ohnehin nur von Bord gespült worden wäre.

      In einem kleinen Moment der Ruhe spähte Jamil durch die Regenschwaden auf das Land. Rechts und links ragten schroffe, schwarze Klippen in die Höhe, die im schwachen Dämmerlicht gar kein Ende zu nehmen schienen. Doch vor ihnen öffnete sich diese Wand zu einer Bucht. Jamil konnte durch den grauen Regen einen aufgewühlten kleinen Strand erkennen, auf den die Wellen mit weiß leuchtendem Schaum einschlugen.

      Erst am Morgen flaute der Wind

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