Das letzte Schuljahr. Wilfried Baumannn

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Das letzte Schuljahr - Wilfried Baumannn

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Vater unterbrach, der neu in das Elternaktiv gewählt werden sollte und Mitglied der SED war:

      „Wissen Sie, Frau Sanam, damit haben Sie aber Herrn Müller einen denkbar schlechten Dienst erwiesen.“

      Frau Sanam, aber auch die übrigen Eltern reagierten nicht auf diese Bemerkung. Hatten die Väter und Mütter etwa Angst, sich zu äußern? Der Mann, der es gewagt hatte, gegen das Auftreten der Direktorin Stellung zu beziehen, war Leiter eines Berliner Baukombinates, der es gewohnt war, offen seine Meinung zu sagen.

      Die nachfolgende Elternaktivwahl war dann nur noch eine Farce. Dem Klassenelternaktiv gehörte nun auch der Neue an.

      Elternaktivvorsitzende wurde die Mutter von Frank Zahrich, seinem naturwissenschaftlichen Talent.

      Carolin sah ihrem Mann sofort an, dass der Elternabend nicht so gelaufen war, wie er ihn vorbereitet hatte. Vorsorglich hatte sie das Abendessen schon eingedeckt.

      „Stell dir vor,“ sagte sie zu ihm, „heute treffe ich doch unseren Nachbarn, Herrn Chemnitzer auf der Treppe, grüße ihn freundlich, um seiner muffligen Art ein wenig zuvorzukommen, da sagt der doch zu mir: ,Ihr Mann kann in den Westen fahren. Ich habe gut für ihn gesprochen.’“

      „Da schnüffeln die also noch im Haus herum, was für einer man ist? Unfassbar!

      Wenn nun jemand sauer auf dich ist und dich verleumdet, könntest du also niemals eine Reiserlaubnis bekommen. Deshalb konnte wohl auch unsere Freundin Luise nicht zu ihrem Vater nach Westberlin fahren. Trotzdem ist es gut zu hören, dass Chemnitzer für mich gesprochen hat.

      Wer weiß, wen die noch nach mir befragt haben.

      Aber ich will dir vom Elternabend berichten.“

      Carolin schüttelte nur den Kopf. Sie hatte jahrelang im Elternaktiv der Klasse ihres Sohnes Michael mitgewirkt und schon einiges an der anderen Schule miterlebt, aber so einen offensichtlichen Affront gegen den Klassenleiter während eines Elternabends von Seiten eines anderen Pädagogen hatte sie noch nie beobachtet.

      Müller nahm sich am darauf folgenden Tage vor, mit der SGL-Vorsitzenden, Jutta Mofang, über diese Angelegenheit zu sprechen. Es war die einzige Kollegin, der er etwas anvertrauen konnte, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass es im nächsten Moment schon die Schulleitung erfuhr.

      Als er am Direktorenzimmer vorbei zu Mofangs Biologieraum gehen wollte, bemerkte er zu seinem Erstaunen einige Schülerinnen seiner Klasse, die aus dem Zimmer von Frau Sanam kamen.

      „Nanu, was habt ihr denn angestellt?“

      „Frau Sanam wollte mit uns noch einiges besprechen für den Schülervortrag in Deutsch.“

      „Aha“, erwiderte Müller und maß diesem harmlos wirkenden Vorfall nicht die Bedeutung bei, die er verdient hätte.

      Er fand Jutta Mofang auf einem Stuhl im Biologievorbereitungsraum zwischen Apparaturen, anatomischen Anschauungskarten, einem Skelett aus Gips, in Spiritus eingemachten Schlangen und anderen Reptilien sitzend, den Kopf auf die Hände gestützt, vor. Müller erkannte sofort, dass hier sein Problem das Kleinere war

      „Was ist denn mit dir geschehen?“, fragte er anteilnehmend.

      Da brach alles aus ihr heraus:

      „Diese gemeine Person, diese Sanam! Hast du schon einmal beobachtet, dass mein Kurt zufällig immer zur gleichen Zeit seine Freistunden hat wie die Silke Pretorius?“

      Ja, das war ihm auch schon aufgefallen. Des Öfteren saßen sie allein zusammen im Lehrerzimmer, während die anderen Kollegen unterrichteten.

      „Heute bin ich bei der Sanam gewesen und habe sie gebeten, sie möchte doch die Freistundenzeiten meines Mannes ändern, da es in der letzten Zeit schon einige Eheprobleme gegeben hatte. Da antwortete sie mir in einem Ton, der das Blut im Körper erstarren ließ: Wegen dieser Lappalie ändere ich doch nicht den Stundenplan. Frau Mofang, machen Sie Ihre Arbeit anständig, da kommt man wenigstens nicht auf dumme Gedanken.’

      Darauf knallte sie ihre Tür zu und ließ sie mich einfach stehen.“

      Jutta schluchzte verzweifelt.

      Müller konnte nicht fassen, was er da hörte. Sollte hier in ganz widerwärtiger Absicht eine Ehe auseinander gebracht werden? Jutta war menschlich und kümmerte sich ernsthaft um die Probleme ihrer Kollegen. Vielleicht war sie deshalb der Chefin suspekt?

      Gleichzeitig aber verwarf er diesen Gedanken wieder, da er sich von seiner eigenen inneren Haltung her so viel Niedertracht nicht vorstellen konnte. Dabei war Frau Sanam seit dem Elternabend auch bei ihm schon an der Arbeit. Die Direktorin hatte mit seinen Mädchen nicht nur den Schülervortrag in Deutsch besprochen. Er sollte es bald erfahren.

      Müller sprach Jutta Mut zu. Sie brauchte das.

      „Hoffentlich möbelt mich die Kur etwas auf und bringt mich auf andere Gedanken“, sagte sie unvermittelt.

      „Du fährst zur Kur? Da ist er ja ganz allein zu Hause.“

      „Nein, unsere Tochter wohnt ja noch bei uns, und der Sohn kommt ebenfalls sehr oft nach Hause. Außerdem soll so eine zeitweilige Trennung auch ganz gut sein für eine Ehe. Übrigens, die Jutta Schatz fährt auch dorthin nach Schmiedefeld. Da ist man wenigstens nicht ganz allein.“

      Jutta Schatz war eine kleine, freundliche Person, studierte Unterstufenlehrerin, stellvertretende Direktorin für Außerunterrichtliche Tätigkeit, SED-Mitglied, verantwortlich für die Organisation offizieller Schulfeierlichkeiten, der Schulmesse, Arbeitsgemeinschaften, den Schülersommer (einer freiwilligen produktiven Tätigkeit von Schülern während der Sommerferien in irgendeinem Volkseigenen Betrieb) und die Betreuung der sowjetischen Kollegen und Schüler - sprich Komsomolzen -, die nach dem im Jahre 1971 abgeschlossenen Patenschaftsvertrag mit einer Moskauer Schule regelmäßig alle zwei Jahre im Schüleraustausch nach Berlin kamen.

      Jutta Schatz hatte ein ausgesprochenes Organisationstalent. Müller bereitete mit ihr gern das große Weihnachtskonzert vor, das offiziell Solidaritätskonzert genannt wurde, da der Verkaufserlös der von den Kindern der einzelnen Klassen auf den Klassenbasaren verhökerten Dinge wie Bastelarbeiten, Büchern, Naschereien und anderem auf das Solidaritätskonto des Berliner Rundfunks „Dem Frieden die Freiheit“ eingezahlt wurde. Das Programm begann dann auch stets mit den ersten Takten des b-Moll-Klavierkonzertes von Tschaikowski. Dann entfaltete sich ein weihnachtliches Stimmungsbild mit Rezitationen, Weihnachtsliedern, in denen die christlichen Inhalte meist fehlten, die durch „Lichter“, „Tannenbaum“, „Schnee“ und „Frieden“ ersetzt wurden, Instrumentalvorspielen und anschließender Bekanntgabe der erreichten Solidaritätssumme, mit der das Programm endete.

      Für das eingezahlte Geld wurde im Berliner Rundfunk der Wunschtitel der Schule gespielt.

      Jutta Mofang fuhr mit ihrer Namensvetterin zur Kur, mit einem Mitglied der Schulleitung also. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Frau Sanam mit Jutta Schatz ein Gespräch unter vier Augen geführt hatte, das kurz und eindeutig war:

      „Genossin Schatz, du berichtest mir von eurer Kur, nicht wahr?“

      Sehr zum Ärger der Direktorin zeigte Genossin Schatz keinerlei Reaktion auf dieses Ansinnen.

      „Wann fährst du zur Kur, Jutta?“, erkundigte sich Müller.

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