Oblomow. Iwan Gontscharow

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Oblomow - Iwan Gontscharow

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und an jedem regen Interesse. Ein Gedanke flog wie ein freier Vogel über sein Gesicht, flatterte in den Augen umher, setzte sich auf die halbgeöffneten Lippen, versteckte sich in den Falten der Stirn, ging darauf ganz verloren, und dann verbreitete sich über sein ganzes Gesicht die warme, gleichmäßige Helle der Sorglosigkeit. Von dem Gesichte ging diese Sorglosigkeit auf die Haltung des ganzen Körpers über, sogar auf die Falten des Schlafrocks.

      Manchmal verdunkelte sich sein Blick durch einen Ausdruck von Müdigkeit oder Langeweile; aber weder die Müdigkeit noch die Langeweile vermochten auch nur für einen Augenblick von seinem Gesichte die Weichheit zu verscheuchen, die der herrschende Zug, der Grundzug nicht nur seines Gesichtes, sondern auch seiner ganzen Seele war; seine Seele aber leuchtete hell und offen in seinen Augen, in seinem Lächeln, in jeder Bewegung des Kopfes und der Hände. Auch ein kühler, flüchtiger Beobachter würde, wenn er Oblomow im Vorbeigehen angeblickt hätte, gesagt haben: »Das muß ein guter Kerl, eine treue Seele sein!« Ein Mensch mit tieferem Blicke und wärmerem Herzen würde ihm lange ins Gesicht geschaut haben und, in angenehmes Sinnen versunken, mit einem Lächeln auf den Lippen weitergegangen sein.

      Ilja Iljitschs Gesichtsfarbe war weder frisch und rot, noch auch gebräunt, noch auch geradezu blaß, sondern von unbestimmtem Charakter, oder wenigstens machte sie diesen Eindruck, vielleicht weil Oblomow in einer seinen Jahren gar nicht entsprechenden Weise aufgedunsen war: sei es infolge des Mangels an Bewegung, sei es infolge des Mangels an frischer Luft, vielleicht auch aus beiden Gründen. Überhaupt schien sein Körper, nach der matten, übermäßig weißen Farbe des Halses, den kleinen fleischigen Händen und den weichen Schultern zu urteilen, für eine Mannsperson gar zu sehr verzärtelt zu sein.

      Seine Bewegungen wurden, selbst wenn er erregt war, durch eine gewisse Weichheit und durch eine einer eigenartigen Anmut nicht entbehrende Lässigkeit gemäßigt. Wenn eine Sorgenwolke aus seiner Seele über sein Gesicht dahinlief, so umflorte sich sein Blick; auf der Stirn erschienen Falten; Zweifel, Trauer und Besorgnis spielten auf seinem Gesichte; aber nur selten verdichtete sich diese Unruhe in Form einer bestimmten Idee, noch seltener verwandelte sie sich in einen Vorsatz. Die ganze Unruhe endete mit einem Seufzer und erstarb in Apathie oder in einem Zustande des Halbschlafs.

      Oblomows häusliche Tracht stimmte vollkommen zu seinen ruhigen Gesichtszügen und zu seinem verzärtelten Körper. Er trug einen Schlafrock von persischem Stoffe, einen echt orientalischen Schlafrock, ohne die geringste Anlehnung an die europäische Mode, ohne Troddeln, ohne Samt, ohne Taille, von gewaltiger Weite, so daß Oblomow sich zweimal in ihn einwickeln konnte. Die Ärmel wurden nach der unveränderlichen asiatischen Mode von den Fingern bis zu den Schultern immer weiter. Obgleich dieser Schlafrock seine ursprüngliche Frische eingebüßt und stellenweise seinen anfänglichen natürlichen Glanz mit einem andern, ehrlich erworbenen vertauscht hatte, so bewahrte er doch noch die Lebhaftigkeit der orientalischen Farbe, und das dauerhafte Gewebe war noch unversehrt.

      Dieser Schlafrock besaß in Oblomows Augen eine Unmenge unschätzbarer Vorzüge: er war weich und schmiegsam; der Körper fühlte ihn nicht an sich; er fügte sich wie ein gehorsamer Sklave der geringsten Bewegung des Körpers.

      Oblomow ging zu Hause immer ohne Krawatte und ohne Weste; denn er liebte Bequemlichkeit und Behaglichkeit. Seine Pantoffeln waren lang, weich und weit; wenn er, ohne hinzusehen, die Beine vom Bette herunternahm und auf den Fußboden setzte, so fuhr er mit Sicherheit in beide Pantoffeln gleichzeitig hinein.

      Das Liegen war bei Ilja Iljitsch weder etwas Notwendiges wie bei einem Kranken oder bei jemand, der schlafen will, noch auch etwas Zufälliges wie bei jemand, der müde geworden ist, noch auch etwas Genußreiches wie bei einem Faulpelz; sondern es war dies sein normaler Zustand. Wenn er zu Hause war (und er war fast immer zu Hause), so lag er stets; und zwar lag er beständig in ein und demselben Zimmer, in dem wir ihn gefunden haben, und das ihm als Schlafzimmer, Wohnzimmer und Salon diente. Er hatte noch drei andre Zimmer; aber in diese warf er nur selten einen Blick, höchstens des Morgens, und auch das nicht alle Tage, sondern nur, wenn sein Diener das Wohnzimmer ausfegte, was nicht täglich geschah. In jenen Zimmern steckten die Möbel in Überzügen, und die Rouleaus waren herabgelassen.

      Das Zimmer, in dem Ilja Iljitsch lag, konnte auf den ersten Blick schön eingerichtet scheinen. Es standen dort ein Mahagoni-Schreibtisch, zwei mit Seidenstoff bezogene Sofas und ein hübscher Bettschirm mit gestickten, in der Natur nicht vorkommenden Vögeln und Früchten. Es waren dort seidene Vorhänge, Teppiche, einige Bilder, Bronzen, Porzellanfiguren und eine Menge netter Nippsachen.

      Aber das erfahrene Auge eines Menschen mit reinem Geschmack hätte schon bei einem einzigen flüchtigen Blicke auf alles, was da war, erkannt, daß lediglich der Wunsch zugrunde lag, einigermaßen das Dekorum des unvermeidlichen Anstandes zu bewahren, sich irgendwie mit ihm abzufinden. Nur darauf war sicherlich Oblomows Tätigkeit gerichtet gewesen, als er sein Wohnzimmer einrichtete. Ein verfeinerter Geschmack hätte sich nicht mit diesen schweren, plumpen Mahagonistühlen und mit diesen wackeligen Etageren begnügt. An dem einen Sofa hatte sich die Rückenlehne gesenkt und das aufgeleimte Holz hatte sich stellenweise losgelöst. Ganz denselben Charakter trugen auch die Bilder und die Vasen und die Nippsachen.

      Der Eigentümer selbst jedoch blickte auf die Einrichtung seines Wohnzimmers so kühl und zerstreut, als ob er mit den Augen fragen wollte: »Wer hat denn das alles hierher geschleppt und aufgestellt?« Infolge dieses kühlen Verhaltens Oblomows zu seinem Eigentum und vielleicht auch infolge des noch kühleren Verhaltens seines Dieners Sachar zu diesen selben Gegenständen befremdete denn auch der Anblick des Wohnzimmers einen jeden, der es genauer betrachtete, durch die darin herrschende Unordnung und Verwahrlosung.

      An den Wänden und um die Bilder hingen, nach Art von Festons, ganz mit Staub bedeckte Spinnweben; statt die Gegenstände zu reflektieren, hätten die Spiegel eher als Tafeln dienen können, um auf ihnen im Staube Notizen zur Unterstützung des Gedächtnisses niederzuschreiben. Die Teppiche wiesen zahlreiche Flecke auf. Auf dem einen Sofa lag ein vergessenes Handtuch; es war eine Seltenheit, wenn morgens das Abendessen des vorhergehenden Tages vom Tische ordentlich abgeräumt war und nicht noch ein Teller mit einem Salzfäßchen und einem abgenagten Knochen darauf stand und Brotkrumen umherlagen.

      Wäre nicht dieser Teller dagewesen und die am Bette lehnende soeben ausgerauchte Pfeife und der im Bette liegende Hausherr selbst, so hätte man denken können, daß hier niemand wohne – so verstaubt, verblichen und überhaupt so ohne jede Spur der Anwesenheit eines menschlichen Wesens sah alles aus. Auf den Etageren lagen allerdings zwei oder drei aufgeschlagene Bücher, auch trieb sich da eine Zeitung umher, und auf dem Schreibtisch stand ein Tintenfaß mit Federn; aber die Seiten, bei denen die Bücher aufgeschlagen waren, waren mit Staub bedeckt und vergilbt; die betreffende Zeitungsnummer stammte aus dem vorigen Jahre, und aus dem Tintenfaß wäre, wenn man eine Feder hineingesteckt hätte, höchstens eine erschrockene Fliege herausgesummt.

      Ilja Iljitsch war gegen seine Gewohnheit sehr früh aufgewacht, um acht Uhr. Es war da etwas, was ihn stark beunruhigte. Auf seinem Gesichte prägte sich abwechselnd bald Furcht, bald Verdruß und Ärger aus. Es war deutlich, daß in seinem Innern ein Kampf stattfand, und daß der Verstand dabei noch nicht zu Hilfe gekommen war.

      Die Sache war die, daß Oblomow am vorhergehenden Tage von seinem Gute einen Brief seines Dorfschulzen erhalten hatte, einen Brief mit recht unangenehmem Inhalt. Man weiß ja, was das für Unannehmlichkeiten sind, von denen so ein Dorfschulze schreiben kann: Mißernte, rückständige Zahlungen, Verringerung der Einnahme und so weiter. Obgleich der Dorfschulze auch im vorigen und im vorvorigen Jahre seinem Herrn genau ebensolche Briefe geschrieben hatte, wirkte doch auch dieser letzte Brief so stark, wie eben jede unangenehme Überraschung wirkt.

      Und es war ja auch eine schwere Aufgabe: er mußte über die Mittel zur Ergreifung irgendwelcher Maßregeln nachdenken. Übrigens muß man der Sorgfalt, die Ilja Iljitsch seinen geschäftlichen Angelegenheiten widmete, Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er hatte schon aus Anlaß des ersten unangenehmen Briefes, den er von

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