Harlekin im Regen. Monika Kunze

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Harlekin im Regen - Monika Kunze страница 2

Автор:
Серия:
Издательство:
Harlekin im Regen - Monika Kunze

Скачать книгу

Häufchen Unterwäsche, an der Tür stieß sie sich den Fuß an einer leeren Flasche, die sich schaukelnd zu drehen begann, als sie ihr einen leichten Tritt versetzte. Neben dem leeren Aschenbecher lagen vertrocknete Apfelsinenschalen. Anscheinend bemerkte sie heute mehr und andere Dinge als sonst.

      Im Bad duftete es nach Parfüm.

      „Schanel Numero fünf“, hatte Conny verächtlich durch die Zähne genuschelt und gegrinst, „wenn sich deine Mutter noch so teures Zeug leisten kann, dann könnt ihr wohl so arm nicht sein!“

      Der Freundin war es meistens egal, ob ihre Worte jemandem weh taten oder nicht.

      In den Ruf der Armut waren Beatrix und ihre Mutter gekommen, weil es sich in der Schule schnell herumgesprochen hatte, dass Regina Riedel „allein erziehend“ und „auch noch arbeitslos“ war. Wenigstens fragte nach dem Vater niemand. Bea konnte sich sowieso nicht erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. Ihrer Freundin hatte sie irgendwann das Foto von einem Tierfilmer vor die Nase gehalten.

      "Er arbeitet in Afrika", hatte sie stolz verkündet.

      Aber was tat Conny? Nicht etwa, dass sie vor Staunen Mund und Nase aufgesperrt hätte. Nein, sie verdrehte die Augen und begann leise zu kichern, Dann nickte sie, verzog abschätzig den Mund und zischte leise: "Aha, Afrika …"

      Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass sie Bea kein Wort glaubte, sondern einfach nur losstiefelte und die Tür zuknallte.

      An dem Tag nahm sich Beatrix vor, ihrer Freundin überhaupt nichts mehr zu erzählen. Jedenfalls nichts Wichtiges.

      Auch ihr allergrößtes Geheimnis würde sie für sich behalten. Was ging es denn Conny auch an, dass Regina Riedel in Wahrheit doch manchmal arbeitete. Meist vormittags. Wegen der Schule, hatte sie gesagt. Doch auch abends war sie schon unterwegs gewesen, hin und wieder klingelte das Telefon sogar nachts. In dem Falle war sie lange Zeit nie aus dem Haus gegangen, ohne sich von Beatrix zu verabschieden.

      „Ich muss noch mal los, Kleines, schlafe schön!“

      Die geflüsterten Worte das Streicheln und der Kuss auf die Wange waren manchmal bis in Beas Träume vorgedrungen. Aber ehrlich gesagt: Dieses schöne Ritual war schon lange nicht mehr vorgekommen.

      Mit einem Mal fühlte sich Beatrix ganz verloren. Am liebsten hätte sie laut losgeheult, aber dazu war sie wohl doch schon zu groß. Mit klopfendem Herzen und wieder stärker werdendem Bauchweh zog sie sich auf ihre „Insel“ zurück. Im Kinderzimmer setzte sie sich aufs Bett, hüllte sich in ihre riesige blaue Decke mit den unzähligen Sternen ein, zog die Beine an die Brust, umschlang ihre Knie und ließ ihren Kopf darauf sinken. Doch das herbei gewünschte kuschelige Gefühl der Geborgenheit wollte sich diesmal einfach nicht einstellen. Nicht einmal dann, als sie die Augen ganz fest schloss.

      Was war das? Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken. Sie hob den Kopf und lauschte, aber nichts rührte sich mehr. War etwa eine Tür ins Schloss gefallen? Sie lauschte noch angestrengter, aber alles blieb still. Da ließ eine unbestimmte Ahnung sie erschauern …

      Heftig warf sie den blauen Sternenhimmel weit von sich, sprang auf und stolperte atemlos ins Schlafzimmer. Der Fellhocker vor dem Spiegel war leer. Nirgends mehr eine Spur von Regina, der Königin.

      Als Beatrix mit gesenktem Kopf an der Flurgarderobe vorbei schlich, entdeckte sie den Zettel: Wollte dich auf deiner Insel nicht stören, bin bald zurück, mein Kleines, mach´ es dir gemütlich! Mama.

      Hatte denn ihre Mutter überhaupt nach ihr gesehen? Bea konnte sich nicht erinnern. Wütend zerknüllte sie das Blatt Papier in ihrer heißen Hand.

      „Von wegen Abendessen in einem guten Restaurant! Träum weiter Baby!" Bea hatte laut gedacht und erschrak über den rauen, höhnischen Klang ihrer sonst viel zu leisen Stimme. Wie die Werner, dachte sie müde. Wenn diese Lehrerin nämlich ihre Schülerin beim Träumen erwischte, dann schleuderte sie der Übeltäterin auch solche Worte von oben herab an den Kopf: „Schlaf ruhig weiter, du wirst schon sehen, wie dein Zeugnis beim Abschluss glänzen wird!“

      Beatrix stieß mit dem Fuß nun absichtlich und vor allem heftig gegen die Flasche im Wohnzimmer.

      „Gemütlich!“ Das Wort fuhr ihr böse durch die Zahnspange. Mit dem Fußtritt und dem langsamen Austrudeln der Flasche schien ihre Wut jedoch immer mehr in sich zusammenzufallen. Denn jetzt verspürte sie etwas ganz anderes: Hunger.

      Im Kühlschrank fand sie eine Fischbüchse und zwei Flaschen Sekt, im Brotkasten noch ein paar Scheiben vom Vortag, mit leicht nach oben gebogenem Rand.

      Ungeduldig kramte sie im Küchenschrank nach dem Büchsenöffner.

      „Wo ist denn nur dieses vermaledeite Ding?“

      Das komische Wort hatte ihre Großmutter oft gebraucht. Sie war im vorigen Jahr gestorben, aber deren altmodische Wörter lebten in Beatrix fort. Im vorigen Jahr erst? Bea kam es so vor, als läge die schöne Zeit mit Oma Gisela schon viel länger zurück. Aber sie vermisste sie noch immer: Ihre spröde und gleichzeitig liebevolle Art, ihre coolen Sprüche, ihr großes Herz und die kleinen Ohren, die nichts so gut konnten wie Zuhören. Bea hatte keine Scheu, ihr alles zu erzählen. Einen besseren Kummerkasten als Oma gab es auf der ganzen Welt nicht.

      Ganz hinten im Schubfach stießen ihre Finger schließlich auf etwas Kühles, Hartes, Glattes. Der Büchsenöffner? Nein, der hätte sich anders angefühlt. Beatrix erschrak.

      Fast hätte sie ihr Fundstück vergessen. Nun fiel ihr wieder ein, dass sie das perlmuttbesetzte Ding schon vor langer Zeit dort versteckt hatte.

      „Ist ja man bloß´ n Feuerzeug“, hatte Conny mit spöttisch herab gezogenen Mundwinkeln den Fund verhöhnt. Was weißt du schon, hatte Beatrix damals gedacht, aber laut und schnippisch entgegnet: „Na klar, was dachtest du denn?“

      Sie wusste selbst nicht, wozu sie jene Feuerzeugpistole überhaupt aufbewahrt hatte.

      „Ach, da ist ja endlich das vermaledeite Ding!“

      Der Büchsenöffner war gefunden.

      Die Pistole sogleich vergessen.

      Wie hatte die Mutter geschrieben? Mach´ es dir gemütlich!

      Das wollte sie nun tun, aber nicht mit schmutzigen Händen. „Nach dem Stuhlgang – vor dem Essen...“ Na, lassen wir das, der Spruch hatte sie schließlich schon im Kindergarten genervt.

      Nachdem der duftende Schaum von den Händen gespült war, betrachtete sich Beatrix im Spiegel. Aufmerksamer und viel länger als sonst.

      Ihre Finger machten sich unterdessen an ihren unzähligen Zöpfen zu schaffen. Langsam begann sie das mühsame Geflecht zu lösen, die eingeflochtenen bunten Bänder schwebten unbeachtet zu Boden. Doch das offene Haar, durch die vielen kleinen Zöpfchen zu winzigen Wellen geformt, gefiel ihr nicht. Sie nahm die Bürste und begann es Strähne für Strähne zu bearbeiten, bis glänzende Lichter in ihrer dunklen Löwenmähne tanzten. Auf der Konsole, vor dem Spiegel lagen, wie immer, ein paar von Mutters Schminkutensilien. Mit dem Augenbrauenstift zog Beatrix ihre Brauen nach, doch die schwarzen Striche gerieten zu hohen, eckigen Winkeln. Dessen ungeachtet tupfte sie sich noch etwas helle Farbe auf die Augenlider, ein wenig mehr rote auf die Wangen. Die Augen wurden mit schwarzem Kajal umrandet. Nein, das sah zu traurig aus, also noch ein paar Strahlen rings um Augen. Jetzt fehlte nur noch ein knallroter, herzförmiger Mund. Als der geschafft war, tupfte sie noch ein paar

Скачать книгу