Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Rita anonym um 1900

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Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Rita anonym um 1900 gelbe Buchreihe

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Dr. erst um 11 Uhr Unterricht. Aber sie hat schon mit der Sch. geredet, nur wissen wir nicht, wann und wo; in der Pause bestimmt nicht, und während der Stunde ist die Sch. nicht geholt worden.

      1. Juli: Heute gingen wir mit ihr. Gott, sie ist so süß. Liebe Kinder, sagt sie, das ist eine so traurige Sache, in der man auf keinen Grund kommt. Die Sch. behauptet fest und steif, sie war es nicht und seht Kinder, ob sie es tat oder nicht, diese Tage brennen sich ihr unauslöschlich in die Seele ein und die Hella fragte: „Bitte Fr. Dr. geben Sie uns einen Rat, was sollen wir tun, mit ihr reden oder nicht?“ Da sagte sie: Kinder, ich glaube, dass sie nach dieser Sache im nächsten Jahr nicht mehr zu uns kommen wird; ihr tut ein gutes Werk, wenn ihr ihr die letzten Tage erträglich macht. Intim wart Ihr ja nie mit ihr, aber ein paar freundliche Worte schaden euch nicht und können sie stützen. Und ihr 2 habt ein großes Ansehen in der Klasse; euer Beispiel wird gut wirken. Wir gingen bis zur Schule mit ihr und deshalb konnten wir ihr nicht die Hand küssen; aber die Hella sagte ganz laut: Gott, wie himmlisch süß! Sie muss es gehört haben. Aber die Sch. war nicht in der Schule. Der Papa sagt, er ist froh, bis Schulschluss ist, denn ich bin schon ganz verrückt wegen der Geschichte. Aber er ist doch dafür, dass wir, ich und die Hella, etwas zur Sch. sprechen. Und die Mama auch. Nur die Dora sagte: Ja, es ist ganz recht, aber doch ein wenig reserviert.

      5. Juli: Die Sch. war nicht mehr in der Schule. Morgen bekommen wir die Zeugnisse.

      6. Juli: Wir haben furchtbar geweint, ich und die Hella und die Verbenowitsch, weil wir jetzt beinahe drei Monate die Frau Dr. M. nicht sehen werden. Ich habe nur in Geschichte und Naturgeschichte 2, sonst lauter 1. Die Franke sagt: Wer dem Professor Igel-Nigl nicht zu Gesicht sieht, kann lernen, dass er krumm und dumm wird, und er kriegt doch keinen Einser. Der Papa ist sehr zufrieden. Die Dora hat natürlich lauter Einser und die Hella drei Zweier. Und die Lizzi, mir scheint, auch drei oder vier. Der Papa hat uns jeder ein 2 K-Stück geschenkt, die können wir verjuxen, hat er gesagt. Und von der Mama haben wir Spitzenkragen bekommen.

       9. Juli: Wir gehen heuer nach Hainfeld, das ist fein, ich freue mich schon; aber erst am 20., weil der Papa nicht früher Urlaub bekommt und die Mama mag den Papa nicht so lange allein lassen. Überhaupt wegen der paar Tage. Nur leider ist die Hella schon fort, heute früh nach Parsch bei Salzburg; das Wort ist so unangenehm und die Hella geniert sich auch sehr, es zu sagen; wie man einem Ort einen so ordinären Namen geben kann. Sie haben eine ganze Villa gemietet.

      12. Juli: Es ist gräulich fad. Fast jeden Tag habe ich einen Streit mit der Dora, weil sie sich so viel einbildet. Gestern kam der Oswald. Er ist furchtbar fesch, beinahe so groß wie der Papa, das heißt um einen Viertelkopf kleiner, aber der Papa ist eben riesig groß. Und dann hat er eine ganz tiefe Stimme, die hatte er früher nicht. Und die Haare hat er schief abgeteilt, das steht ihm sehr gut. Er behauptet, er bekommt schon einen Schnurrbart, aber das ist nicht wahr; den müsste man doch sehen; fünf Haare sind doch kein Schnurrbart.

      19. Juli: Gott sei Dank, übermorgen fahren wir endlich. Der Papa wollte, die Mama sollte mit uns vorausfahren, aber sie wollte nicht. Aber eigentlich wäre es ganz gut gewesen.

      24. Juli: Wir wohnen nur drei Häuser weit von H. entfernt. Die Ada und ich sind den ganzen Tag beisammen. Und von der Dora ist zufällig eine Schulkollegin da, die sie ganz gut leiden kann, die Rosa Tilofsky. Der Oswald sagt: Hainfeld ist zum bucklig werden fad; er wird sich irgendwo von einem Freund einladen lassen. Hier bleibt er auf keinen Fall die ganzen Ferien. Von der Ada sagt er: „Ländliche Einfalt“. Wenn er wüsste, wie viel die weiß. Und die Rosa T. nennt er einen Wimmerlkomplex, weil sie zwei oder drei Wimmerln hat. Überhaupt hat der Oswald an jedem etwas auszusetzen: Von der Dora sagt er: Sie ist ein grüner Frosch, weil sie immer so blass ist und kalte Hände hat und von mir sagt er: Da kann man überhaupt noch gar nichts sagen: „Das ist noch ein ganz unreifer Embryo.“ Gott sei Dank, weiß ich aus der Naturgeschichte, was ein Embryo ist, nämlich ein kleiner Frosch. „Ich habe mich wütend geärgert und da hat der Papa gesagt: Tröst' dich, er ist auch noch lange kein Mann, sonst wäre er höflicher gegen seine Schwestern und deren Freundinnen.“ Das hat ihn sehr geärgert, und seither redet er kein Wort, wenn die Ada und die Rosa mit uns zusammen sind. Jetzt kommt bald mein Geburtstag, da werde ich, Gott sei Dank, zwölf, und dann noch zwei Jahre, dann bin ich 14; auf das freue ich mich riesig. Heute hat mir die Hella geschrieben zum zweiten Male. Sie fährt im August nach Ungarn zu ihrem Onkel, der hat ein großes Gut, und dort lernt sie reiten.

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