Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Rita anonym um 1900

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Tagebuch eines österreichischen Mädchens um 1901 - Band 129 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Rita anonym um 1900 gelbe Buchreihe

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und kann sich zu Weihnachten etwas anderes wünschen.

       21. April: Wir haben wahnsinnig viel zu lernen. Denn der Herr Landesschulinspektor wird bald kommen. Das ist immer sehr unangenehm. Die Mme. A. sagt zwar: die Inspektion gilt den Lehrkräften und nicht den Schülern. Aber trotzdem ist es auch für die Schülerin gräulich. Erstens weil sie sich blamiert und zweitens die Geschichten, die die Lehrkraft dann hinterdrein macht. Die Dora sagt, eine ungünstige Inspektion kann einem die Note um zwei Grade verschlechtern. Da fällt mir gerade ein, dass ich noch gar nicht geschrieben, warum der Oswald zu Ostern nicht da war. Er durfte nämlich, obwohl er durchaus keine guten Noten hat, nach Pola zur Tante Alma fahren, weil der Richard heuer das letzte Mal in die Ferien kommt. Dann fährt er auf drei Jahre mit dem Dampfer Ozean nach dem Orient oder in die Türkei oder nach Persien, das weiß er noch nicht genau. Wenn der Oswald Lust hat, geht er auch zur Marine in zwei Jahren.

      9. Mai: Heute war der Herr Landesschulinspektor da, zuerst in Naturgeschichte, da kam ich, Gott sei Dank nicht dran, und dann in Deutsch; da kann ich dran, beim Lesen und bei der Inhaltsangabe der wandelnden Glocke. Gott sei Dank hab' ich alles können.

      14. Mai: Heute ist der Geburtstag von der Mama. Wir haben absolut keine Zeit gehabt, ihr etwas zu arbeiten, so haben wir eine wunderbare elektrische Lampe für den Nachttisch gekauft, der Knopf ist eine herabhängende Weintraube und der Ständer ist aus Messing. Sie hat eine große Freude gehabt. Gestern war die Frau v. R. da, das ist eine Freundin der Mama und von der Mama der Hella. Bei der Frau v. R. möchte ich sehr gern Klavierstunden haben, sie gibt nämlich welche, seit ihr Mann, der Major war, gestorben ist, obwohl sie reich ist.

      15. Mai: Das wegen der Inspektion muss doch wahr sein; der Prof. Igel-Nickel sagte heute in der Pause zum Herrn Religionsprofessor: Also jetzt kommt er noch die ganze Woche, und dann sind wir für dieses Jahr sicher. Wir, das heißt natürlich die Lehrkräfte. Aber eigentlich können die Lehrkräfte nicht immer etwas dafür, wenn die Schüler nichts können. Der Oswald sagt zwar, ja es ist einzig und allein ihre Schuld. Ich bin auch froh, wenn die Inspektion vorüber ist. Die Lehrkräfte sind ganz anders, wenn der Herr Inspektor da ist, manche sind besser, manche sind strenger und die Mme. A. sagt: Es ist ihr immer ganz schlecht vor Angst.

      29. Mai: Zu Pfingsten war die Frau Dr. Haslinger aus Hainfeld mit der Ada und den zwei Buben da wegen der Firmung. Am Pfingstsonntag ist auch der Herr Dr. gekommen, und abends sind alle wieder gefahren. Die Ada ist sehr schön, aber sie sieht doch bäuerisch aus. Ich lasse mich auf keinen Fall firmen, wir mussten drei Stunden warten, obwohl der Freitag vor Pfingsten ein sehr feiner Tag ist. Die Dora war gar nicht mit; nur die Mama und ich und die Ada und ihre Mama. Alle Bandl-Frauen glaubten, ich sei auch ein Firmling, weil ich auch weiß angezogen war. Das hat die Ada auch ein bisschen gefuchst. Am Samstag waren wir vor- und nachmittags in der Stadt, weil das der Ada lieber war als auf den Kahlenberg; Sonntag vormittags in Schönbrunn und nachmittags fuhren sie schon weg. Die Uhr, die Ada bekommen hat, war sehr schön, und von der Dora und mir extra ein goldenes Halskettchen. Sie hat sich sehr gefreut, nur hatte sie Sonntagnachmittags gräulich Kopfweh. Weil sie den Stadtlärm nicht gewöhnt ist.

      31. Mai: Die Ada weiß auch schon Verschiedenes, aber nicht alles. Einiges habe ich ihr gesagt. Heuer im Winter hat sich ein Mädchen in H. ins Wasser gestürzt, weil sie ein Kind bekommen sollte. Da waren alle sehr aufgeregt, und da hat ihre Mama einiges gesagt, aber eben nicht alles. Die Ada hat schon einmal gesehen, wie eine Hündin ihre Jungen bekommen hat, aber das hat sie ihrer Mama nicht gesagt; denn die wäre wahrscheinlich sehr böse darüber gewesen. Aber sie konnte nichts dafür, der Hund gehörte dem Herrn, der neben ihnen wohnt, und da hat sie gerade in den Flur gesehen. Und die Ada erwartet es täglich, da sie schon bald 14 Jahre wird. Jedes große Mädel in H. hat einen Verehrer. Die Ada sagt, sobald sie 14 Jahre ist, bekommt sie auch einen; sie weiß schon, wen.

      3. Juni: Heute hat die Ada geschrieben, bei der Mama hat sie sich für die Firmung bedankt, und mir hat sie extra geschrieben. Es ist eigentlich komisch, dass sie nicht mit der Dora gute Freundin geworden ist, sondern mit mir. Aber ich glaube, die Dora redet nicht solche Sachen, höchstens mit ihren Freundinnen im Lyz., besonders mit der Frieda Ertl. Und drum hat die Ada mit mir Freundschaft geschlossen, obwohl ich gerade um zwei Jahre jünger bin. Sie ist wirklich ein liebes Mädel.

      19. Juni: In unserer Klasse kommt fortwährend etwas weg, zuerst die Überschuhe der Fleischer, dann meine neuen Handschuhe und jetzt schon dreimal Geld und heute das neue Täschchen vom Fräulein Steiner. Es war eine große Untersuchung. Aber es ist nicht herausgekommen. Wir glauben alle, es ist die Schmolka. Aber niemand will es sagen. Wir haben heute gar nicht aufgepasst in der Stunde, besonders wie die Sch. um ½12 hinausgegangen ist.

      20. Juni: Auf unserem Klosett hat die Schuldienerin abgefallene Perlen gefunden, aber da sie nichts wusste, hat sie sie auf den Mist geworfen. Ob wirklich die Sch.? das wäre furchtbar gemein. Das Frl. St. ist schrecklich aufgeregt, weil sie das Täschchen von ihrem Bräutigam zum Geburtstag bekommen hat und weil seine Photographie drin war. Eigentlich tut mir aber die Sch. doch leid. Niemand redet mit ihr, obwohl es gar nicht bewiesen ist. Sie ist furchtbar blass und hat immer Tränen in den Augen. Und die Hella meint auch, sie ist es vielleicht doch nicht, denn sie ist einer von den Lieblingen vom Frl. St., und sie hat sie auch sehr gern. Sie trägt ihr immer die Hefte nach Hause.

      22. Juni: Unser Klosett war verstopft, und wie der Schuldiener nachschaute, fand er das Täschchen. Aber was hat das Fräulein davon; sie kann es doch unmöglich mehr brauchen. Wir haben die ganzen Stunden gelacht, so oft wir eins das andere anschauten, und die Lehrkräfte haben furchtbar geschimpft. Nur die Frau Dr. M. sagte: „Ich bitt' Euch, jetzt lacht Euch offen aus über die in jeder Hinsicht unappetitliche Geschichte und dann basta.“

      23. Juni: Heute war ein Skandal. Die Verbenowitsch sammelt die Deutschhefte ab, und wie ihr die Sch. ihr Heft geben will, sagt sie: Bitte das Heft persönlich abzugeben; ich will mit (dann machte sie eine lange Pause) Ihnen nichts zu tun haben. Wir waren alle ganz entsetzt, und die Sch. war so weiß wie die Wand. Um 10 Uhr bat sie, nachhause gehen zu dürfen, weil ihr schlecht sei. Morgen wird jedenfalls ihre Mama kommen.

       24. Juni: Die Mama der Sch. war nicht da. Die Verbenowitsch sagt: Natürlich nicht! Die Sch. war auch nicht da. Die Hella sagt, sie würde so etwas nicht auf sich sitzen lassen, sie würde sich ins Wasser stürzen. Also, eigentlich ins Wasser stürzen, das tut man doch nur aus anderen Gründen. Aber ich würde es meinem Papa sagen, damit er in die Schule geht. Die Franke sagt: Ja, das ist alles recht schön, weil Ihr es nicht getan habt; aber wenn eine es getan hat, dann traut sie sich gar nichts zu sagen zu Hause. Übrigens ist der Vater der Sch. schwer krank, er ist ganz gelähmt und liegt schon seit zwei Jahren im Bett und kann nicht reden.

      27. Juni: Heute sind die Hella und ich mit der Frau Dr. M. gegangen. Eigentlich geht sie nie mit jemanden, aber die Hella ist auf einmal von mir weggerannt und zu der Frau Dr. hin und sagt: Bitte schön, Frau Dr. um Verzeihung, dass ich Sie auf der Gasse belästige; wir müssen Sie sprechen. Und sie war ganz rot dabei. Da sagt die Frau Dr.: „Was ist denn?“ Und die Hella sagt: „Kann man nicht herausbekommen, wer das Täschchen genommen hat? Wenn es die Sch. doch nicht war, so kränkt sie sich zu Tod, wie die Kinder sie behandeln, und wenn sie es war, dann dulden wir sie nicht mehr unter uns.“ Die Hella war wirklich großartig, und die Frau Dr. M. hat sich alles von uns erzählen lassen, auch das von der Verbenowitsch mit den Heften; wir haben deutlich gesehen, sie hatte Tränen in den Augen, und sie sagte: „Das arme Kind! Kinder, ich werde mich ihrer annehmen, das verspreche ich Euch.“ Und wir küssten ihr beide die Hand und mir klopfte das Herz bis zum Hals. Und die Hella sagte: „Sie sind ein Engel.“ So etwas bringe ich nie heraus.

      28. Juni: Heute war die Sch. wieder da, aber die Frau Dr. M. hat nichts gesagt. Wir, die Hella und ich, haben sie fortwährend angeschaut, und die Hella hat sich dreimal geräuspert und da hat die Frau Dr. gesagt: Bruckner, höre doch auf mit deinem Räuspern; davon werden deine Halsschmerzen nur ärger. Aber mir scheint, sie hat dazu mit den Augen gezwinkert. Also vergessen hat

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