Die Midgard-Saga - Niflheim. Alexandra Bauer
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Читать онлайн книгу Die Midgard-Saga - Niflheim - Alexandra Bauer страница 23
Juli ließ den Kopf auf ihren Teller gerichtet und äugte unsicher zu Odin hinüber. „Naja“, raunte sie schließlich, „vielleicht war es ganz gut, dass man sie dem christlichen Glauben unterwarf.“
„Weil der so viel friedlicher ist?“, höhnte Odin. „Wer spricht das? Wohl kaum Trym.“
Juli hob den Blick und begegnete dem Theas. Lange schaute sie ihre Freundin an und Thea wusste, dass sie gerade in ihrem früheren Leben verweilte. Schließlich schüttelte Juli den Kopf. „Nein, Trym mochte seinen Glauben und seine Götter.“
Odin beugte sich ein weiteres Stück vor. Sein Blick ruhte fest auf Juli. „War Trym grausam?“
„Nein!“, rief Juli empört.
„War sein Glaube grausam?“ Odin sprach es langsam und eindringlich aus und Juli presste die Lippen zusammen.
„Nein …“, sagte sie im Bedauern und das Zucken um ihre Mundwinkel ließ jeden im Raum spüren, dass es mit dieser kurzen Antwort noch nicht getan war. Dennoch zögerte sie.
Odin verschränkte die Arme und streckte den Rücken. „Aber?“
Juli wippte die Gabel in ihren Händen und drehte schließlich den Kopf in Odins Richtung. „Du bist ein Kriegsgott, die Christen predigen Frieden.“
Wal-Freya schnappte hörbar nach Luft und Thea rutschte zunehmend beunruhigt auf ihrem Stuhl zurück. Sie fixierte Juli mit ihren Augen, um sie zu bewegen rasch das Thema zu ändern, doch Juli war bereits im bohrenden Blick des Allvaters gefangen.
„Als du Trym warst, wann hast du zum Allvater gebetet?“
Juli biss sich auf die Lippe. „Wenn ich in die Schlacht zog.“
„Warum?“
Thea versuchte, einen Vorwurf aus Odins Worten heraus zu hören, doch er schien keineswegs wütend.
„Um deinen Schutz zu erflehen und um Mut zu bitten.“
Odin hob den Finger vor sein Gesicht und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, warum zogst du in die Schlacht?“
„Weil ich meine Heimat verteidigen musste …“
Odins Augenbrauen richteten sich auf, während er den Kopf schief legte. „Ach, nicht, weil ich es befohlen habe?“
„Nein“, antwortete Juli zögernd.
Odin verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. „Lebte Trym nicht frei? War er gezwungen einem König zu folgen? Wer sprach Recht in seiner Heimat?“
„Das Thing.“
„Und später? Wer sprach da das Recht, als die alten Götter vertrieben waren?“
Thea runzelte die Stirn, während Juli eine Antwort schuldig blieb.
Odin legte die Hände auf die Lehnen und gab die Antwort für Juli: „Ein König.“ Er hob den Finger. „Eine einzige Person entschied über das Glück und Unglück aller, nicht alle über das Vergehen eines Einzelnen. Darum breitete sich der Glaube so rasch aus. Fürsten, Könige, einjeder von ihnen griff nach dem neuen Glauben, weil er ihm Macht über Menschen zusprach. Laut des neuen Gottes war ihnen die Königswürde direkt und unanfechtbar vom Himmel bestimmt. Wer sich gegen diese Ordnung auflehnte, war des Todes. Schau, wie lange es gedauert hat, bis die Menschen ihr Recht zurückerlangt haben.“
Zwei Wölfe kamen tollend in den Saal gerannt und hielten direkt auf Odin zu. Sie neckten sich gegenseitig, zwackten sich im Rennen in den Hals und stießen schließlich gegen Odins Beine. Der Ase lächelte und wühlte den Tieren liebevoll im Fell. „Ich liebe den Kampf, das stimmt. Ist das verwerflich? Menschen führen Kriege, viele Kriege. Das tun sie bis heute. Ihr rieft mich an, euch in euren schlimmsten Stunden zu unterstützen und ich tat es gern. Ich habe eine Schwäche für starke Krieger, na und? Ich gebot den Menschen nie, in den Krieg zu ziehen, das taten sie von ganz alleine. Um die alten Götter – uns – aus den Herzen der Nordmänner zu vertreiben, wurden dagegen eine Menge Anstrengungen unternommen.“
„Aber warum hast du das nicht verhindert?“, wollte Thea wissen.
Ehe Odin antworten konnte, ergriff Wal-Freya das Wort: „Was hätte Odin tun sollen? Die Menschen sind frei, ihren Glauben selbst zu wählen.“
„Na, so ganz freiwillig war das ja wohl nicht“, murrte Thea.
„Meistens schon“, erwiderte Wal-Freya achselzuckend.
„Sei’s drum“, brummte Thor. „Ihr solltet euch jetzt um ganz andere Dinge Sorgen machen.“
„Kyndill“, bestätigte Thea.
Thor nickte. „Wo wollt ihr mit der Suche beginnen?“
Thea schob ihren Teller von sich weg und sah fragend zu Thor, der die Augenbrauen hochzog und die Geste erwiderte.
Fast vorwurfsvoll sagte Thea: „Du hast Loki das Schwert aus der Hand gerissen. Hast du keine Ahnung, wohin es geflogen ist?“
„Glaubst du, wir hätten Jahrhunderte darauf gewartet, dass du dich zu einer Wiedergeburt entscheidest, wenn ich eine Vermutung hätte, wo es ist?“, erwiderte Thor.
Ungehalten verschränkte Thea die Arme und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Und wie soll ich es dann finden? Da ist es wohl einfacher eine Nadel im Heuhaufen zu suchen!“
„Ganz sicher ist es das“, bestätigte Wal-Freya ungerührt.
„Beginnt in Niflheim. Dort hat es angefangen“, sagte Odin bestimmt. „Ihr werdet warme Kleider brauchen. Geht nach Hause und besorgt sie euch. Dann brecht auf.“
„Nicht schon wieder die Treppe runter!“, stöhnte Juli.
Odin lachte und die beiden Wölfe zu seinen Füßen schnappten die Fröhlichkeit auf, legten sich auf ihre Rücken und streckten wohlig knurrend die Beine in die Luft. Liebevoll wuschelte der Allvater ihnen das Fell.
„Wir werden euch nach Niflheim begleiten, stimmt doch, Thor?“, sagte Wal-Freya.
„Ich bin fest entschlossen Loki das Handwerk zu legen“, bestätigte Thor und schlug zur Bekräftigung so hart auf den Tisch, dass das Geschirr darauf kleine Hüpfer machte.
Zufrieden erhob sich Wal-Freya und wandte sich an die beiden Mädchen: „Wartet hier auf uns. Wir holen unsere Wagen.“ Mit diesen Worten wirbelte sie herum und verließ den Saal. Thor folgte ihr dicht auf.
Dem staunenden Ausdruck Theas begegnete Juli mit einem glücklichen Lächeln. „Das heißt, wir müssen nicht die Treppe runter“, verdeutlichte sie ihr, doch Thea zuckte nur mit den Augenbrauen. „Ihre Wagen“, wiederholte sie und holte aus den Tiefen von Julis vergangenem Leben Tryms Erinnerungen hervor. Noch während sie in der heraufbrechenden Erkenntnis entsetzt den Mund öffnete, wurde von fern Donnergrollen laut. Juli wirbelte auf ihrem Stuhl herum und blickte durch die Öffnungen der Halle nach draußen. Ein Schatten huschte vorm Himmel hinweg, dann