Moby Dick. Herman Melville
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Das war natürlich ein ärmlicher Weg, reich zu werden. Aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die reich werden wollen, und bin völlig zufrieden, wenn man mich verpflegt und wohnen lässt. Ich dachte, der zweihundertfünfundsiebzigste Anteil wäre ganz angemessen, und ich würde mich nicht gewundert haben, wenn man mir den zweihundertsten angeboten hätte, da ich doch ziemlich breitschultrig war.
Aber die Aussichten auf einen anständigen Gewinnanteil wurden doch durch eins ziemlich herabgesetzt. An Land hörte ich schon von Kapitän Peleg und dem unberechenbaren alten Gesellen Bildad. Da sie die Hauptteilhaber des »Pequod« wären und die anderen Teilhaber nicht viel zu sagen hätten, so könnten sie die Angelegenheiten des Schiffes allein regeln. Ich merkte nichts davon, daß der geizige alte Bildad einen großen Einfluss auf die Anmusterung von Matrosen hatte, als ich ihn nun an Bord des »Pequod« sah, wie er in der Kabine wie zu Hause dasaß und in der Bibel wie vor dem eigenen Herd las. Währenddem versuchte Peleg vergeblich, mit seinem Schiffsmesser eine Feder zurechtzuschneiden. Der alte Bildad, der doch an den Vorgängen so sehr beteiligt sein sollte, schenkte uns keinen Blick, sondern las ruhig in seinem Buch weiter. »Habet acht, daß ihr nicht Schätze auf Erden sammelt, wo Motten und Rost –«
»Nun, Kapitän Bildad,« unterbrach ihn Peleg, »was, meinst du, sollen wir dem jungen Manne geben?«
»Das weißt du am besten«, war die Antwort, die wie eine Stimme aus dem Grabe klang. »Der siebenhundertsiebenundsiebzigste Anteil würde nicht zu viel sein, nicht wahr? Wo Motten und Rost sie verderben.«
Das war ja ein unglaublich kläglicher Anteil, und bei der großen Zahl hätte eine Landratte übers Ohr gehauen werden können.
»Aber was fällt dir denn ein, Bildad,« rief Peleg, »wir können doch diesen jungen Mann nicht übers Ohr hauen, wir müssen ihm mehr geben!«
»Den siebenhundertsiebenundsiebzigsten«, sagte wieder Bildad, ohne die Augen aufzuheben. Und dann las er weiter – »Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz –«
»Ich will ihn für den dreihundertsten anmustern,« sagte Peleg, »hörst du, Bildad? Den dreihundertsten Anteil, hörst du?«
Bildad legte sein Buch hin und wandte sich feierlich an ihn.
»Kapitän Peleg, du hast ein edelmütiges Herz, aber du musst an die Pflicht denken, die du den anderen Teilhabern des Schiffes gegenüber hast, den Witwen und Waisen und vielen anderen, und wenn wir die Arbeit des jungen Mannes zu reichlich bezahlen, so nehmen wir den Witwen und Waisen das Brot weg. Der siebenhundertsiebenundsiebzigste Anteil genügt, Kapitän Peleg!«
»Bildad!« brüllte Peleg, sprang auf und lief wie ein Wilder in der Kabine herum. »Wenn ich deinem Rat in diesen Dingen gefolgt wäre, so hätte ich ein solch schweres Gewissen gehabt, das es mit seiner Ladung das größte Schiff zum Sinken gebracht hätte, das jemals um das Kap Horn herumgekommen ist.«
»Kapitän Peleg!« sagte Bildad mit fester Stimme, »ob dein Gewissen zehn Zoll oder zehn Faden tief ins Wasser gesunken wäre, kann ich nicht sagen. Aber du bist immer noch ein verstockter Sünder; ich befürchte, daß dein Gewissen leck ist und schließlich in dem tiefsten Höllenpfuhl versinken wird.«
»In dem Höllenpfuhl? Das ist eine Beleidigung! Du beleidigst mich über alles Menschenmaß hinaus. Es ist eine Unverschämtheit, zu sagen, daß ein Mensch für die Hölle bestimmt ist. Blitzschwerenot! Bildad, sag' das noch einmal, und ich will einen lebendigen Ziegenbock mit Haut und Haar auffressen! Hinaus aus der Kabine, du heuchlerisches schwindsüchtiges Musketengesicht. Hinaus mit dir!«
Als er diese Worte hervordonnerte, wollte er auf Bildad losspringen, aber dieser wich ihm mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit aus.
Ich war über diesen furchtbaren Zornesausbruch der beiden Hauptbesitzer des Schiffes entsetzt und wollte schon darauf verzichten, auf einem Schiff mitzufahren, das so merkwürdige Herren hatte. Ich machte Platz, um Bildad entweichen zu lassen, der ohne Zweifel vor der Wut Pelegs verschwinden musste.
Aber zu meinem Erstaunen setzte er sich mit aller Seelenruhe auf seinen Heckbalken nieder und schien nicht im entferntesten daran zu denken, zu verschwinden. Er schien an den verstockten Peleg und seine Art gewöhnt zu sein. Peleg setzte sich, nachdem seine Wut verraucht war, wie ein Lamm hin, wenn er auch noch etwas nervös zitterte.
Schließlich sagte er: »Die Sturmbö ist wohl auf die Leeseite gegangen, Bildad. Du konntest doch immer so gut eine Lanze scharf machen. Willst du mal die Feder spitzen? Mein Messer muss geschliffen werden! Da ist er. Danke, Bildad! Nun, junger Mann, du heißt doch Ismael? Komm mal her, Ismael. Für den dreihundertsten Anteil kannst du bleiben!«
»Kapitän Peleg,« sagte ich, »ich habe einen Freund, der auch mit auf das Schiff will, soll ich ihn morgen mitbringen?«
»Ich habe nichts dagegen,« sagte Peleg, »bring' ihn mal her, und wir wollen ihn uns mal ansehen.«
»Welchen Anteil will er denn?« knurrte Bildad und sah von dem Buch auf, in das er sich wieder vergraben hatte.
»Bekümmere dich nicht darum, Bildad!« sagte Peleg. »Versteht er etwas von der Walfischjagd?« wandte er sich an mich.
»Er hat unzählig viele Wale getötet, Kapitän Peleg.«
»Nun, du kannst ihn ja mal herbringen!«
Nachdem ich die Papiere unterzeichnet hatte, ging ich fort. Es war kein Zweifel darüber, daß ich den Morgen gut ausgenutzt hatte.
Aber ich war noch nicht weit fort, da machte ich mir Gedanken, daß der Kapitän, mit dem ich segeln sollte, sich nicht gezeigt hatte. Aber in vielen Fällen ist ein Walschiff völlig ausgerüstet und hat die ganze Mannschaft schon an Bord, wenn der Kapitän erscheint und den Befehl übernimmt. Diese Fahrten dauern oft so lange, und die Augenblicke, wo das Schiff zu Hause ist, sind so kurz, daß der Kapitän, wenn er Familie oder etwas Ähnliches hat, sich nicht viel um sein Schiff im Hafen kümmern kann, sondern alles den Schiffsherren überlässt, bis alles zur Abfahrt bereit ist. Natürlich ist es ganz gut, wenn man ihn vorher gesehen hat, bevor man sich ihm unwiderruflich ausliefert. Als ich mich umwandte, redete ich Kapitän Peleg an und erkundigte mich, wo man den Kapitän Ahab antreffen könnte.
»Was willst du denn von Kapitän Ahab? Es ist alles in Ordnung; du bist angemustert.«
»Aber ich möchte ihn gerne sehen.«
»Das wird jetzt kaum möglich sein. Ich weiß nicht, was er jetzt treibt. Aber er hält sich zu Hause auf, er ist wohl krank und sieht doch nicht so aus. Auf jeden Fall, junger Mann, will er mich nicht gern sehen. Daher nehme ich an, daß er dich auch nicht gern sehen will. Er ist ein wunderlicher Mann. Das meinen wenigstens einige, aber er ist ein guter Kerl. Er wird dir schon gefallen. Hab' nur keine Angst! Er ist ein vornehmer, wenn nicht gerade gottesfürchtiger, aber göttlicher Mann, der Kapitän Ahab. Macht nicht viele Worte, aber wenn er etwas sagt, kannst du ihm wohl zuhören. Das sage ich dir von vornherein: Ahab ist kein Alltagsmensch. Ahab ist auf den Schulen gewesen und ebenso unter den Kannibalen. Er hat größere Wunder als die des Meeres kennengelernt. Er hat mit seiner feurigen Lanze auf mächtigere Feinde, als auf Wale gezielt. Er führt die kühnste und sicherste Lanze von unserer ganzen Insel. Das versteht er besser als der Kapitän Bildad und