Wake up - Gedanken-Wecker. Walter Rupp
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Vielleicht litt mancher Steinzeitmensch darunter, dass ihm primitive Werkzeuge, aber keine modernen Maschinen zur Verfügung standen? Vielleicht ging mancher Urmensch nur widerwillig auf die Jagd und wäre glücklich gewesen, hätte er hinter einem Schreibtisch sitzen dürfen? Vielleicht gab es Höhlenbewohner, die das Bemalen der Felswände grässlich fanden und lieber mit Spraydosen hantiert hätten; Pfahlbauer, die statt in Sümpfen Stelzenbauten zu errichten, gerne zum Golfen gegangen wären? Denker, die sich nach einem modernen Forschungslabor sehnten und mittelalterliche Ritter, die sich statt auf ein Pferd, lieber in einen Porsche gesetzt hätten.
Wahrscheinlich kämen unsere Vorfahren mit unserer Zeit, und wir Heutigen mit deren Zeit nicht zurecht. Einstein hätte hundert Jahre früher die Relativitätstheorie, und Darwin seine Evolutionstheorie sicher nicht gefunden. Bismarck müsste heute statt für die großdeutsche, für die europäische Lösung eintreten. Den Spott Voltaires würde man heute wohl als zu wenig boshaft und beleidigend empfinden; Mozart müsste für Rock und Pop komponieren; und der Kirchenlehrer Augustinus müsste aufgrund seiner Vergangenheit auf das Bischofsamt verzichten, auch wenn das Volk noch so laut riefe: „Den wollen wir!“
Niemand darf entscheiden, in welcher Zeit er leben will. Aber wer möchte schon vor Jahrhunderten gelebt haben oder Jahrhunderte später leben? Einer, der sich in seiner Zeit nicht zurechtfindet, würde auch nicht in andere Zeiten passen.
Eschatologie
Die Leere von den Letzten Dingen ist der Schwachpunkt aller Theologen. Sie wissen zwar, was wir alle tun oder unterlassen sollten, um den Himmel zu erreichen, aber mit unseren Fragen: wie nun das Jenseits beschaffen ist, und was uns da erwartet, lassen sie uns allein. Kein Wunder, dass sich kaum einer nach den Ort, von dem man nicht weiß, wie schön er ist, sehnt und mancher sich wünscht, er könnte hier bleiben. Vor allem wegen der Drohung mit dem Jüngsten Gericht.
Wir wüssten gern, ob man sich mit der Verwandtschaft noch weiter verwandtschaftlich verbunden fühlen muss und wirklich ausgeschlossen ist, dass sich Ehepartner noch einmal begegnen oder- sollten sie diesen Wunsch verspüren - in einem eheähnlichen Verhältnis miteinander verbunden bleiben dürfen. Werden die ermordet wurden, ihren Mördern danken, dass sie sie, früher als geplant, ins Jenseits schickten? Bekommt man wirklich einen neuen Leib oder seinen alten Leib verbessert, vielleicht mit Flügeln ausgestattet, zurück? Und was sind das für Speisen, die man bei den neuen Gastmählern reicht?
Es fällt uns schwer zu glauben, dass ein Leben ohne Arbeit glücklich sein kann. Ja, wie sieht es mit der Freizeitgestaltung aus? Und wie beschaffen sind die Freuden, die man angeblich dort erlebt? Wir können uns auch von der Sorge, dass die Ewigkeit mit der Zeit doch langweilig wird, nicht ganz befreien.
Erzählkunst
Die Kunst des Fabulierens, auf die sich das ganze Altertum verstand, ist im Zeitalter der Medien nicht sehr angesehen. Man will Informationen ofenwarm auf den Tisch; man bevorzugt den nüchternen, in wenige Zeilen zusammengerafften Bericht, der leicht bekömmlich aufbereitet wurde. Man greift zur flott und unterhaltsam geschriebenen Glosse, die man, ohne lange kauen zu müssen, hinunterschluckt. Da nimmt man sich vielleicht noch Zeit zum Feuilleton, das elegant und weltgewandt daherkommt. Sonst aber bevorzugt man die schmucklose Abhandlung, die nur Fakten bringt, und lässt sich gern von einer Neuigkeit zu einer anderen hetzen.
Im Zeitalter der Medien wird das Verweilen bei Gedanken, die zu einem Ausflug einladen, als Zeitvergeudung angesehen. Das Erzählen von Geschichten bleibt den Kitas überlassen. Es wäre jedoch nicht verkehrt, wenn die vielen Leitartikler, Kommentatoren, Entertainer, Showmaster und Berichterstatter in die Schule orientalischer Märchenerzähler gingen, um zu lernen, wie man Spannung erzeugt und Aufmerksamkeit erregt.
Wer die Kunst des Erzählens beherrschen möchte, muss sich darauf verstehen, wie man streunende Gedanken einfängt, müde Gedanken munter macht und schlummernde Gedanken weckt. Er muss die Gedanken, Ängste oder Träume, die wir haben, formulieren können. Der Erzähler macht aus Worten Melodien und bringt Farbe in die Sprache. Das ist das Geheimnis, weshalb man ihm gerne zuhört und der Grund, weshalb er oft ein Aha-Erlebnis auslöst.
Fabel
Während wir heute kurz und bündig sagen: es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf den Wert, erzählt der Dichter Äsop eine Fabel: „Man machte der Löwin den Vorwurf, dass sie nur ein Junges zur Welt brächte. Ja, sprach sie, nur eines, aber einen Löwen.“ Darauf kommt es an, dass man nicht massenhaft Kretins hervorbringt. Und Lessing fabuliert, als habe er die Situation nach dem Zweiten Vaticanum vorausgesehen: „Eine alte Kirche welche den Sperlingen ungezählte Nester gab, ward ausgebessert. Als sie nun in ihrem neuen Glanz da stand, kamen die Sperlinge wieder, ihre alten Wohnungen zu suchen. Allein sie fanden sie alle vermauert. Zu was, schrien sie, taugt denn nun das große Gebäude? Kommt, verlasst den unbrauchbaren Steinhaufen!“ Ja, mancher sucht nichts weiter in der Kirche, als eine Nische, in der er sein Nest bauen und sich darin verstecken kann.
Fabeln waren einmal eine beliebte literarische Gattung. Sie werden von der schnellen Information, der gerafften Wissensvermittlung oder der kurzen Nachricht verdrängt, denn geduldiges Hinhören wird heute weithin als Zeitverschwendung angesehen.
Fabeln sind eine unaufdringliche und elegante Form der Belehrung. Der Fabeldichter wählt einen Umweg, weil er weiß, dass Menschen eher zuhören, wenn sie den Eindruck haben, nicht sie, sondern andere wären gemeint. Er lässt sie mithören, wenn Tiere sich über Lebenserfahrung und Lebensweisheit belehren und hofft, dass er die Menschen dadurch nachdenklich, vielleicht sogar betroffen machen kann.
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