sagte Ingo, „aber er tut mir auch irgendwie leid, denn er hatte noch nie eine Freundin, er kann sich selber nicht mal eine Scheibe Brot schmieren, er wird von jedem nur ausgenutzt und verarscht, er ist im Grunde genommen eine Made im Speck der Demokratie.“ „Fängst du jetzt mit Politik an, um ihn- sowie sein merkwürdiges Verhalten zu rechtfertigen?“ Fragte Ede. „Nein,“ sagte Ingo, „für mich ist nur wichtig, dass er aus einer Familie kommt, welche der CDU kontinuierlich die Treue hält, gerade jetzt in Zeiten einer ständig steigenden Politikverdrossenheit. Michi ist vom Kern her nicht schlecht, nicht schlechter als andere, er ist zwar bisexuell, er scheißt seine Kumpels an, er redet auch über mich- und über meine Angestellten schlecht, besonders über Gesine, er schreibt dauernd Getränke an, weil er permanent pleite ist, er hat, um es ganz genau zu sagen: Häufig kein Geld! Er ist arbeitsscheu, er ist hinterhältig, er bestiehlt seine Eltern, er ist ein gnadenloser Schwachkopf, - ja, all das ist er, und trotzdem, wünschte ich: Er wäre mein Sohn. Er berührt mich. Ich liebe ihn, ich könnte es nicht ertragen, wenn er eines Tages nicht mehr käme.“ „Sonst geht es dir: Danke, oder was?“ Fragte Ede. Ingo lächelte jedoch nur verschmitzt, er sagte ein bisschen melancholisch: „Ach, Ede... Michi und ich, das sind Bande, Bande die es nicht so einfach gibt, - in der von Gott geschaffenen Natur. Natürlich hat Michi es nicht immer „nur leicht“ gehabt im Leben, aber er ist doch auch ein Mensch, und das ist das, was wirklich zählt, nicht wahr?“ Ede steckte sich erneut eine Zigarette an – er sagte zu Ingo seiner Weltanschauung nichts. Dass an dem Tag noch andere Gäste in der Bahnhofskneipe waren, muss ich, glaube ich, nicht erwähnen? Aber ich schreibe es trotzdem nieder, damit nicht der Eindruck entsteht, wir dümpelten da so alleine vor uns hin. Es war Helmut, der Vater von Gesine, der plötzlich das Wort aufgriff, er sagte: „Michi ist, aus meiner Sicht der Dinge, nichts weiter als ein Trampeltier. Ja, und wenn ich schon seine dumme Fresse sehe, dann könnte ich da sofort hineintreten.“ – Mit Ausnahme von Ingo, stimmten ihm alle Gäste zu. Zwischenzeitlich war Barbara aufgetaucht. Sie, die ferngesteuerte Spielzeugratte, gab sich ungewohnt freundlich. Sie fasste Ingo ohne Vorwarnung an die Wurzel und steckte ihm die Zunge tief in den Hals, es war die übliche Begrüßung, welche Ingo bei seinen Bediensteten eingeführt hatte, um Vertrauen und Zuversicht zu vermitteln. Dass Ingo mit all seinen „Damen“ geschlafen hatte, war zumindest in Harburg, allseits bekannt, wenn auch nur als: Gerücht. Barbara, die bereits die 60 überschritten hatte, war, um bei ihrer Person zu bleiben, nach wie vor, eine hinterhältige, in die Jahre gekommene: Gift-Tarantel, die alles tat, nur um nicht „richtig“ arbeiten zu müssen. Die Bahnhofskneipe war ihr Zuhause geworden, sie fühlte sich dort so, als, wenn ihr der Laden persönlich überschrieben worden wäre. Aber wie war sie als „Mensch“ zu bewerten? Nun, sie kam aus einer verkommenen, politisch jedoch radikalen Familie, der Vater war nach dem zweiten Weltkrieg im Alkoholwahn, mit einer Hakenkreuzfahne um den Kopf gewickelt, vom Harburger Rathaus in einen Misthaufen gesprungen; die Mutter, die selber schwere Alkoholprobleme hatte, gab ihre Tochter, Barbara, in ein staatliches Erziehungsheim, damit sie der totalen Verwahrlosung entfliehen konnte. - Und, die Idee, die Tochter von fremden Händen aufziehen zu lassen, war ja auch nicht verkehrt gewesen, dennoch hatte Barbara es nicht geschafft den geraden, den ehrlichen Weg zu gehen. Oft und regelmäßig stand sie vor dem Jugendrichter, wegen: Prostitution, Diebstahldelikten und versuchten Totschlags. Barbara verbrachte viel Zeit im „asozialen Brennpunkt“ der Stadt Hamburg, regelmäßige Arbeit war nicht ihr Elixier; nur selten ließ sie sich vom Arbeitsamt eine Stelle als Bedienung, oder als Packerin in der Fabrik zuweisen. Später, mit Anfang vierzig, war sie sehr häufig im Frauengefängnis anzutreffen, dort verliebte sie ich auch in eine Wärterin, mit der sie nach Beendigung ihrer Haftstrafe zusammenzog. Doch als Barbara erneut- und immer öfter zu: Alkohol, Tabletten sowie Drogen griff, brach ihr gesamtes Leben plötzlich ein. Irgendwann in den achtziger Jahren tauchte sie bei Ingo Wilff auf... Ingo, der durch seine „besonderen sexuellen Wünsche“ bei ihr eine gewisse Aufmerksamkeit erregte, oh ja, er wurde ihr bester Freund, gerne ließ sie sich gegen Bargeld von ihm brutal durchbumsen, denn Ingo zahlte nicht schlecht, wenn er schärfer war als Puma-Pisse und daraus auch keinen Hehl machte. Aber, und das ist unbedingt wichtig, Barbara hatte immense Anpassungsschwierigkeiten, sie war kein pflegeleichter Mensch, sie war der Typus Frau den man lieber nicht den ganzen Tag um sich herum haben wollte. Ede sagte damals zu ihr: „Na, was schnackst du denn so, meine Süße?“ Daraufhin sagte Barbara zu ihm: „Wenn du wieder Rente bekommst, falls du Rente bekommst, dann darfst du dir etwas Besonderes wünschen, mein Dickerchen.“ Ede „griente“ nach diesem verlockenden Angebot vor sich hin, er war selig, er war hocherfreut, er strahlte wie ein Honigkuchenpferd und er massierte dabei, in kaum zu fassender Vorfreude, seinen versteiften Dödel. Ingo sagte dazu: „Also, dass ihr beide miteinander „auch“ verkehrt, das hätte ich nun aber wirklich nicht gedacht.“ „Wieso?“ Fragte Ede. „Denkst du etwa ich kann nicht mehr so richtig, oder was?“ „Ich denke gar nichts,“ sagte Ingo, „ich wundere mich nur, denn, ich lass mir, aus Altersgründen, Bezug nehmend auf Barbara, von ihr nur noch gelegentlich einen blasen. Ich bevorzuge Frischfleisch, junges Gemüse zum: Nageln!“ Barbara wurde nach dieser Erklärung von Ingo ein wenig aggressiv, sie goss sich einen dreifachen Korn ins Wasserglas und leerte dasselbige in einem Zug, anschließend ging sie zum Pissen auf Toilette. – „Ich muss mal,“ sagte sie zu Ingo, so dass alle Gäste es hören konnten.
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