Zehn kleine Mörderlein. Dietrich Novak
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Читать онлайн книгу Zehn kleine Mörderlein - Dietrich Novak страница 3
»Ich würde dringend davon abraten, das zu trinken«, sagte ein makellos gekleideter, älterer Herr mit einem viel zu großen Kopf für seinen schmächtigen Körper. Sein gezwirbelter Schnurrbart, die schwarz gefärbten, pomadisierten Haare und seine gestelzte Aussprache zusammen mit dem französischen Akzent gaben ihm etwas Dandyhaftes, fast Lächerliches. »Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Hector Oiseau.«
»Angenehm, Hauptkommissar Lange, und das ist meine Frau Valerie Voss, ebenfalls Hauptkommissarin.«
»Enchanté, Madame.«
»Sie sind Franzose?«, fragte Hinnerk.
Monsieur Oiseau verzog angewidert das Gesicht.
»Nein, ich bin gebürtiger Luxemburger, lebe aber in London.«
»Dann arbeiten Sie für Scotland Yard?«
»Nicht für den Yard, aber gelegentlich mit ihm zusammen. Ich bin Privatdetektiv.«
»Wie interessant. Dann brauchen Sie im Gegensatz zu uns nur die Fälle zu übernehmen, die Sie interessieren. Warum warnen Sie uns vor dem Wein? Glauben Sie, er könnte vergiftet sein?«
»In diesem Haus halte ich alles für möglich.«
»Aber es haben schon andere davon getrunken, die das offensichtlich vertragen haben …«
»Aus dieser Karaffe bisher nicht. Wenn Sie sicher gehen wollen, sollten Sie eine angebrochene von der Tafel nehmen.«
»Das ist ein guter Vorschlag. So machen wir es.«
Hinnerk nahm zwei neue Gläser, griff sich eine halbvolle Karaffe und erntete dafür einen bösen Blick von einem der Gäste am Tisch.
»Hat Ihnen der andere Wein nicht geschmeckt? Hat er Kork?«, fragte der kahlköpfige ältere Herr mit den kalten Augen, der zu seinem dunklen Anzug eine rote Fliege trug.
»Wir haben noch gar nicht probiert. Monsieur Oiseau warnte uns davor«, sagte Hinnerk schuldbewusst.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass am ersten Abend schon Leute gemeuchelt werden. Bitte bedienen Sie sich! Ich wollte Ihnen den Wein nicht vorenthalten. Er gehört ja nicht mir. Ich bin übrigens Laurenz Markgraf. Richter in Pension aus Wien.«
»Hauptkommissar Hinnerk Lange aus Berlin. Wie schön, dass die k. u. k. Monarchie auch vertreten ist.«
»Oh, das sind wir schon seit 1918, nach dem für Österreich-Ungarn verlorenen Ersten Weltkrieg, nicht mehr. Leider, möchte man manchmal sagen.«
»Ich weiß, entschuldigen Sie den Scherz.«
»Die heutige Republik, die sogar das Deutsche Reich überstand, erklärte nach dem Ende der alliierten Besatzung 1955 seine dauernde Neutralität und trat den Vereinten Nationen bei. Ich bin aber bestimmt nicht der Einzige, der sich mitunter den Kaiser zurückwünscht. Doch das ist ein anderes Thema. Die aufregende Dame mit dem weißblonden Engelshaar gehört zu Ihnen?«
»Ja, das ist meine Frau, Hauptkommissarin Voss.«
»Glückwunsch. Es tritt nur eine Dame mit ihr in Konkurrenz. Die Kriminalkommissarin Marita Berg aus Öland, die zwar auch blond ist, aber weniger engelsgleich.«
Hinnerk musste lachen.
»Täuschen Sie sich nicht. In meiner Frau steckt manchmal ein kleiner Teufel.«
»In welcher aufregenden Frau nicht? Aber lassen Sie sich nicht abhalten. Sie wartet schon auf den Wein.«
Hinnerk ging mit den beiden Gläsern zu Valerie hinüber und wurde schon ungeduldig erwartet.
»Na endlich, ich dachte schon, du hörst überhaupt nicht mehr auf zu quatschen«, sagte Valerie.
»Ich musste mich doch wenigstens vorstellen, wenn ich ihm schon die Karaffe vor der Nase wegschnappe.«
»Mein Gott, es ist ja nicht die einzige auf dem Tisch. Wer ist er denn?«
»Ein pensionierter Richter aus Wien. Über die Blondine, die da etwas verloren herumsteht, habe ich erfahren, dass es sich um eine Kripokommissarin aus Öland handelt.«
»Die passt doch hervorragend in dein Beuteschema mit ihren flachsblonden, verrutschten Locken. Ich kann mich an diese Frisuren nicht gewöhnen. Die Frauen sehen immer aus, als kämen sie gerade aus dem Bett. Willst du sie eventuell trösten?«
»Spinnst du? So geschmacklos, vor deinen Augen etwas mit einer anderen anzufangen …«
»Das war ein Joke. Haben Sie Ihren Humor an der Garderobe abgegeben, Herr Lange?«
»Bei dir weiß man nie …«
»Hast du die Alte gesehen? Die muss doch schon seit Ewigkeiten im Ruhestand sein. An irgendjemand erinnert sie mich. Und der schnöselige Typ, der der Jüngste von uns allen zu sein scheint, kommt auch aus Deutschland. Der melancholisch aus der Wäsche guckende Schwarzhaarige dürfte Italiener sein und der Blonde mit dem markanten Gesicht eher Skandinavier. Aber dass sich auch ein Pfaffe unter den Gästen befindet, mutet etwas seltsam an.«
»Warum? Offensichtlich gibt es noch mehr unter ihnen, die sich detektivisch betätigen. Wahrscheinlich braucht er das Geld für die Renovierung seiner Kirche.«
»Wie ich sehe, bekommt Ihnen der Wein«, machte sich Hector Oiseau erneut bemerkbar.
»Hört sich fast an, als würden Sie es bedauern«, sagte Valerie.
»Aber ich bitte Sie, Madame! Ich will das Preisgeld auf legale Weise und nicht durch Mord verdienen.«
»Wie beruhigend. Was halten Sie von unserem Gastgeber?«
»Ein unsympathischer Bursche, wie so viele Millionäre. Und sein Auftritt ist ein uralter Schaustellertrick, eine Weiterentwicklung des sogenannten Pepper's ghost, einer Methode, die bereits im 19. Jahrhundert von dem britischen Erfinder John Pepper erdacht wurde, um dreidimensionale Illusionen zu erzeugen. In der modernen Variante wirft ein Projektor an der Decke ein herkömmliches Video auf einen spiegelnden Boden. Dieser wiederum reflektiert das Geschehen auf eine transparente Folie oder Glasplatte, die darüber in einem Winkel von etwa 45 Grad angebracht ist. Stimmen Winkel und Abstände, lässt sich so eine erstaunlich plastische und echt wirkende Darstellung erzielen, wie wir uns alle überzeugen konnten. Das eitle Gehabe sagt viel über seine Person aus. Ich weiß nicht so recht, was ich von alldem halten soll.«
»Da geht es Ihnen wie uns«, meinte Hinnerk.
»Wollen wir jetzt allen brav das Pfötchen geben oder abwarten, bis sie es tun? Ich würde mich lieber aufs Zimmer zurückziehen. Die Vorstellungsrunde können wir auch morgen beim Frühstück erledigen.«
»Ganz deiner Meinung. Entschuldigen Sie uns, Monsieur Oiseau?«
»Aber bien sûr, eine angenehme Nachtruhe wünsche ich.«
»Merci, ebenfalls. Hoffentlich ist es nicht die letzte«, flachste Valerie. Aber so recht wohl war ihr dabei nicht.
Das Zimmer stellte