Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt
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„Es tut mir leid, Ihr wart Partner, richtig?“
„Ja … Wir haben große Pläne. Oder hatten. Und wir werden immer besser. Aber ich habe keine Ahnung, was ich ohne ihn machen soll.“ Er wurde lauter: „Die ganze Organisation, die Farm am Wiener See … ich kenne die gar nicht. Ich weiß nicht einmal, wen ich fragen soll, ob das überhaupt stimmt, was Du da sagst.“ Er schüttelte den Kopf, ging weiter auf und ab. Mit blitzenden Augen blickte er plötzlich Idrissa Yerodin an: „Du sagst, die Nachricht wirkt falsch. Da stimmt etwas nicht.“
Der Dorfratsvorsitzende hörte ihm halb zu, stand an der Brüstung und blickte über den See.
„Wieso kommen die jetzt zu uns? Er ist doch schon seit Jahren in Europa.“
„Soviel ich weiß, lebt er in Europa im Untergrund. Die Polizei verfolgt ihn, um ihre Pflanzenpatente zu schützen, das ist nicht ungefährlich … wie Du siehst.“ Rijad Eberegbulam ging weiter armeschwingend auf und ab.
"Was wollt Ihr in Europa? Ich verstehe Euch nicht. Ist Afrika nicht groß genug für Euch?"
Eberegbulams Arme schwangen schwächer, er blieb stehen und stand nun neben dem Dorfratsvorsitzenden und blickte wie dieser auf den See. Seine Stimme wurde ruhig.
"Jasiri sagt, diese Arbeit sei wichtig, und er meint das wirklich ernst. Ich habe ihn nie glücklicher erlebt, als in den letzten Jahren, als es richtig losging. Ich mache einfach mit. Es hat ja bis jetzt auch alles funktioniert."
"Bis jetzt.“
Nebeneinander stehend, starrten sie auf den See.
Sie waren unterschiedlicher Meinung.
Aber was jetzt passiert war, konnte alles ändern.
Mitteilung – Biofarm am Wiener See
Kurt Amstetter von der Wiener Regionalverwaltung starrte auf Eva Teichmann. Leichenblass saß sie ihm gegenüber. „Was? Das kann nicht sein!“ Mit diesen Worten hatte sie auf seine Nachricht reagiert, dann war sie verstummt. Nun traute er sich nicht, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. War unsicher. Sein korrektes Wesen als Standesbeamter vertrug sich nicht recht mit der Farmumgebung. Das seiner Frau schon eher, nur die war nicht hier. Sie hatte ihn aber schon mehrfach in den Hofladen geschleppt und so fühlte er sich doppelt zuständig, obwohl er es eigentlich gar nicht war. Die lähmende Stille verschlimmerte alles. Mit halb offenem Mund saß sie ihm gegenüber, den Blick in sich gerichtet und furchterregend angespannt.
Schließlich erkannte er, Eva suchte nach Worten. Saß, mit sich ringend, vor ihm und versuchte, irgendetwas zu sagen, was nicht hinauswollte.
„Ich glaube, Sie wollen etwas sagen.“
Eva aber blieb sprachlos.
„Ich verstehe nicht, warum Herr Tyrese als alleinstehend notiert war. Ich habe Sie doch verheiratet.“
„Da gab es Probleme mit den Eintragungen – wegen Afrika, und weil sie dort die Ehe abgeschafft haben“, kam es nach einer Weile hastig zurück.
„Aber Sie waren ein Paar, oder? Sie schienen damals so glücklich.“
„Ja, ein Paar“, Eva blickte abwesend, „das ist eine komplizierte Geschichte.“Sie sprach mit langen Pausen, wie zu sich selbst, auch als sie ihn direkt ansprach: „Sie wissen gar nicht, was geschehen ist?“
„Nein, das ist ja das Eigenartige. Es gibt nur diese eine, zugegeben sonderbare Meldung der Patentpolizei. Sie wirkt auch, als sei sie aus Versehen bei uns gelandet. Auf Rückfragen reagieren sie nicht.“
Eva konnte dem Beamten nichts von der Anonymisierung erzählen. Musste die Fassade einer heilen Farmwelt bewahren. Die Meldung konnte alles und nichts bedeuteten, aber in der Tat war Jasiris Rückkehr überfällig. In ihr schwoll eine verzweifelte Wut, aber sie schwieg. Es ließe sich sowieso nicht ändern. Ihr und Jasiris Leben hatte immer schon jenseits der Ordnung stattgefunden, und nun schien es ihr auf außerordentliche Weise zu entgleiten.
Ihre Ehe war nur für kurze Zeit eine normale Ehe gewesen. Bald nach dem Gerichtsverfahren und der Gründung der Farm waren die Zeichen unübersehbar, dass Jasiri beobachtet, verfolgt und bedroht wurde. Rufautos kamen zu spät, da sie offenbar mit besonderer Überwachung ausgestattet wurden, entlang seiner Wege häuften sich Unfälle, Personen, mit denen er verkehrte, wurden verhört oder geschädigt.
Der Ausweg war, ihn aus der digitalen Welt herauszunehmen und ihn damit aller Spuren zu entledigen. Sizilien hatte sich im Jahr 2064 von Europa gelöst und war zu Afrika übergetreten. Es hatte erklärt, Sizilien sei Teil der afrikanischen Kontinentalplatte und der Vulkangürtel zwischen Aetna und Stromboli die Grenze zu Europa. Im Rahmen des Übertrittes mussten die Datenspeicher getrennt werden. In dieser Zeit kamen befreundete Computerspezialisten an die zentralen Systeme heran und konnten für Jasiri und einige weitere Kollegen afrikanischer Herkunft einen Algorithmus aus der Geheimdienstszene einspielen, der alle Informationen, die neu zu deren ID eingespeichert wurden, sofort wieder löschte. Jasiri konnte damit ganz legal überall auftauchen, seine ID gab es ja weiterhin, weshalb er keinem System als verdächtig auffiel. Alles, was er tat, wurde aber sofort wieder vergessen. Leider war das auch mit ihrer Ehe so geschehen. Eva war seitdem verheiratet, aber ohne Partner.
Diese Erinnerung, das Geheimnis ihrer Ehe, war ein dunkler Knoten verwirrter Gefühle. Aus Verliebtheit und Liebe, Distanz und Nähe, Träumen und Verdrängung. Und der Knoten steckte in ihrem Kopf fest, als sie bemerkte, dass sie immer noch schweigend vor dem Beamten der Regionalverwaltung saß. Sie hatte keine Ahnung, wie lange schon.
„Danke, dass Sie mich informiert haben“, sagte sie schließlich fahrig, und reflexartig ergänzte sie: „Jasiri ist ja weiterhin Afrikaner − und die Farm hat einen diplomatischen Sonderstatus. Deshalb taucht er vermutlich bei Ihnen nicht auf.“ Diesen Satz hatte sie damals eingeübt.
„Ja, das wird es wohl sein. Trotzdem, unsere Datensysteme sollten eigentlich besser sein.“ Er wand sich, erhob sich schließlich. „Nun ja, ich gehe dann wohl.“ Irgendetwas musste er noch zum Abschied sagen: „Es tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten bringen konnte. Was soll ich sagen? Ich wünsche Ihnen viel Kraft!“
„Danke.“ Abwesend blickte Eva ihn an, als er ging.
Sie musste es den anderen sagen. Mirco Nemec, dem Verwalter der Farm, und Kemal Deixner, dem Leiter des Stadtbüros, der auch Lieferung und Versand regelte. Doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Sie wollte nicht, dass es wahr wurde. Sie spürte, wie sich all ihre Kraft auflöste. Wenn sie sich jetzt bewegte, bräche alles zusammen.
Schließlich nahm sie den Kommunikator und rief Mirco Nemec an. In knappen tonlosen Worten sagte sie, was sie wusste.
Nemec war außer sich und überfiel sie mit Fragen über Fragen. „Ich weiß auch nicht mehr“, beendete sie irgendwann verzweifelt das Gespräch, ging in ihr Zimmer, schloss die Vorhänge, legte sich auf ihr Bett und starrte in die Luft, wartete auf Tränen, die nicht kommen wollten, und wünschte sich zu verschwinden.
Auftrag - Büro der Botschaft der Afrikanischen Union in Berlin
Das Berliner Taxi fuhr sehr langsam, obwohl wenig Verkehr war. Leon Draeger, ein leicht ergrauter, in jeder Hinsicht durchschnittlicher Mann