Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt

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Eva und das Paradies - Dominik Rüchardt

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ersten Termin mit einem neuen Auftraggeber. Die Fahrerin nervte. Wenn sie gerade nicht ihre Frisur richtete, glotzte sie in ihren riesigen Bildschirm. Das individuell abgestimmte Unterhaltungsprogramm zur Aktivhaltung des Fahrpersonals. Ein aufgeblasener Liebesfilm. Immer wieder retteten übernatürlich gut aussehende Männer schöne Mädchen aus einer Gefahr, jeweils gefolgt von einer ebenso dramatischen Bettszene. Darauf tiefe Verzweiflung, dann schmerzhafte Trennung.

      „Wieso geht das denn so langsam?“

      „Führe ich schneller, würde ihnen ganz schön schlecht werden“, erklärte sie in einem lang gezogenen, gelangweilten Ton. „Das Auto bremst dann immer wieder plötzlich. Automatische Gefahrenerkennung, Sie wissen schon, Fußgänger, Tiere und so.“

      „Dann stellen Sie die Automatik halt ab und fahren selber.“

      „Das ist gegen die Vorschrift. Die Versicherung. Tut mir leid.“

      Da ließ sich nichts machen. Leon Draeger hatte ja auch von Berufs wegen unauffällig zu sein, also wollte er keinen Ärger machen. Immerhin näherten sie sich ihrem Ziel, dem Büro der Afrikanischen Botschaft. Direkt neben dem Brandenburger Tor.

      Irgendwie hatte er etwas Dramatischeres erwartet. Elefanten oder dergleichen. Was er schließlich sah, enttäuschte ihn fast. Ein modernes, helles und offenes Gebäude, gepflegte, höfliche Menschen und klare Aussagen. Er tat sich schwer zu verstehen, wo er war.

      *****

      Währenddessen blickte Ochudo Bakari, stellvertretender Botschafter der Afrikanischen Union in Berlin, aus seinem Büro auf Berlin und wartete.

      Der drahtige Mittsechziger war im Geiste bisher nicht hier angekommen in Berlin. Europa und er passten nicht zusammen. Als Mann der ersten Stunde hatte er die Veränderungen Afrikas mitgestaltet, hatte die gesellschaftlichen Reformen zu Religion und Standesrecht vorangetrieben. Seine beste Zeit war beim Geheimdienst gewesen, als sie hinter den Kulissen die Fäden zogen, um Afrika aus den Klauen der Europäer und Chinesen zu befreien. Dann hatte er den Aufbau des afrikanischen Wirtschaftsmodelles mitgestaltet, das eine strenge Isolation vom Rest der Welt beinhaltete. Nun war er stellvertretender Botschafter in Europa. Leiter des Berliner Büros, eines der drei wichtigen neben Brüssel und Paris. Mit der Aufgabe, als Senior die Beziehung des neuen, selbstbewussten Afrikas zu Europa neu zu erfinden. Nur sollte man da, seiner Ansicht nach, so wenig wie möglich erfinden, sondern besser aufpassen, dass die Europäer nicht wieder in Afrika einfielen, um ihre hauseigenen Probleme zu lösen.

      Die illegale Einfuhr von Nutzpflanzen aus dem mittleren Afrika in die Region Wien störte ihn schon lange. Das war Schmuggel, und dabei entstanden Abhängigkeiten, die er für gefährlich hielt. Nun war der Chef dieser Gruppe, Jasiri Tyrese, auf ungeklärliche Weise verschwunden und für tot erklärt. Tyrese kannten sie, er war ein aufrechter Idealist. Ihm konnten sie vertrauen. Doch jetzt konnte das System außer Kontrolle geraten. Für ihn, Bakari, hieß das erhöhte Aufmerksamkeit. Die afrikanischen Aktivitäten Tyreses kannten sie so weit, von den europäischen bekamen sie dagegen so gut wie gar nichts mit. Das beunruhigte ihn besonders.

      Endlich meldete der Empfang die Ankunft des Agenten, der diskret die Hintergründe für sie herausfinden sollte. Der Mann, er hieß Leon Draeger, war so unscheinbar, wie Spione sein müssen. Draeger trat ein und Ochudo Bakari erläuterte ihm in knappen Worten seinen Auftrag, ohne seinen Platz am Fenster zu verlassen.

      Er wies ihn an zu ermitteln, was die Mitglieder von Tyreses Farm weiter unternahmen und beschloss seine Ansage mit der üblichen Zusammenfassung:

      "Sie erhalten Zugang zu allen uns bekannten Unterlagen. Damit meine ich das Dorf in Afrika, das die Waren liefert, alles, was wir über die Transportwege wissen, und nicht zuletzt unsere Kenntnisse über die Geschäfte am Wiener See. Es ist nicht viel, aber dafür beauftragen wir Sie ja. Sie sollen ein genaues Bild abgeben, wie die Organisation vernetzt ist und wie sie auf den Tod Tyreses reagiert. Für legale Aktionen erhalten Sie diplomatische Rückendeckung, sofern irgendwelche Fragen auftauchen. Sie sind im Auftrag des afrikanischen Zolls unterwegs. Illegale Aktionen können wir nicht decken. Das Ganze ist wie gesagt sehr heikel und wir, die afrikanische Staatengemeinschaft, wollen vor allem verhindern, dass wir in einen Streit um Patentverletzungen gezogen werden. Afrika verhält sich im Welthandel neutral beziehungsweise am liebsten gar nicht. Beachten Sie das bitte, sollten Sie je von Behörden nach Ihrem Auftrag befragt werden.“ Diplomatisches Luftholen: „Wir wissen, dass Ihr Unternehmen international tätig ist und auch in großem Umfang für die afrikanische Staatengemeinschaft arbeitet. Das sollte genügen, falls Sie in einen Loyalitätskonflikt geraten."

      Ochudo Bakari wandte seinen Blick über das Zentrum Berlins ab und dem Mann zu, an den die Worte gerichtet gewesen waren: "Ich erwarte einen wöchentlichen Bericht über die diskrete Post sowie eine Verfügbarkeit für Rückfrageninnerhalb von 12 Stunden.“

      Das war nur die mittlere Preisklasse für Ermittlungsleistungen und somit mitnichten ein Exklusivauftrag. Draeger würde ihn mit halber Kraft erledigen müssen und parallel andere Aufträge bearbeiten, um auf seine Auslastung zu kommen.

      GlobalResearch war der größte Anbieter diskreter Ermittlungen mit einem weltweiten Netz, aber als börsennotiertes Unternehmen auch streng durchorganisiert. Und ein einfacher Ermittler, auch wenn er auf eine beeindruckende Vorgeschichte verweisen konnte, musste zu jeder Zeit darauf achten, sein Geld auch tatsächlich wert zu sein. Die goldenen Zeiten für Geheimdienste, als staatlich finanzierte Sonderzonen ohne Geldsorgen, waren spätestens seit den Transparenzgesetzen der dreißiger Jahre vorbei, die dem überbordenden Ausspähen ein Ende gesetzt hatten. Aber das sollte kein Problem sein. GlobalResearch verfügte über ein hochintelligentes System, um Aufträge zu identifizieren, die sich bestmöglich kombinieren ließen, hinsichtlich Zeit, Reisen und Anforderungen an den Ermittler. Leon Draeger machte sich also ohne große Gedanken auf den Weg, um einen Arbeitsplan zu machen und diesen mit dem System abzustimmen. Immerhin ging es in Richtung Süden, das war gut.

      *****

      Als der Detektiv gegangen war, blieb Ochudo Bakari noch eine Weile nachdenklich sitzen. Wenn einen ein System beunruhigt, sollte man es nicht nur beobachten, sondern am besten auch stören. Eine alte Weisheit der Geheimdienste.

      Er schickte eine kurze Abfrage an das Auskunftssystem für politische Organisationen, grinste zufrieden und ließ sich an die Wiener Regionalverwaltung durchstellen. Eine kleine Bitte um Auskunft würde vermutlich schon mal einige Wellen schlagen.

      Unterm Baum – Feld bei der Biofarm am Wiener See

      In sich versunken saß Eva auf der Kuppe unter dem Baum und versuchte, nicht zu denken. Solange es leer in ihrem Kopf war, tat es nicht so weh. Eigentlich sollte sie verstehen, was passiert war, doch sie konnte sich nicht durchringen, darüber nachzudenken. Also saß sie einfach still da, nur ihre Augen beobachteten ihre Umgebung: kleine Tiere, die emsig ihrer Beschäftigung nachgingen, Blumen, die eifrig ihre Stempel hervorstreckten, Pflanzenkeime, die sich frech aus dem Boden reckten und ihren Platz suchten. Sie beneidete die Selbstverständlichkeit, mit der sie taten, was sie taten. Im Gegensatz zu ihr. Nichts war mehr klar seit der Nachricht des Standesbeamten. Sie hing in der Luft. Völlig. Mehr noch, sie hing in einer Finsternis ohne Richtung. Spürte nicht einmal ihre Gefühle. Nur dumpf nahm sie die Umgebung war. Der Blickkontakt mit den Kleintieren band sie immerhin irgendwie an die Welt, aus der sie gerade so gerne verschwunden wäre.

      Sie konnte auch nicht trauern. Kurz hatte sie überlegt, einen Stein aufzustellen, aber das hätte geheißen aufzugeben. All das, was geschehen war, oder auch nicht, war zu unecht. Unmöglich, sich darauf zu verlassen. Es war etwas, das sie im Moment irgendwie hinnehmen musste. Ergebnis ihrer außergewöhnlichen, verrückten Beziehung, die

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