Reise - Begleitung. Jürgen H. Ruhr
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„Frau Weru liegt auf Zimmer zweihundert und elf“, erfuhr ich nach einigen Minuten und mir fiel ein Stein vom Herzen. Wenn das nicht gerade die Pathologie war, musste Chrissi leben.
„Wie geht es ihr?“ - „Den Umständen entsprechend gut.“ Komisch, dieser nichtssagende Satz munterte mich auf. Irgendwie realisierte ich ja auch nur das letzte Wort ‚gut’. Chrissi ging es gut! Wunderbar. „Kann ich zu ihr?“
Die Dame hinter der Rezeption sah mich fragend an: „Sind sie ihr Ehemann? Oder mit ihr verwandt?“ - „Ich bin ihr Arbeitskollege - und Freund“, erklärte ich.
„Wir haben zwar keine festen Besuchszeiten“, meinte die Frau, „aber vielleicht können sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen? Jetzt schlafen unsere Patienten noch. Kommen sie doch um neun oder so wieder.“
Ich nickte. Das machte Sinn. Aber ich musste unbedingt genau wissen, wie es Chrissi ging. Man hatte mich nun lange genug warten lassen, vergessen quasi, und die Pauschalaussage, dass es ihr ‚gut’ ging, reichte mir natürlich nicht. „Kann ich denn mit jemandem sprechen, der Bescheid weiß, was Frau Weru fehlt?“, versuchte ich es erneut. Irgendwie musste doch ein Weg zu ihr führen.
„Ruhe fehlt ihr. Und der behandelnde Arzt ist auch noch nicht im Haus. Gedulden sie sich! Außerdem bin ich nur vertretungsweise hier, die Kollegin, die hier sonst arbeitet, kommt erst um acht.“ Sie widmete sich einigen Papieren und ignorierte mich geflissentlich.
Sah denn niemand, dass ich jetzt erfahren musste, wie es Chrissi ging? Die Unwissenheit bohrte in mir und wenige Sekunden später befand ich mich zurück in dem Warteraum. Nein, hier konnte ich nicht noch drei oder mehr Stunden warten, bis ich erfuhr wie es Chrissi wirklich ging.
Zimmer zweihundert und elf. Das konnte doch nicht schwer zu finden sein! Nur ein Blick auf meine Kollegin und dann wäre ich beruhigt. Das durfte mir doch schließlich niemand verwehren.
Zimmer zweihundertelf war schon in Sichtweite, als mich eine barsche Stimme von hinten anrief: „Hier steckt du also. Verdammt, du bist echt spät dran. Aber was erwartet man auch ...“
Überrascht drehte ich mich um und blickte auf eine zierliche junge Frau in einem Schwesternkittel. „J...“, wollte ich gerade erklären, als sie mich unterbrach: „Jens. Ich weiß. Du bist der Bufdi auf den wir schon die ganze Zeit warten. Und du bist echt spät dran!“
Bufdi? Ich war doch kein Bufdi? Oder meinte sie Grufti? Damit bezeichneten sogenannte junge Leute ihre älteren Mitbürger. Aber Bufdi? „Was äh, ist ein Bufdi?“
Die Schwester sah mich an: „Jens, Jens. Du bist aber auch nicht der Hellste, was? Du bist ein Bufdi. Das solltest du aber wissen. Bundesfreiwilligendienst. Hallo! Jemand zu Hause?“ Sie war die zwei Schritte schnell heran und klopfte mir mit den Fingerknöcheln auf die Stirn. Reflexartig wollte ich ihren Arm greifen und eventuell ein wenig verdrehen oder brechen, als ich innehielt.
„Ich bin kein Bufdi oder Grufti oder was auch immer. Mein Name ist J...“ - „Na klar. Dein Name ist Jens, das weiß ich schon. Ich bin Ywonne. Mit Ypsilon am Anfang und Wonne danach. Also quatsch hier keine Opern und komm mit. Und zieh’ das hier an.“ Sie warf mir einen Kittel zu, den ich geschickt auffing. Dadurch war ich einen Moment abgelenkt und kam nicht zu einer weiteren Erwiderung. Die Schwester eilte davon. Ich warf noch einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf Zimmer zweihundert und elf, dann ging ich ihr hinterher. Sie wartete schon an einem kleinen Schwesternzimmer auf mich. „Jens, Jens“, meinte sie tadelnd. „So wirst du aber bei uns nicht lange durchhalten! Zeit ist Geld und wir haben hier beides nicht.“ Sie lachte leise. „Und zieh’ endlich den verdammten Kittel an.“
Ich sah mich genötigt, ihren Befehlen zu folgen. Bestimmt könnte ich ihr jeden Augenblick alles erklären. Und der Kittel stand mir wirklich gut ...
„Nun steh da nicht so dämlich rum, Jens! Wir haben genug Arbeit. Also, nur keine Müdigkeit vortäuschen. Hier hast du eine Liste. Du gehst jetzt in die Zimmer und misst bei den Leuten den Blutdruck. Die Werte trägst du dann in diese Liste ein. Hast du so etwas schon einmal gemacht?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sie seufzte auf. „Auch das noch. Jetzt muss ich dem kleinen Hosenscheißer erst noch alles zeigen! Also los - komm mit.“ Sie rannte auf das nächstliegende Zimmer zu. „Ich dachte, ich wäre ein Bufdi und kein Hosenscheißer“, versuchte ich einen Scherz. Das würde die Situation doch bestimmt auflockern.
„Witzig biste auch noch“, konterte sie und riss die Tür auf. Vier verschlafene Gesichter blickten erschrocken hoch.
„Morgen. Hier ist der neue Bufdi.“ Sie zeigte auf mich. „Jens.“ Damit erlosch ihre Konversation auch schon und der nächstgelegene Patient wurde zu ihrem Opfer auserkoren. Ich sah ihr zu, wie sie die Manschette des Blutdruckgerätes um den Oberarm schlang und dann den Einschaltknopf betätigte. Surrend pumpte das Gerät Luft in die Manschette.
„So geht das. Alles klar Jens?“
Ich nickte. War ja nicht so schwer.
„Dann trägst du hier die Werte ein. Sie las etwas von dem kleinen Display ab und kritzelte Zahlen in eine Tabelle. „Den Rest kannst du ja alleine. Ich habe noch genug andere Sachen zu tun. Du weißt ja: Zeit ist Geld.“ Damit ließ sich mich stehen und klappernd fiel die Tür hinter ihr zu. Ein Aufatmen ging durch den Raum.
„Dat is nen echten Drachen“, meinte ein alter Mann aus dem Nachbarbett. Ein anderer nickte bestätigend: „Und hat nie auch nur ein freundliches Wort für uns.“ - „Anjeblisch hat die nie Zick.“ Der erste wieder. „Abber dat sacht die nur so. Dann sitzt se stoondelang un dringgt Kaffee.“
„Der muss mal jemand wirklich Bescheid sagen“, mischte sich ein Dritter ein, der sich noch verschlafen die Augen rieb. „Schade, dass du nur der Bufdi hier bist. Ein Oberarzt müsste her.“ Die Männer in dem Zimmer lachten bei dem Gedanken, wie ein Oberarzt die ungeliebte Schwester zusammenstauchen könnte.“ Mir kam eine Idee.
Mit der geliehenen Aktentasche und einem etwas engen Jackett von einem der Männer aus dem Zimmer trat ich in das kleine Schwesternzimmer. Die Sichtschutzrollos waren heruntergelassen und es herrschte eine schummrige Dunkelheit in dem Raum. Dafür roch es umso intensiver nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Schwester Ywonne - die mit dem Y und der Wonne - saß vor einem Computerbildschirm und surfte offensichtlich im Internet. Sie hatte nicht gehört, wie ich den Raum betrat, denn gleichzeitig telefonierte sie noch mit einem Handy. Ja - Frauen können wirklich mehrere Dinge gleichzeitig tun.
„Sicher Darling. Ich mache heute auf jeden Fall pünktlich Schluss. Kann da kommen was will. Nein, nein, keine Sorge. Ah, warte mal - da ist ja das Video.“ Sie klickte mit der Maus herum und auf dem Bildschirm erschien das Video einer Musikband. „Krass. Die Jungs sind wirklich klasse. Wir müssen unbedingt in das nächste Konzert von denen. Schade, dass hier kein Ton ist. Aber für ein paar vernünftige Lautsprecher waren die wohl zu geizig. Aber geil sieht die Band aus auf dem Video. Genau wie im letzten Konzert.“ Sie klickte wieder herum und ein Video mit Menschen, die auf alle möglichen Arten und Weisen auf die Nase fielen, erschien. „Jetzt habe ich ein geiles Video. Musst du dir auch mal ankucken. Wie das heißt? Keine Ahnung, warte ich schau mal.“
Aber zum Schauen kam Ywonne nicht mehr, denn meine Faust krachte auf den Tisch. Gleichzeitig hielt ich ihr kurz meinen Detektivausweis vors Gesicht, aber so, dass sie nichts lesen konnte. „Krankenhaus Dienstaufsicht“, donnerte ich. Genauso, wie ich es mir vorhin in dem Krankenzimmer ausgedacht hatte. Wenn schon nicht