Retour. Dennis Weis
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Ein Dieb zu werden war weniger ein Entschluss, wenn nicht vielmehr das Resultat, ein ebenso schönes Leben führen zu können wie es andere hatten. Die Schulen waren früher viel kleiner. Es gab auch weniger Menschen und nicht jedes Kind ging in eine Schule. John aber musste, ob er wollte oder nicht. Ma hatte immer darauf bestanden. Wenn er einmal nicht hingehen wollte, schleifte sie ihn durch die halbe Stadt und brachte ihn zur Schule.
Ma war eben kräftig. Selbst die Lehrer hatten Respekt vor der alten Dame, denn ihr Auftreten imponierte so manchen. Ohne sie wäre John nie und nimmer durch die Schule gekommen. Allerdings wurde er jedes Mal geschnappt, wenn er stehlen wollte. Ob nun Schulmaterialien, wie Kreide oder das Brot der anderen, John war einfach nicht geschickt darin, andere zu bestehlen. Leider hatte er auch keine andere Fertigkeit, die ihn auszeichnete als er ein Kind war.
Die Lehrer bestraften ihn stets mit Ausschluss aus dem Unterricht oder aus anderen Ereignissen, sodass er zu einem Außenseiter wurde. Zudem verpasste er auf die Art auch noch Unterrichtsstoff, weshalb er die Schule eher nicht mit einem hervorragendem Abschluss beendete, als vielmehr mit einem- sagen wir- teilgenommen.
Aus diesem Grunde tat es John auch nie Leid, dass er die anderen bestohlen hatte, denn seiner Meinung nach waren sie schlechte Menschen. Er fühlte sich ein wenig wie Robin Hood, der es den Reichen nahm, um es den Armen zu geben. Die Reichen waren in diesem Fall die Dorfbewohner und die Armen, eigentlich die Arme, war seine Ma.
Als Kind konnten die meisten Erwachsenen ihm seine lächerlichen Diebstähle verzeihen, war er doch der Sohn einer Witwe. Die anderen Kinder verziehen ihm absolut nichts und hänselten und ärgerten ihn, wo sie nur konnten. Andere Kleinganoven nutzten ihn als Prellbock, um eigene Taten zu verdecken. Er wurde demzufolge ebenso für Taten beschuldigt, für die er nichts konnte.
Bis er erwachsen geworden war, gehörte er der immer gleichen Gruppierung an, obwohl sie ihn ausnutzten. Die dreckigsten, fiesesten, übellaunigsten, stinkigsten, geldgeilsten, maskulinsten… ach, einfach die vier Gauner, die Woodstock zu bieten hatte, so hieß das kleine Dorf, in welchen sie lebten, befanden sich halt in dieser Bande.
Sie nannten sich „Vogelscheuchenbande“, da für sie Vogelscheuchen etwas Schreckliches, Angsterregendes und Gruseliges hatten. In dieser Bande waren zum einen Bill, der Kopf, obwohl genau genommen zwar als „Bill, the Brain“ zu bezeichnen war, gemessen an einer Durchschnittsintelligenz eben genau diese besaß. Er war wie der Einäugige unter Blinden. Die meisten Ideen für Überfälle oder Diebstähle kamen von ihm. Ein weiterer war Pancho. Wie aus seinen Namen herzuleiten war, kam er aus Mexiko und wurde allein aus diesem Grunde aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Panchos Eltern kamen aus Chihuahua, was an sich schon Anlass genug für die meisten war, sie als „Hunde“ zu bezeichnen. Er wurde demzufolge auch „Puppy- Pancho“ genannt. Den zweiten Immigrantensohn, den die Siedlung zu bieten hatte war Wong. Auch hier ließ sich herleiten, dass er ganz klar aus Massachusetts kam. Nein, seine Eltern kamen aus China. Allerdings hatte Wong im Gegensatz zu seinen Gaunerkollegen meist nichts zu befürchten, denn er konnte Karate, was ihm eine Menge Respekt und dem Spitznamen „Strong- Wong“ verschaffte Es mochte ihn trotzdem keiner. Der letzte im Bunde war eben unser bekannter John, the Con.
Die Bande verbreitete keine Angst und Schrecken, sondern nervte die Bewohner. So ging es jahrelang. Die meisten Diebstähle gingen schief oder wenn sie erfolgreich waren, war der Gewinn- die Beute- nicht so groß, sodass sich davon leben ließe. In den meisten Fällen versuchten die anderen Vogelscheuchen, John alles anzuhängen, aber eher auf die Art, dass er es nicht merkte und meisten klappte das auch.
Doch dann kam alles anders und Johns Leben sollte sich schlagartig ändern. Es begann alles damit, dass mehrere Ereignisse aufeinandertrafen. Zum einen traf einer der gefährlichsten Räuber und Revolverhelden des Wilden Westens auf- also ein echter seiner Art. Es niemand geringeres als Jesse Ringo. Bei seinem Namen zitterten die meisten Menschen. Er war eine kleine Berühmtheit, da er es geschafft hat, landesweit jede große Bank ausgeraubt hatte. Allerdings waren seine Laster derartig groß, sodass die Moneten nie lange bei ihm blieben.
So kam es, dass Jesse Ringo nach Woodstock kam, denn er war- verständlicherweise- auf der Flucht. Zufälligerweise hatte in Woodstock gerade eine neue Bank ihre Heimat gefunden. Und Woodstock wollte sie, denn mit einer Bank wuchs auch die Siedlung. Jesse Ringo schnappte in einem Saloon auf, dass es die Vogelscheuchenbande gab und machte sich auf die Suche, um die Jungs zu finden. Sein Ziel war klar: Er wollte die Knete aus dem Tresor der Bank.
„Also Mädels“, sagte Jesse Ringo, nachdem er der Vogelscheuchenbande seinen Plan erklärt hatte, „macht ihr euch in eure Höschen oder seid ihr Männer und macht mit?“
Keiner der Jungs ließ sich als Mädchen bezeichnen! Natürlich waren sie Männer. Wenn nicht sie, wer dann?
„Klar“, bestätigte Bill the Brain, „aber was springt für uns dabei heraus?“
„Ruhm und Ehre“, lachte Jesse Ringo und schaute in die Runde.
Die anderen guckten sich gegenseitig an. Sie konnten nicht recht glauben, was sie da hörten. Was sollten sie mit Ruhm und Ehre? Dadurch konnte man sich auch kein Whisky kaufen.
„Oh mein Gotte, Mädels“ unterbrach Jesse Ringo die Gedanken der Bande, „ich mach‘ doch nur ein kleines Späßchen. Ihr bekommt natürlich euren Anteil. Wir machen Fifty Fifty.“
„Das klingt gut“, willigte Bill the Brain ein, „das machen wir.“
„Aber ich will nicht nur 50 Dollar haben“, machte Puppy- Pancho deutlich.
„Aber so ist das nicht“, erklärte Bill the Brain, „es bedeutet, dass wir halbe halbe machen, ok?“
„Und warum sagen wir das nicht so?“ wollte Puppy- Pancho wissen.
„Ach“, antwortete Bill the Brain, „weil das so ist.“
Bill the Brain war es leid, immer alles zu erklären. In Jesse Ringo sah er einen Ebenwürdigen, vielleicht sogar ein Vorbild. Aus diesem Grunde ignorierte er auch, dass seine Bande gerade über den Tisch gezogen worden war.
„Hey“, flüsterte Jesse Ringo Bill the Brain zu, als die anderen beschäftigt schienen, „die sind ja alle derartig hohl in der Birne. Wie wär’s wenn wir beide teilen und die anderen bekommen einen kleineren Teil, mh?“
Bill the Brain nickte.
„Ich krieg 60% und 30%, also bekommst du die Hälfte, die anderen kriegen den Rest“, schlug Jesse Ringo vor, „na, wie wär’s ?“
Bill the Brain wollte in diesem Moment nicht zugeben, dass er kein Wort verstanden hatte und somit seinem Beinamme „Brain“ nicht mehr gerecht werden würde. Im Prinzip verhält es sich, als wenn man einen Witz nicht verstanden hat, aber trotzdem mitlacht.
„Klar, machen wir“, stimmte Bill the Brain zu und Jesse Ringo wusste, mit wem er es zu tun hatte.
Der große Coup startete um Mitternacht. Jesse Ringo hatte alles durchdacht, selbst wie er mit allem aus der Nummer wieder herauskommen sollte und die anderen dafür büßen sollten.
Bill the Brain und Jesse Ringo stiegen ein, während Strong- Wong und John Wache standen. Dabei hätte beinahe alles schiefgehen können. Ein Fenster, welches zum Lüften halb offen gelassen worden war, diente ihnen als Einlass. Das Bill nicht der schlankste war, erwies sich