Todesangst in der Nordeifel. Jean-Louis Glineur

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Todesangst in der Nordeifel - Jean-Louis Glineur

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und mir kriselte viele Monate. Meine Marianne wohnte ein paar Wochen in einem der schönen Häuser in Hammer, das meiner Schwester gehört. Auch unser Sohn war oft bei ihr, und wir sahen uns fast täglich. Die letzten Wochen liefen wieder gut, weil ich versprach, dass ich weniger arbeiten und mich meiner kleinen Familie widmen werde. Marianne hatte schon alles gepackt, um zurück zu kehren. Am Sonntag hatte sie noch gelästert, weil Max und ich ausgelassen vor der Glotze saßen und Formel 1 schauten und ging eine Runde laufen. Unser Kleiner ist ein Autonarr. Das ist jetzt vier Wochen her.“

      Belder schluchzte und konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

      „Marianne wollte den Tag später wieder zu mir und Max zurückkehren. Sie ist jetzt wieder da, aber sie ist oft wie in Trance. Ich möchte, dass sie recherchieren. Für jeden Preis. Das Geld habe ich. Der Jaguar vor der Tür wird morgen verkauft und bringt runde 25.000 Euro. Und ich habe Erspartes.“

      Belder zog erneut tief an der Gauloises und würde wohl nie ein Kandidat für eine Anti-Raucherkampagne.

      „Ich habe bei der Polizei Schleiden einen Freund, Kommissar Welsch von der Kripo. Wieso Schleiden zuständig ist, weiß ich nicht. Falls es da überhaupt eine Regelung gibt. Polizeiarbeit hört ja nicht an der Kreisgrenze auf. Ich weiß nur, dass er von ähnlichen Fällen in der Vergangenheit erzählt hat, die in den Wäldern um Gemünd, Hellenthal und Kall seit drei oder vier Monaten geschahen. Es soll mindestens vier Fälle geben, und die Opfer konnten jedes Mal fliehen. Auffällig sei, dass alle Opfer von einem Mann mit polnischem oder slawischen Dialekt sprachen. Welsch wollte den Fall unbedingt, aber er muss sich an Vorschriften halten. Der Kommissar weiß, dass ich bei Ihnen bin und hat zuerst die Augen verdreht. Er war nicht begeistert, aber er hat mir erzählt, dass Sie ihm auch früher den einen oder anderen Tipp gegeben haben und er Ihnen etwas schuldig ist. Außerdem kennen Sie meine Frau. Sie haben als Teenie blind für sie geschwärmt. Hat sie mir mal erzählt. Bevor wir heirateten und sie den Namen Belder annahm, hieß sie Zeyen.“

      Ich hatte ein ‚verdammte Scheiße‘ auf der Zunge. Verdammt, Marianne Zeyen, die ich als Junge von 17 Jahren heimlich, still und leise wie eine Göttin verehrte. Dann fiel ich bei ihr komplett durch, als sie mich beim Kiffen in meiner Clique erwischte. Vier Wochen hatte sie damals nicht mir mir geredet. Marianne, mein Gott, das war jetzt 23 Jahre her. Jetzt erkannte ich auch Wolfram wieder.

      „Ich nehme den Auftrag an und über das Geld reden wir gleich. Und ich fände es okay, wenn wir uns auf Wolfram und Alwin einigen. Ich möchte dir helfen, aber ich brauche noch mehr Fakten. Und behalte erst mal deinen Jaguar.“

      Ich nannte Wolfram meine Tagessätze. Spesen und mögliche Schmiergelder hatte er zu tragen. Wolfram ging, und ich hing meinen Gedanken nach. Ich war damals ein Teenager und liebte Marianne heiß und innig. Ihrer Familie ging es finanziell nie sehr gut und sie trug oft die abgetragene Kleidung ihrer älteren Schwester Tiffany. Doch selbst in Lumpen hätte Marianne wie eine Prinzessin ausgesehen. Sie hatte das Lächeln von der verstorbenen Lady Diana und den grazilen Körper einer Ballettschülerin. Und sie hatte einen aufrechten Gang wie Sophia Loren. Wir waren uns nur einmal nah, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Als sie ihren 16. Geburtstag hatte, stach meine Überraschung alle anderen aus. Ich hatte ihr einen großen Blumenstrauß und ein Plüschtier mitgebracht. Sie liebte Stoffesel, und das Plüschvieh und sie waren wie eine Liebe auf den ersten Blick. Erst drückte sie den Esel und dann mich.

      Ich las zum elften oder zwölften Mal die beiden Berichte über den Überfall auf Marianne, die aus der Rundschau stammten. Deren Lokalredaktion sitzt in Gemünd, und mein Freund Christian Hermes ist dort Redakteur und Spürnase für alle brisanten Dinge, die in der Eifel und im Grenzgebiet Belgiens laufen. Er wäre sicher noch eine große Hilfe. Doch zuvor rief ich in Euskirchen beim Stadt-Anzeiger an und bat, dass ich auch die Berichterstattung von dort per Fax erhielt. Das Phantombild des Vergewaltigers war größer als der Abdruck in der Rundschau. Ein Gesicht mit stechenden Augen, einer langen Nase und schmalen Lippen starrte mich an. Seine Haare waren dunkel, kurz und die hohe Stirn ließ auf Haarausfall in früheren Jahren schließen. Er hatte ein markantes Doppelkinn. Marianne hatte bei der Beschreibung des Täters angegeben, dass seine Schneidezähne verschoben waren. Ich wollte mich gerade bei Pete Becker bedanken, als mein Faxgerät alle Seiten ausgespuckt hatte.

      „Bleib’ dran, Alwin, hier kommt ganz frisch eine Meldung rein. Es wurde heute Nachmittag wieder eine Frau gefunden, diesmal tot und vermutlich auch vergewaltigt. Du kannst in zwanzig Minuten dort sein, denn der Fundort ist zwischen Broich und Winzen. Verdammte Scheiße!“

      Kapitel 3

      Die Verbindung war unterbrochen, ich ließ meinen alten Honda Civic aufheulen und wühlte mit einer Hand nach meiner Digitalkamera. Ich schoss durch die engen und kurvigen Straßen von dem kleinen Dedenborn, um dann Richtung Einruhr zu jagen. Vorsicht, Junge, dachte ich mir, in dieser tückischen Kurve nach Rurberg hast du bereits vor vielen Jahren einen Alfa verschrottet. Aber mit dem Civic schoss ich driftend durch die Unheilkurve. Ich pfiff auf die Tempo 50 in Einruhr und erwischte am Ausgang die stationäre Radarfalle. Naja, 75 statt 50 Stundenkilometer sind noch bezahlbar. Ich jagte bis Gemünd, bog rechts nach Olef ab und schlich durch den verkehrsberuhigten kleinen Ort, um dann auf der steilen Straße bis Winzen jeden Gang voll auszudrehen.

      Ich musste nicht lange suchen, bis ich zwischen Notarzt, Polizeifahrzeugen und einem Leichenwagen Kommissar Welsch und Christian von der Rundschau entdeckte. Die Straße war von beiden Richtungen abgesperrt, und ich sah mehr als ein Dutzend Beamte, die bemüht waren, Spuren zu sichern. Andere versuchten, die neugierigen Zuschauer zurück zu drängen. Der Mord hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Ich parkte den Civic schräg in die Böschung und quälte mich mit Kamera und Tonband aus dem kleinen Japaner. Welsch musterte mich mürrisch und starrte Christian böse an.

      „Ich habe Herrn Schreer nicht informiert“, meinte er trocken. Welsch kam langsam auf mich zu, denn viele Jahre Schreibtischdienst und ebenso viele Tafeln Schokolade hatten aus dem etwa fünfundvierzigjährigen Mann eher eine Kugel auf zwei Beinen geformt. Christian Hermes von der Rundschau schlich ihm achtlos nach, und in diesem Augenblick kreischten die Räder von Pete’s Clio. Verspätet, aber nicht zu spät, hatte er es aus der Redaktion in Euskirchen noch geschafft und hetzte, mit Kameras überhängt, auf uns zu. Sein überhitzter Renault war froh über diese Verschnaufpause.

      Welsch nahm die Gauloises, die ich ihm anbot. Dass es meine letzte war, störte ihn nicht. Das hat ihn noch nie gestört, und ich schnorrte mir eine Lucky Strike bei Christian.

      „Sie, meine beiden Herren“, fuhr Kommissar Welsch die beiden Journalisten an, „Sie können jetzt Ihre Fotos machen und mit meinem Kollegen Breinig reden. Aber wehe, Sie treten irgendwohin, wohin Sie es nicht dürfen! Spuren haben wir noch nicht endgültig eingesammelt und Sie bleiben außerhalb der Absperrung! Ist das K-L-A-R ?“

      Welsch drehte seinen behäbigen Körper mit mindestens 130 Kilo Lebendgewicht und der Größe einer nur mittelhohen Kommode wieder zu mir. Ich hätte ihn aufmerksam machen sollen, dass er bereits den Filter rauchte, aber eigentlich war er alt genug, diesen Geschmacksunterschied auch ohne detektivischen Sachverstand zu bemerken.

      „Alwin, wir kennen uns lange genug, und ich wundere mich auch nicht, wenn du hier überraschend auftauchst. Ich schulde dir auch den einen oder anderen Gefallen und weiß, dass Wolfram Belder dich engagiert hat.“

      „Hat er, soeben, heute Vormittag. Und wenn du meine Hausbank fragst, wird sie dir bestätigen, dass ich dringend Bares einfahren

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