Todesangst in der Nordeifel. Jean-Louis Glineur

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Todesangst in der Nordeifel - Jean-Louis Glineur

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allem Trauma-Patienten therapeutisch behandelt und betreut werden. Marianne rief bereits sehr früh an und will sich gegen alles, was geschah, aufbäumen. Sie weiss, dass ich dich beauftragt habe und hat gebeten, dass du vorbeikommst. Sie will mit dir reden. Ich würde mitfahren, aber sprechen möchte sie mit dir allein.“

      Ich hörte den Jaguar wie einen Tenor brummen und sah, wie Wolfram direkt vor der Tür parkte. Mein Büro lässt einen Blick auf das ruhige Leben auf Dedenborns Hauptstraße zu. Nur sonntags ist hier der Teufel los, wenn holländische Motorradfahrer durch die Eifel touren. Von Ruhe konnte aber auch jetzt keine Rede mehr sein, denn die Dorfkinder, die gegenüber einen Esel namens Ekkehard streichelten und mit Möhren fütterten, stürmten auf Wolfram zu. Der Sportwagen war eine Attraktion, und die Kleinen wollten alles wissen, wie schnell der Jaguar sei, wie viel Pferdestärken er unter der Haube hat und ob der Motor vorne oder hinten sitzt. Wolfram schien für Augenblicke die Welt zu vergessen und hockte sich zu den Kleinen, die ihn mit Fragen bombardierten.

      Anne würde die Stellung halten und mit Welsch in Kontakt bleiben. Sie würde auch mit Christian von der Rundschau und Pete vom Stadt-Anzeiger in Verbindung bleiben. Die Presse wusste noch nichts von dem weißen Lada Niva. Kommissar Welsch hatte entschieden:

      „Nachrichtensperre! Wenn der Mörder oder der Fahrer von der Karre liest, dass wir den Lada suchen, dann verschwindet diese Blechbüchse vermutlich in einem Erdloch!“

      Wolfram jagte den Jaguar über die A1 und ließ den Zwölfzylinder mit fast 240 Sachen auf das Kreuz Bliesheim zudreschen. Er war ein sicherer und konzentrierter Fahrer. Sein Tempo erinnerte mich an meinen Alfa Romeo Spider, den ich nach meinem Unfall eingemottet hatte. Der kleine Honda, 13 Jahre alt und mit 75 PS wesentlich bescheidener, tat auch seinen Dienst.

      Wir redeten wenig und Wolfram wurde erst gesprächig, als er vor Godorf auf die Autobahn Richtung Bonn abbog.

      „Du warst in Marianne verliebt, und ich weiß, dass du sehr behutsam und einer der wenigen Freunde geblieben bist, nachdem sie damals das erste Mal missbraucht worden ist. Aber warum habt ihr euch aus den Augen verloren?“

      Ich dachte einen Augenblick nach und fand Wolframs Offenheit angenehm. Er schien mir, dem Mann zu vertrauen, der vor rund 20 Jahren gerne an seiner Stelle mit Marianne vor den Traualtar getreten wäre.

      „Ich habe es irgendwann nicht mehr ertragen, nur der ’gute Freund’ zu sein. Der Leidensdruck wurde immer größer, und wir haben uns aus den Augen verloren, als ich neunzehn war. Die Freundschaft schlief sanft ein. Da war kein Streit und kein Stress, und ich hörte irgendwann, dass sie dich kennen gelernt hat. Ich habe mich sogar hinter ein paar Autos versteckt, um zu schauen, wie ihr später aus dem Standesamt in Schleiden heraus gekommen seid. Ich hatte Krokodilstränen in den Augen.“

      Wolfram schwieg einen Moment. „Weißt du, einfach war es nie. Marianne hatte immer, na ja, Probleme mit Sex. Die Vergewaltigung mit siebzehn hatte sie gegenüber Männern vorsichtig gemacht. Sie... sie konnte sich nur schwer hingeben. Aber ich habe sie geliebt, wie es in der Kirche heißt, in guten und in schweren Zeiten. Du wirst nicht wissen, dass sie zwei Fehlgeburten hatte. Als unser Sohn vor drei Jahren geboren wurde, taute Marianne auf und verlangte mehr von mir. Mehr Zeit miteinander, und daran wäre unsere Ehe fast gescheitert, weil sie sich allein gelassen fühlte. Nachdem der Kleine geboren wurde, begann unsere Ehe eigentlich richtig. Und ich liebe sie immer noch wie am ersten Tag.“

      Wir fuhren die Autobahn Richtung Siegburg, um uns dann auf die Spur nach Königswinter einzuordnen. Wolfram nahm Gas weg und steuerte durch die drei Tunnel Richtung Bad Honnef. Wir stellten den Jaguar auf dem Parkplatz an der Luisenstraße ab.

      Die Rheinklinik war gegenüber von dem Parkplatz. Das Gebäude mochte 30 Jahre alt sein und wirkte freundlich. Bad Honnef, die kleine Stadt mit vielen wohlhabenden Bürgern, gefiel mir. Wolfram hatte seine Frau aus dem Auto angerufen, und Marianne kam zögernd auf uns zu. Sie wankte leicht wie jemand, der ein Bier zuviel getrunken hat. Ich war sicher, es waren die Beruhigungsmittel.

      Wolfram umarmte und küsste sein Frau zärtlich. Der kleine Max sei bei ihrer jüngsten Schwester Marlene, sagte er, und dass er uns beide jetzt alleine lassen würde.

      Ich hatte mich ein paar Schritte im Hintergrund gehalten. Marianne kam auf mich zu und gab mir die Hand. Sie lächelte plötzlich, und ich sah ein Strahlen in ihren Augen. „Lass dich umarmen, lieber Alwin. So viele Jahre sind vergangen, und du hast immer noch keinen vernünftigen Haarschnitt.“

      Wir spazierten nach Bad Honnef und setzten uns auf die Terrasse vom Café Nottebrock. Wir bestellten Milchkaffee und lächelten einander an. Ich saß wie auf heißen Kohlen und vergaß für Augenblicke den Grund meines Besuches. Ich fühlte mich wieder wie mit siebzehn. Verliebt und nervös. Wir sprachen über belanglose Dinge und über die Dinge, die ich in den letzten Jahren getrieben hatte. Sie wusste von meinem Job, denn Anne und ich inserierten regelmäßig in den kostenlosen Wochenblättern der Nordeifel.

      „Ich habe nichts gegen die Polizei und sie haben mich nach dem Überfall gut behandelt“, begann Marianne das Thema, das ihr Leben vor vier Wochen veränderte. „Aber ich habe Wolfram zugestimmt, dich zu engagieren, weil du als Privatdetektiv auch vielleicht Wege gehen kannst, wo der Polizei die Hände gebunden sind.“

      „Welsch hat damals das Protokoll aufgenommen, wie ich weiß. Er hat zwar das Auftreten von einem Nilpferd, aber er ist eine Superbulle.“

      „Ja, Herr Welsch war sehr behutsam und hat eine weibliche Kollegin hinzugezogen, die extra aus Euskirchen kam. Er hat drei Töchter und ist vielleicht auch deshalb nicht durch seinen Job abgestumpft.“

      Ich nahm die Berichte und das Phantombild des Mannes aus meiner Jackentasche.

      „Ich habe eine Menge Informationen, aber vielleicht entdecken wir noch etwas, dass den Polizeibeamten nicht aufgefallen ist. Ich habe aus den Akten verstanden, dass du den Mann weder gesehen oder gehört hast. Du hast ihn erst entdeckt, nachdem er dir diesen Stein an den Kopf geworfen hat. Richtig?“

      „Ja, so war das. Mir war erst schwindlig und ich fühlte das Blut an den Händen. Es lief mir in die Augen. Die Platzwunde musste genäht werden.“ Marianne zeigte auf eine Narbe an der Stirn. Sie war sauber genäht worden und würde gut verheilen.

      „Trotzdem interessieren mich noch einige Umstände. Du sagst, dass er zu Fuß war. Um diese Uhrzeit trifft man höchstens Jogger und noch keine Wanderer. Kannst du dich an ein Auto oder an ein Motorrad erinnern? Der Typ wird weder aus Hammer oder Dedenborn sein, denn dann hätte man ihn längst gefasst.“

      Marianne schloss die Augen und konzentrierte sich. Ihre Mundwinkel zuckten leicht. Ich störte sie nicht und ließ sie nachdenken. Sie redete bedächtig, die Augen immer noch geschlossen.

      „Wenn du aus Richtung Dedenborn nach Hammer fährst, gibt es rechts so eine Art Jugendcamp oder so etwas ähnliches. Ein paar hundert Meter weiter ist ein Parkplatz und eine kleine Brücke, die über ein Bächlein führt. Gegenüber der Straße ist so etwas wie eine andere Parkmöglichkeit. Das kann man von meiner Laufstrecke einsehen. Und da stand ein weißes Auto, ziemlich verrostet, irgendeine kantige Karre. Der Wagen ist mir auch schon vorher aufgefallen, weil morgens eigentlich nie jemand da parkt.“

      Ich griff in meine andere Jackentasche und legte ein Foto von einem Lada Niva auf den Tisch.

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