Wehe, wenn Santa kommt!. Jay Baldwyn

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Wehe, wenn Santa kommt! - Jay Baldwyn

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Dann machte sie eine ruckartige Bewegung und rannte wie wild in den Keller hinunter. Sekunden später ertönte ihr markerschütternder Schrei.

      Unten, in der Hobbywerkstatt, hing ein unförmiges Gebilde an einem Fleischerhaken an der Wand. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass es Sidney war, der vollständig in Lichterketten eingehüllt war. Sodass er wie ein leuchtender Kokon wirkte. Aber das Grausigste war, dass die Kette auch in seinen Mund führte und am After wieder austrat. Dadurch wirkte sein Körper auch von innen wie illuminiert. Seine starren Augen zeugten davon, dass er tot war.

      Lacy rannte wie von Sinnen die Treppe hinauf und holte im Schlafzimmer aus einem Wandschrank eine alte Pistole hervor, die sie mit zitternden Fingern mit Patronen befüllte. Dann lief sie zurück in den Livingroom und richtete die Waffe auf den falschen Weihnachtsmann.

      »Happy Christmas!«, sagte er grinsend. »Hat Ihnen das zweite Geschenk besser gefallen?«

      Lacy drückte ohne zu Zögern ab. Doch der Schuss ging ins Leere. Dort, wo eben noch Santa Claus gestanden hatte, gab es nur noch feinen Nebel, der sich alsbald auflöste. Die entsetzte Frau raufte sich die Haare und rannte aus dem Haus. Statt die Polizei zu rufen, suchte sie ihr Heil bei den Nachbarn.

      Detective Amos Snider freute sich auf den Weihnachtabend. Als er nach Hause kam, tönte aus dem Radio in der Küche „Wonderful Dream“ von Melanie Thornton. Ein Hit von 2001, den Coca Cola für seine Werbung verwendet hatte.

      »Kannst du das bitte etwas leiser machen?«, sagte Amos, woraufhin seine hübsche Frau, Frances, sofort zum Radio ging. Als sie wiederkam, umringten Amos die halbwüchsigen Zwillinge Jesse und Pamela, weil sie wie stets glaubten, ihr Anliegen sei das wichtigste.

      »Nun lasst doch euren Dad erst mal ankommen. Ihr habt ihn ja noch den ganzen Abend«, gebot Frances ihnen lächelnd Einhalt.

      »Wenn er heute ausnahmsweise nicht gebraucht wird«, sagte Emily, Frances’ Mutter, die erhitzt aus der Küche kam.

      Emily Kruger, die eigentlich Emilie Krüger hieß, kam aus dem Bergischen Land und lebte seit mittlerweile zwanzig Jahren in den Staaten. Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, dass man in den USA Umlaute ignorierte, weil man sie nicht aussprechen konnte. So wurde aus Müller Muller und aus Krämer Kramer. Ihr Mann, Archibald Krüger/Kruger, war vor fünf Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Aber Emily beziehungsweise Emilie war alles andere als eine lustige Witwe. Dazu war sie zu glücklich verheiratet gewesen. Jetzt bewahrte sie Archibalds Andenken und kümmerte sich mit Leidenschaft um ihre Tochter und die Enkel. An Weihnachten ließ sie sich nicht nehmen, für die Familie zu kochen. Alle hatten sich damit abgefunden, dass es statt des üblichen Truthahns die weitaus fettere Gans gab. Aber das leckere Schmalz mit Zwiebeln war dann anschließend immer ein willkommener Brotaufstrich.

      »In einer halben Stunde können wir essen. Genehmigt euch doch derweil einen Drink«, sagte sie jovial.

      In dem Moment läutete Amos’ Handy.

      »Oh nein, nicht schon wieder«, sagte Frances mit gespielt verzweifeltem Gesichtsausdruck. »Lässt man dir nicht einmal am Weihnachtsabend deine Ruhe?«

      »Verbrechen kennen keine Feiertage. Aber lass mich erst einmal hören, was los ist. Snider …«, meldete sich Amos kurz darauf und lauschte eine Weile. »Verstehe … Ja, ich weiß, wo das ist. Bin gleich da.«

      »Na, habe ich’s nicht gesagt?«, tönte Emily. »Aber mach dir keine Sorgen, mein Junge. Wir heben dir eine der Keulen auf, und ein paar köstliche Klöße sowieso. Ob ich allerdings noch etwas Rotkraut vor den Kindern retten kann …«

      »Jetzt mach sie nicht schlimmer als sie sind, Mom. Für ihren Vater würden sie das letzte Hemd geben. In diesem Fall den letzten Löffel Rotkraut«, sagte Frances.

      »Dann bin ich ja beruhigt«, meinte Amos. »Also, bis später! Ich beeile mich.«

      Als Amos nach zwei Stunden wiederkam, sah er fast grün im Gesicht aus. Im Gegensatz dazu stand der Karton, den er Jesse und Pamela überreichte und dessen Inhalt ihnen ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

      Als Frances hineinsah, verging ihr das Lächeln.

      »Das kann jetzt nicht wahr sein«, sagte sie. »Wo hast du die her? Du weißt, dass ich diese Tiere nicht sonderlich schätze.«

      »Aber die sind doch so süß«, rief Pamela aufgeregt und streichelte eine der beiden weißen Ratten.

      »Hast du noch in einer Zoohandlung Halt gemacht?«, fragte Frances.

      »Später«, antwortete Amos und machte dabei ein mürrisches Gesicht. Und Appetit hatte er wenig, was Emily allerdings nicht gelten ließ. Sie füllte ihm den Teller voll und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

      »Iss, mein Junge! In deinem Beruf brauchst du alle Nervenkraft.«

      »Wem sagst du das, Mom? Und was ist mit unserer?«, fragte Frances.

      »Wer einen Mann mit diesem Beruf heiratet, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Aber ich muss zugeben, du hättest es schlechter treffen können.«

      »Danke, Mom. Schon vor der Bescherung Komplimente? Womit habe ich das verdient?«

      »Das nennt man Fishing for Compliments. Jeder in dieser Stadt weiß, dass du ein anständiger Bursche bist und dabei auch noch unverschämt gut aussiehst.«

      »Mom, du bist ja heute richtig in Geberlaune«, feixte Frances. »Nicht dass du mir noch meinen Mann ausspannst …«

      »Red keinen Unsinn, Kind. Über derartige Torheiten bin ich längst hinaus. Aber jetzt wollen wir ihn in Ruhe essen lassen. Und nachher erfahren wir vielleicht etwas darüber, was ihn von hier weggerufen hat.«

      Als Amos aufgegessen hatte, schob er den Teller von sich weg und prustete.

      »Das war ausgezeichnet, aber die nächsten zwei Tage brauche ich wohl nichts mehr zu essen. Ja, ihr seid neugierig, was los war … Kinder, geht doch bitte in eure Zimmer und macht euch langsam für die Nacht fertig. Santa Claus kommt eh nur, wenn ihr schlaft.«

      »An den glauben wir schon lange nicht mehr, Dad. Aber es ist eine hübsche Tradition«, sagte Jesse. »Komm, Pam! Wenn wir nicht brav sind, bleiben die Socken leer, oder es gibt was mit der Rute.«

      »Mindestens … Ich sehe nachher noch mal nach euch. Und vergesst die Zähne nicht. Und lasst die Tiere vorerst im Karton. Nach dem Feiertag kümmere ich mich um einen Käfig.«

      »Schon okay, Dad. Unser Zahnpastalächeln geht uns über alles. Und die Tiere wollten wir ohnehin nicht mit ins Bett nehmen«, rief Pamela über die Schulter und ging ihrem Bruder hinterher.

      »Also, zu vorhin …«, setzte Amos erneut an. »Ihr kennt doch Sidney Avens und seine Familie … In dem Haus ist heute Abend etwas Entsetzliches passiert. Ihn hat man tot aufgefunden, die beiden Kinder sind spurlos verschwunden und seine Frau redet total wirres Zeug. Angeblich sei ein grausamer Santa Claus in ihr Haus gekommen, habe ihren Mann getötet und die Kinder in Ratten verwandelt. Tatsächlich haben wir zwei zahme weiße Ratten im Wohnzimmer gefunden, die ich mitgenommen habe, da sie nicht allein im Haus bleiben können.«

      »Warum, was ist mit Mrs. Avens?«, fragte Frances.

      »Die liegt erst mal im Hospital. Wenn sie vernehmungsfähig ist, werde ich sie erneut befragen. Sie hat auch behauptet,

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