DAS GESCHENK. Michael Stuhr

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DAS GESCHENK - Michael Stuhr

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Was ist los? Du bist so durcheinander, eben draußen auch schon. Wer war was?“ Fleur schaut uns fragend an.

      „Diego“, flüstere ich, immer noch ganz benommen. Es fühlt sich gut an, seinen Namen auszusprechen. Es ist fast so elektrisierend, wie seine Berührung – Diego.

      „Nicht hast du ihn gesehen?“ ruft Felix Fleur erstaunt zu und versucht dabei, gegen das lärmende Durcheinander der anderen Mädchen anzukommen. „Er war so extraordinary!“ Felix bekommt ganz rote Bäckchen, als sie das sagt.

      „Ja“, flüstere ich und kann ansonsten nur stumm nicken.

      „Also, ich hab gesehen, dass du mit jemandem geredet hast, aber extraordinary? Mmh“, Fleur wiegt den Kopf, „ist mir irgendwie entgangen.“

      „Sind wir endlich vollzählig?“ ertönt da die ungeduldige Stimme der Assistentin. „Könntet ihr jetzt freundlicherweise mal aufhören zu schnattern und zu mir kommen, damit ich euch den weiteren Ablauf erklären kann? Danke!“

      „Puh, bad mood“, flüstert Felix, als wir uns zu der Gruppe gesellen und rollt dabei die Augen. „Schlechte Gefühle hat sie“, fügt sie noch leise hinzu.

      Schlechte Gefühle trifft es gut. Die habe ich auch manchmal.

      Es warten noch zwei weitere Aufgaben auf uns: Wir müssen Zweiergruppen bilden und dann mit unserem Partner sowohl den Intelligenztest, als auch den Tanz machen. Dazu lässt die Assistentin uns Lose ziehen, so dass der Zufall darüber entscheidet, mit wem zusammen wir auf die Bühne müssen.

      Alle drängeln sich in der engen Garderobe um sie herum und recken ihre Hände in Richtung des Schuhkartons, der als Lostrommel dient, gerade so als ob sie dadurch bessere Chancen hätten.

      Obwohl so ein Chaos herrscht, bekommt jede von uns ein Los. Gespannt falten alle ihre Zettel auseinander und schauen, welche Nummer sie gezogen haben. Mit Geschrei und Gequieke geht das Suchen und das Finden los. Wer gehört zu wem?

      „Och Mann“, mault ein Mädchen neben Fleur. „Warum kann ich denn nicht mit meiner Freundin zusammen tanzen? Das ist doch blöd jetzt, die hier kenn ich doch gar nicht!“ Dabei zeigt sie mit abfälliger Miene auf Fleur, die auch nicht gerade glücklich dreinschaut. Verzweifelt dreht sie die Augen nach oben, als sie mich ansieht.

      „Weil die Chancen für alle gleich sein sollen, deshalb!“ ist die knappe Antwort.

      Felix und ich stellen fest, dass wir zusammen sind. Sie ist hoch erfreut und fällt mir quiekend um den Hals. „Wir werden ein guter Team sein!“

      Mon Dieu! Ich langes Elend und die kleine Felix zusammen auf der Bühne. Das muss toll aussehen. Ich möchte mich einschrumpfen und mein Körper fühlt sich an, als sei er schon dabei.

      „Ruhe bitte, ich bin noch nicht fertig“, ruft unsere Einweiserin. „Der Intelligenztest wird wie eine Art Quiz abgehalten: Es wird eine Frage gestellt und wer zuerst richtig antwortet, bekommt den Punkt. Insgesamt sind es für jede Zweiergruppe fünf Fragen. Klar so weit?“ fragend schaut sie in die Runde.

      „Okay, dann weiter: Bei der Tanzeinlage werdet ihr in der Zweiergruppe auf die Bühne kommen. Eure Aufgabe ist es, spontan zu der Musik eine Blitzchoreografie zu entwickeln. Das heißt, ihr hört den ersten Teil des Titels und denkt euch dabei schnell etwas aus. Dann geht der Titel von vorne los und ihr tanzt zusammen oder macht, was auch immer, Hauptsache ihr bewegt euch. Haben alle das kapiert?“ Sie reckt den Kopf, um zu sehen, ob irgendwer noch Fragen hat. Aber wir sind so eingeschüchtert, dass uns alle Fragen im Hals stecken bleiben.

      Blitzchoreografie, na klasse, da bin ich ja grad die Richtige. Wahrscheinlich werde ich wie ein Blitz auf die Bühne fallen. Während ich diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht habe, stößt mir Felix ihren Ellenbogen in die Rippen. „Das schaffen wir, ich bin gut darin“, flüstert sie mir grinsend und nickend zu. Sie ist total aufgedreht.

      „Ja?“ schnaufe ich zweifelnd.

      „Jetzt stellt euch mal in den ausgewählten Zweiergruppen zusammen“, fordert uns die Assistentin auf.

      Gehorsam wie die Schäfchen tun wir ihr den Gefallen. Ich sehe zu Fleur und ihrer Partnerin hinüber. So wie es aussieht, verstehen die beiden sich nicht besonders. Besser gesagt, sie streiten sogar. „Oh, oh! Nein!“ sagt Fleur gerade bestimmt, „ich gebe die Schritte vor, sonst läuft das nicht. Wenn du das nicht kannst, ich kann es! Du kannst nicht einfach irgendwas machen, sonst ist es nicht synchron!“

      „Ist mir doch scheißegal!“ meckert das Mädchen. „Mit dir habe ich sowieso keine Chancen!“

      „Glaub mir, ohne mich hast du noch weniger!“ Fleur dreht sich weg und schüttelt den Kopf.

      „Ruhe da hinten!“ brüllt die Assistentin in das laute Wummern der Musik, die mittlerweile wieder den ganzen Platz vor der Bühne beschallt. Sie lässt die einzelnen Paare Nummern ziehen und erklärt uns, dass wir in dieser Reihenfolge auftreten sollen.

      „Also die eins zuerst?“ fragt Celine unnötigerweise und erntet damit spöttisches Gelächter. Ich kann nicht anders, ich muss grinsen, während ich sie ansehe. Schön, dass nicht nur ich mich blamieren kann. Ich denke, damit sind wir quitt. Celine denkt es wohl auch, denn sie wird ganz rot vor Wut, als unsere Blicke sich treffen.

      Vor dem Vorhang, wird gerade die Lautstärke der Musik heruntergedreht und wir hören, wie der Moderator dem Publikum das erklärt, was wir schon wissen. Dann ist es so weit.

      Gruppe um Gruppe geht und kommt. Das anfängliche, aufgeregte Geschnatter hinter der Bühne ebbt allmählich ab. Zunehmende Niedergeschlagenheit macht sich im Garderobenzelt breit. Die, die zurückkommen, ärgern sich und die, die raus müssen, werden immer mutloser.

      „Mann, was für Scheiß-Fragen, wer soll denn so was wissen?“ Eines der Mädchen lässt sich mit gesenktem Kopf auf einem Stuhl nieder und stützt ihr Kinn in die Hände. Als sie meinen neugierigen Blick auffängt, murmelt sie nur bedeutungsvoll: „Viel Spaß!“

      „So schlimm?“ frage ich sie.

      „Schlimmer!“ ist die erschütternde Antwort.

      Hier, hinter dem Vorhang, hören die Fragen sich für mich gar nicht so schwierig an, aber wenn man auf der Bühne steht, und alle einen anstarren ...

      Felix grinst aufmunternd, als ich sie zweifelnd ansehe. Ich muss wohl ziemlich angefressen wirken, denn sie grinst noch breiter und flüstert: „Komm Lana, wir gehen raus und just do it! Du wirst sehen. Wir schaffen das“, sie breitet mit großen Augen die Arme aus, „und peng sind wir Miss.“

      Plötzlich sind Felix und ich schon dran. Kaum stehen wir blinzelnd im Sonnenlicht, als es schon losgeht:

      „Wieviele Départements hat ...“

      „101!“ rufe ich laut, „96 in Europa, also Frankreich, die anderen fünf in Übersee - Martinique, Guadeloupe, Réunion, Französisch-Guayana und Mayotte.“ Atemlos schaue ich den Moderator an, der mich mit offenem Mund anstarrt.

      „Äh, ja“, sagt der Moderator zögernd und erstaunt in meine Richtung, um dann in der nächsten Sekunde ins Publikum zu brüllen: „diese Antwort ist richtig!“ er hebt bei dem Wort ‚richtig’ die Stimme wie ein Marktschreier. Alle klatschen und mir geht’s richtig gut.

      Alain hockt mit ein paar Jungs vor der Bühne im Sand.

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