Der Sucher. Катя Брандис
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Der Große Udiko beachtete mich immer noch nicht. Er goss Trinkwasser in eine große Schale, murmelte eine Formel, die es erhitzte, und streute Cayoral hinein. Wir schwiegen beide, während wir darauf warteten, dass der Sud kochte. Dann goss Udiko einen Teil davon in einen Becher und reichte ihn mir.
»Danke«, sagte ich, nahm den Becher mit beiden Händen und beugte kurz den Kopf, wie es Sitte war. »Auch fürs Gastrecht. War nicht so gemütlich da draußen.«
Der Alte brummte etwas, das ich nicht verstand, und warf mir eine Rolle Stoff zu. »Hier, für deinen Fuß. Bevor du auf meinem Teppich noch mehr Blutspuren hinterlässt.«
Ich verband meinen Fuß und schaute mich unauffällig weiter um. Schräg neben mir stand eine kleine silberne Statue, die ein fauchendes echsenähnliches Wesen darstellte. Ich betrachtete sie aus den Augenwinkeln. Schließlich gab ich meiner Neugier nach und ließ die Finger darüber gleiten. »Wo habt Ihr die her? Und was ist das für ein Tier?«
»Hast du noch nie ein Tass gesehen?«, brummte Udiko. »Sie leben in der Provinz der Feuer-Gilde. Die Statue hat mir ein Schmied geschenkt, dessen Sohn ich halb ertrunken aus dem Akjat-Fluss gezogen habe. Der Junge hatte sich beim Versuch, bei einer Gildenfehde mitzumischen, böse verschätzt.«
»Ich wusste gar nicht, dass auch Feuer-Leute nach Vanamee kommen. Ist für die das viele Wasser nicht unerträglich? Was war das denn für eine Gildenfehde? Und was ist eigentlich das da – und das?« Ich deutete auf ein Kästchen mit eigenartiger Form, das aus tiefschwarzem Holz geschnitzt war, und auf eine unterarmlange grüne Klaue, die daneben hing.
Der Große Udiko grunzte. »Du bist ein neugieriger Bursche, was?«
Ich musste lachen. »Geht die Sonne im Osten auf?«
»Zumindest war es heute noch so.« Zu meiner Überraschung sah ich, dass der Große Udiko lächelte. »Das ist gut. Ein Sucher ohne Neugier ist wie ein Fisch ohne Flossen.«
Ein Sucher? Mein Herz begann heftig zu pochen. Hatte ich doch noch eine Chance?
Der Große Udiko schwieg lange. Seine eisblauen Augen ruhten auf mir. Schließlich sagte er: »Was war es, was du sagen wolltest – bei deinem ersten Besuch?«
»Nichts Besonderes«, erwiderte ich, drehte die kleine silberne Statue des Echsenwesens in der Hand und betrachtete sie. Ich wollte nicht darüber sprechen. Vielleicht irgendwann mal. Aber nicht jetzt. Es roch zu sehr nach Selbstmitleid und Jammerei. »Nur, dass ich wirklich etwas verloren habe. Aber hat das nicht jeder?«
»Jedenfalls muss man wissen, wie es ist, um ein guter Sucher werden zu können.« Einen Atemzug lang lag ein Schatten auf Udikos Gesicht, doch dann kehrte die Wärme in seine Augen zurück. »Hm. Du bist frech, du bist aufdringlich und du hast die dumme Angewohnheit, dich mit gefährlichen Tieren abzugeben. Aber ich glaube, ich werde dich trotzdem als Lehrling annehmen. Unter drei Bedingungen.«
Ich konnte nicht anders, ich strahlte über das ganze Gesicht. »Die wären?«
»Erstens – keine dummen Bemerkungen über meine Essgewohnheiten mehr.«
»Geht klar. Und zweitens?«
»Du musst in dieser Zeit alles tun, was ich sage. Wirklich alles. Auch wenn es dir verrückt erscheint oder du Angst davor hast.«
Hm, das klang anstrengend. Aber die Herausforderung reizte mich. Schließlich war ich genau deswegen hier. »So soll es sein.«
Der Große Udiko musterte mich von Kopf bis Fuß. »Und drittens: Ich will hier keinen Ärger mit Mädchen. Du bist ein Bursche, wie er den Frauen gefällt, aber solange du mein Lehrling bist, liebäugelst du nicht mit Frauen, die mit einem Anliegen zu mir kommen. Klar?«
Das war schon schwieriger. Mädchen faszinierten mich. Sie waren so anders. So geheimnisvoll. Ich liebte ihre Bewegungen. Die Art, wie man mit ihnen reden konnte. Und natürlich die Art, wie sie sich anfühlten. Andererseits war diese Ecke von Daresh so abgelegen, dass ich in dieser Zeit sowieso nicht allzu viele von ihnen zu Gesicht bekommen würde – und ganz sicher keine, die es mit Lourenca aufnehmen könnte. Außerdem ging es ja nur um Frauen, die mit einem Anliegen zu Udiko kamen.
»In Ordnung«, sagte ich.
Am nächsten Tag, als sich das Gewitter verzogen hatte, holten wir gemeinsam eine handtellergroße Andreasmuschel aus dem See, aus der tiefsten Stelle. Udiko schickte einen Salamander in die nächste Siedlung und bat eine Frau, die er kannte, als Zeugin herzukommen. Schon einen halben Sonnenumlauf später war sie da, eine stille, bescheidene Meisterin in mittleren Jahren. Ich bemerkte ihre neugierigen Blicke. Wahrscheinlich fragte sie sich, wer dieser fremde Junge war, der den Großen Udiko dazu gebracht hatte, ihn als seinen letzten Lehrling anzunehmen. Die Neuigkeit würde sich schnell herumsprechen.
Die Zeremonie war kurz. Mit meinem Messer schnitzte ich mein Namenszeichen in die flache schwarze Schale der Muschel. Der Große Udiko schnitt sein Zeichen daneben und verband die beiden Symbole mit den traditionellen Ornamenten für Meister/Lehrling. Wir sprachen beide den Eid und waren einander damit verbunden, bis ich nach drei Wintern ausgelernt hätte oder einer von uns sich entschiede, die Muschel zu zerbrechen.
Am nächsten Morgen streichelte ich meinen zahmen Salamander zum vorerst letzten Mal und befestigte eine silberne Hülse mit einer Botschaft an seinem Hals. Es war Zeit, ihn auszuschicken.
Und Tad ke Vanamee mitzuteilen, dass sein Sohn seinen Weg gefunden hatte.
* * *
Manche riefen sie einfach »He, du, Katze!«, andere nannten sie »Staubflocke«, weil ihr Fell hellgrau war wie die Stäubchen, die sich in ungeputzten Ecken sammeln. Nach ihrem wirklichen Namen hatte in den zwanzig Wintern, die sie mittlerweile in der Burg diente, noch kein einziger Mensch gefragt. Vielleicht wissen sie nicht, dass Halbmenschen überhaupt Namen haben, dachte Mi'raela.
Sie hörte das Signal, das sie rief, und erhob sich lautlos. Mit ihren vierzig Wintern war sie für einen Katzenmenschen schon alt, und sie bewegte sich längst nicht mehr so geschmeidig wie in ihrer Jugend. Das unterirdische Leben ließ sie und ihre Brüder früh altern.
»He, Katze, wo bleibst ...«
Doch da stand Mi'raela schon in den Gemächern des Herrn, den sie Spinnenfinger getauft hatte, und wartete auf Anweisungen. Die schwarze Kutte, die er sonst immer trug und die seine Gestalt und sein Gesicht verdeckte, hing über der Rückenlehne seines Stuhls. Auch wenn er sie übergestreift hatte und mit seinen eigenartig gleitenden Schritten durch die Gänge eilte, hatte Mi'raela keine Probleme, ihn zu erkennen – er roch immer etwas schimmelig, wie Wäsche, die man zu lange nicht gelüftet hat, und nach den bitteren Kräutern, die er kaute, damit seine Zähne nicht ausfielen.
»Bring Polliak für zwei!«, befahl der Mann kurz, ohne sie anzusehen.
Mi'raela huschte davon. Sie sprach nicht viel, und es wurde nicht von ihr erwartet. Als sie in die Burg gekommen war, hatte sie kein Daresi beherrscht, und man hatte ihr nur die einfachsten Befehle beigebracht. Mehr brauchte sie in ihrer Stellung als Sklavin nicht zu wissen, und mehr konnten Halbmenschen nach Meinung vieler ohnehin nicht erlernen. Doch Mi'raela hörte gut zu, und schon nach wenigen Jahren in der Burg verstand sie die Sprache der Vollmenschen perfekt. Aber das brauchte niemand zu wissen.
Mi'raela kannte alle Geheimgänge und Abkürzungen; sie brauchte nicht lange