Die Dorfbrunners. Helmut Lauschke

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Die Dorfbrunners - Helmut Lauschke

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Begabung, mit der Wünschelrute Wasseradern aufzuspüren und üppige Brunnen zu errichten. Das machte ihre Namen bis in die Kreisstadt bekannt und war nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle, sondern letztlich die Grundlage für ihren Wohlstand, der bei einigen Dorfbrunners zu Reichtum führte, der durch Argwohn und Neid zu Auseinandersetzungen und Streitereien Anlass gab, obwohl der Reichtum aufgrund der strengen Erziehung mit der Bodenständigkeit nicht nach außen getragen wurde.

      Die Kinder der Dorfbrunners, von denen hin und wieder, die Mädchen häufiger als die Jungen, in den ersten Lebensjahren starben, wo die Todesursache oft unbekannt blieb, erreichten in der Schule ohne Schwierigkeiten das Mittelmaß. Es kam vor, dass die Dorfbrunners zu den Besseren, mitunter zu den Besten in der Klasse gehörten und die guten Noten nach Hause brachten, die den Eltern Grund gaben, stolz auf ihre Kinder zu sein. Von daher war es nicht verwunderlich, dass aus ihnen Lehrer und Akademiker hervorgingen, unter denen es Ärzte für Menschen und Tiere, Botaniker und Zoologen gab als auch Theologen des lutherisch reformierten Glaubens, nachdem August Emanuel in Schlesien vom katholischen zum evangelischen Glauben übergewechselt war. Von den Akademikern, v on denen die meisten in Breslau, einige in Prag und Leipzig studiert hatten, von denen wiederum einige an den Universitäten in Breslau und Jena lehrten, machten sich einige einen Namen, so der Botaniker Adolf Georg Dorfbrunner, der ein umfangreiches Pflanzenlexikon mit selbst angefertigten aquarellierten Zeichnungen über die schlesische Flora herausgab, oder Eduard Dorfbrunner, der als Bergbauingenieur mit zweifachem Doktorgrad, den zweiten bekam er aufgrund seiner theoretischen Leistungen ehrenhalber verliehen, ein neues Verfahren zur Kohleförderung im oberschlesischen Kattowitz entwickelte, durch das die Förderquote beachtlich gesteigert wurde. Unter den Theologen gab es durch ihre Wortgewalt ergreifende Prediger, die es bis auf die Kanzeln des Breslauer und Oppelner Domes schafften. Einer von ihnen war Eckhard Hieronymus Dorfbrunner, ein schlanker hochgewachsener Mann in den besten Jahren, Superintendent in Breslau, der mit seiner Familie ein schlichtes, zweistöckiges Haus am Domplatz bewohnte. Er hatte nach Abschluss des Theologiestudiums in Breslau, wo er die Prüfungen glänzend absolvierte, in die oberschlesische Pastörenfamilie Hartmann eingeheiratet hatte, aus der er sich die bildschöne Tochter Luise Agnes zur Frau genommen hatte.

      Eckhard Hieronymus Dorfbrunner

      Im Fall von Eckhard Hieronymus Dorfbrunner, der nicht nur durch sein Äußeres andere Menschen und Pastöre überragte, sondern sich durch kritische Intelligenz und Glaubenseifer seiner fein gegliederten, empfindsamen Persönlichkeit unter einer rauen Schale, die so reißfest nicht war, auszeichnete, muss doch etwas weiter ausgeholt werden. In seinen frühen Pastörenjahren in einer mittleren Bezirksstadt im Kohlerevier gab ihm Luise Agnes ihre Liebe, die ihm Mut machte, eine Familie zu gründen, obwohl bei der Betrachtung seines Anfängergehalts eher ein Abwarten angeraten war. Sie unterstützte ihn in selbstloser Weise durch Zuhören, treue Zugehörigkeit und emsigen Fleiß, ohne dass ihr etwas zuviel wurde oder ein Wort ungefragt dazwischenzureden, bei der Arbeit, was ihm eine große Hilfe im Durchstehen der Anfechtungen, nicht nur im Glauben, sondern auch in den existentiellen Alltagsproblemen war. Seine Begabung lag in der Exegese und hier besonders in der Auslegung des neuen Testaments. Bei der Einführung als Pastor durch seinen Vorgesetzten, den Superintendenten und Konsistorialrat Braunfelder in der spätgotisch errichteten Kirche mit dem spitz aufragenden Glockenturm, der ein Zwillingsturm war, dem der andere Zwillingsbruder allerdings fehlte, als handelte es sich um eine architektonische Fehlgeburt, dem der zweite Zwilling die Geburt des Turmbaus nicht erlebte, war Eckhard Hieronymus Dorfbrunner doch recht aufgeregt. Er hatte sich gründlich auf die Predigt über die Verse 1 bis 13 des 8. Kapitels des 1. Korintherbriefes vorbereitet, zu dem ihn der Konsistorialrat nach einem langen Gespräch in seinem geräumigen Dienstzimmer hinter dem großen Schreibtisch sitzend ermuntert, dann geraten und schließlich anbefohlen hatte, weil er der Meinung war, dass sich dieser Text für die pastorale Jungfernpredigt, das heißt, als pastoraler Einstand in die Gemeinde vorzüglich eigne. Er ließ mit einem ernsten Blick, dann mit einem leichten Schmunzeln, dem die Lippen sogleich nicht folgen wollten, sondern mehr gespannt blieben, als dass sie sich lösten, durchblicken, dass sich an diesem Text der Prediger messen solle, was vor ihm unzählige auch getan haben und bei der Textauslegung große Exegeten hervorgegangen waren, die ihre Spuren bis in die Gegenwart hinterlassen haben, die von der Sprache und ihrem Denkinhalt unvergessen blieben. Eckhard Hieronymus Dorfbrunner hatte dem Vorschlag des Konsistorialrates zugestimmt, sich seinem anbefohlenen Rat ergeben und die Herausforderung mit dem 1. Korintherbrief, Kapitel 8 angenommen. Wochen hatte er den Text gelesen, war seinen Hintergründen auf der Spur, versuchte zu fassen, was Paulus zu diesem Brief veranlasste, was er beim Schreiben auf dem Herzen hatte. Beim täglichen Lesen und dem Vergrößerungsversuch mit der Sichtbarmachung des eingewebten roten Fadens, dem Erkennungsversuch, was zwischen, hinter und über den Zeilen und Worten war, beim täglichen Ringen nach dem Geist, das ihn in den Nächten nicht verschonte, bekannte er seiner jungen, liebevoll zuhörenden Frau in einer Nacht, als sie von den Greifversuchen ihres Mannes nach der Wahrheit oder Weisheit, da unterschied sie nicht, selbst ergriffen wurde und nicht einschlafen konnte, dass er beim seinem Studium am Korintherbrief begriffen habe, wie wenig er bisher verstanden habe, und wie gedankenvoll, geistgeladen und sprachgewaltig Paulus war, dem er in seiner Wortgewalt wahrscheinlich in seinem ganzen Leben nicht das Wasser reichen könne. Worauf ihm seine liebevoll zuhörende Frau Luise Agnes im Bett aufsitzend sagte, dass er nicht so pessimistisch sein solle, weil ihm die negative Sichtweise den Geist verengen würde. Sie sagte, dass er erst am Anfang seiner Laufbahn stehe und, wenn er im Glauben fest sei und fest bleibe, weiter in den Geist der heiligen Schrift hineinwachsen werde, ohne schon am Anfang den Schaden der Blindheit zu erleiden. Dafür bete sie täglich, dass ihrem Mann beim Einstieg in die Welt des Glaubens nicht die Blindheit schlage oder ein anderes Unglück passiere. Das mit dem Beten für ihren Mann war ihr ein Herzensanliegen, wozu ihr die Eltern sehr eindringlich geraten haben.

      Eckhard Hieronymus Dorfbrunner stand aufrecht im Dämmerschein der Tischlampe aus dem kleinen Nebenraum, der sein Arbeitszimmer war, wo die Tür halb offen stand, vor ihrem Bett. Es war die Stille der Nacht, dass er ihren ruhigen Atem hörte, den herben Jasmingeruch, der ihrer Haut nach dem Nachtbad entströmte, wahrnahm und mit der Zunge, die über seinen Lippen hin und her fuhr, ohne dass es bemerkt werden sollte, zu schmecken versuchte. Er bewunderte seine Frau, die in ihrem Wesen so zart und schön wie eine Blume, so ohnegleichen war; er liebte sie, liebte sie sehr, fühlte sich zu ihr hingezogen, dass ihm die Wallung der körperlichen Versuchung ins Gesicht stieg, er die Hitze des Spontanen im Kopf fühlte, als würde es in ihm kochen. Die aufrecht sitzende Luise Agnes im weißen, vorne hoch geschlossenen Nachtkleid, deren brünettes Haar offen über beide Schultern fiel, konnte die Erregung mit der spontanen Hitzewallung direkt nicht sehen, bemerkte wohl an der Art seines vor dem Bett Stehens, dass ihr Mann der körperlichen Anfechtung ausgesetzt war, gegen die er mühsam ankämpfte. „Sprich mir die ersten Verse“, bat sie ihren Mann, um ihm beim Kampf gegen die körperliche Lust beizustehen und ihn auf den geistigen Weg zum Korintherbrief zurückzubringen, ihn bei den Anfechtungen zu begleiten, die Türme des Begehrens abzubauen, sie zu überwinden, um dort wieder anzukommen, wo der Anfang war, wo er ist mit seinem Gut und Böse. Die Minute des Nichtsprechens, beziehungsweise der Sprachlosigkeit durch das verlorene, abhanden gekommene Wort dauerte etwas länger, während er unverändert aufrecht, fast wie ein Hüne vor ihrem Bett stand, ohne einen Schritt auf sie, die schöne, aufrecht im Bett sitzende junge Frau mit dem herabfließenden Haar zuzugehen. Einige tiefe Atemzüge gingen durch das von der Tischlampe des Nebenraumes dämmrig beleuchtete Schlafzimmer, von denen auf den ersten Zügen die Schwere des Ringens um die Befreiung von der Last der körperlichen Lust, die er als eine unfromme Belästigung empfand, hörbar lastete, so dass den Atemzügen, die noch unterhalb, wenn auch nicht mehr weit von der Schwelle des ringenden Stöhnens lagen, ein Schweben, ein Davonschweben in die richtige Richtung der geistigen Meditation nicht zuerkannt werden konnten. Eckhard Hieronymus rang um die Fassung; er erkämpfte sie mühsam, umgab sie sich wie einen Schutzzylinder, wie eine Tonne ohne Boden, in die er sich stellte, um mit dem Aufsagen der Verse zu beginnen. Luise Agnes saß aufrecht im Bett, hielt den Kopf aufgerichtet, die Augen geschlossen und wartete auf die Rezitation. Auch hielt sie ihre Hände wie zum Gebet gefaltet und bat den Herrn, dass er ihrem Mann die

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