Gleise der Erinnerung. Helmut Lauschke

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Gleise der Erinnerung - Helmut Lauschke

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der von den Judentransporten in den Osten und davon sprach, dass er sich mit den Kindern und Kindeskindern und den noch verbliebenen Breslauer Juden in fünf Tagen auf dem Bahnhofsplatz einzufinden habe, wo sie mit dem Handgepäck der letzten Habe in Güterwagen verladen und in den Osten gebracht werden.

      Der Bischof machte ein ernstes Gesicht, weil auch er gegen die Unmenschlichkeit der Nazis war, aber dagegen nichts tun konnte und auch nichts tat. “Ës ist eine fürchterliche und zutiefst bedauerliche Geschichte”, setzte der Bischof dazwischen, “ich begreife nicht, dass Menschen dazu fähig sind, anderen Menschen so ein Leid zuzufügen. Wo ist die deutsche Kultur hingeraten, dass so etwas möglich ist?”

      Dieser Frage setzte Eckhard Hieronymus die zweite Frage hinzu: “Wo ist das Christentum, wo sind die Christen, wo ist die Hilfe, das Helfenwollen, wenn Menschen in größter Not sind? Es sind doch unsere Nachbarn, unsere Nächsten, Menschen, mit denen wir über Generationen friedlich zusammen lebten, die ihren Beitrag zum Zusammenleben und zur deutschen Kultur gebracht haben, die nun auf die grausamste Weise misshandelt und in Lager irgendwo im Osten, Dr. Weynbrand sprach von Lagern im besetzten Polen, gebracht und mit größter Wahrscheinlichkeit umgebracht werden. Warum schweigen die Christen, warum schweigen wir, anstatt unseren Nächsten zu helfen, gegen die Unmenschlichkeit zu protestieren, das System des Bösen vor uns und der Welt mutig an den Pranger zu stellen? Müssen wir uns nicht schämen, wenn wir da schweigend zusehen oder einfach wegsehen?”

      Nun war die Blässe auch auf dem Gesicht des Bischofs, der in ein längeres Schweigen verfiel, als gäbe es auf die Fragen keine Antwort, zumindest solange keine, wie er der Bischof von Breslau war. Dann setzte er vorsichtig, ja mit größter Zurückhaltung an: “Lieber Dorfbrunner, ich verstehe ihre Gewissensnot gut, denn auch ich leide seit Monaten unter dieser Not. Aber sagen Sie, was können wir als Kirchenmänner gegen diese Barbarei und für die armen Menschen tun, die nun in den Osten geschafft und, wie Sie schon andeuteten, mit großer Wahrscheinlichkeit umgebracht werden und dabei einen qualvollen Tod erleiden. Auch ich habe die armen Kinder vor Augen und ihre Schreie im Ohr, wenn sie von ihren Müttern getrennt und vor deren Augen getötet werden. Sagen Sie, was können wir dagegen tun, diese Barbarei zu stoppen? Fällt ihnen dazu etwas ein?”

      “Zumindest sollten wir als Kirchenmänner nicht wegsehen, was vor unseren Augen geschieht, und auch nicht schweigen zu dem, was wir da sehen. Darum sind wir doch Kirchenmänner geworden”, fuhr Eckhard Hieronymus fort, “um aus dem Glauben an Gott das Böse anzuprangern. Denn nur mit der Kraft des Glaubens können wir doch vor der Gemeinde stehen und ihr das Wort Gottes verkünden. Wir selbst müssen doch glaubwürdig vor Gott wie vor uns und vor der Gemeinde sein. Wir dürfen da keine Angst haben, müssen vielmehr die Furcht vor der Welt überwinden.

      Wie sagt doch Paulus im Römerbrief (14. Kapitel): “Darum schaffet, dass nicht verlästert werde, was ihr Gutes habt. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott gefällig und den Menschen wert. Darum lasset uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Auferbauung untereinander.” Nehmen wir uns diesen Apostel als Vorbild, sprechen wir vor der Gemeinde die Wahrheit, beten wir für die Menschen in Not aufrichtig und mit ganzem Herzen. Tun wir das, was wir tun können und als Kirchenmänner tun sollen.” Darauf sagte der Bischof: “Dann sitzen auch wir in den Kellern der Gestapo, werden von den Nazis auf deren Weise verhört und mundtot gemacht. Wer uns in unsere Stellungen folgen wird, werden dann Leute sein, die vom Reichsbischof vorgeschlagen werden. Dann haben sie Prediger mit dem Parteiabzeichen gleich auf den Kanzeln. Damit wäre der Gemeinde nicht gedient. Dazu kommt, dass ich mich nicht mehr stark genug fühle, um den Kampf mit den Nazis aufzunehmen beziehungsweise durchzustehen. Ich bin erschöpft und stehe vor dem Ruhestand.”

      Der Planet ist Teil von uns

      So sind wir auch ein Teil von ihm. Planet Erde ist der größere Teil, der das Prinzip ‘Leben’ in sich trägt und das Leben erzeugt.

      Blühende Blumen mit den Düften und Farben sind die singenden Schwestern, Brüder sind das Pferd, die Antilope, der Adler.

      Satte Wiesen und felsige Höhen geben den Anblick atmender Formen, im Verströmen der Wärme bilden sie gemeinsam den Lebensbund.

      Sie alle gehören zusammen, die Frische der Luft, und das stetige Wellen der Wasser sind die Geschwister, die älteren Kinder derselben Mutter.

      Von Nadelblicken zerstochen haben Vorausahnungen im Blick die Lüfte gerochen mit dem aufgeseilten stummen Gewicht.

      Vom Fuß ist der Stein nicht weit mit der roten Strähne über der Kehrseite mit dem Rücken nach unten.

      Als hinge der Atem an dünnen Fetzen der zerlaufenen und versessenen Hose mit dem langen Riss über dem Gesäß.

      Als stiege der Atem im frühen Hauch als frische Brise steil hinauf. Spätherbstlich ist der Morgen mit dem unerwarteten Wintereinbruch.

      Wenn der Knoten verschlissen ist, kommt mit dem Hauch, der die Brise im dunklen Morgen verfehlt hat, die vage Hoffnung auf einen Frühling, auch wenn er noch weit entfernt ist.

      Der Denkfaden ist lang, dass der Anfang nicht zu erkennen ist und sich am Ende als versiegeltes Fragezeichen zur Wichtigkeit erschwert, dass sich eine Larve vom Blatt am Spinnfaden herabsenkt.

      Kräfte sind am Werke, dass man genau hinsehen sollte, um das Prinzip der Windung mit dem Herabwinden zu verfolgen.

      Zwischen Turm und Graben - David, das vergessene Kind

      Es ist der Bahnhof, wo das auf dem Bahnsteig übersehene und zurückgelassene Kind seine Eltern im Zug davonfahren sieht. Es ist eines von vielen Kindern, das nach seiner Mutter ruft und die Eltern nicht wiedersieht.

      Es war ein kleiner Junge von magerem Körperbau, der zurückgelassen und verloren auf dem Bahnsteig stand und von einer Frau in Wehrmachtsuniform aufgelesen wurde. „Junge, hier in der Kälte kannst du nicht bleiben“, sagte die Frau, hob ihn auf und trug ihn in einen kleinen Raum, der beheizt war. „Auf wen wartest du?“, fragte sie. „Auf meine Eltern, sie sind ohne mich mit dem Zug abgefahren“, antwortete der Junge. Die Frau in Wehmachtsuniform machte ein ernstes Gesicht. „Wie heißt du denn?“, fragte sie. „Ich heiße David.“ Die Frau in Uniform: „Und woher kommst du?“ Junge: „Wir sind auf einem Lastwagen aus dem Dorf in die Stadt gefahren und dann zu Fuß zum Bahnhof gebracht worden, wo wir auf dem Bahnsteig zu warten hatten.“

      Die Frau in Uniform mit ernstem Gesicht: „David, hier kannst du nicht übernachten und auch nicht bleiben. Verhalte dich still, ich komme in einer Stunde zurück und hole dich ab. Ich muss die Tür abschließen und das Licht ausmachen für die Wartezeit. Du musst keine Angst in der Dunkelheit haben. Ich komme bestimmt zurück, dann nehme ich dich hier heraus. Hast du das verstanden?“ Junge: „Ja, das habe ich verstanden und warte auf dich. Noch eine Frage: Kommen denn meine Eltern wieder zurück? Ich frage deshalb, weil jedes Kind seine Eltern braucht und ich so liebe und fürsorgliche Eltern habe.“ Die Frau in Uniform: „Das weiß ich nicht, diese Frage kann ich dir auch nicht beantworten. Also warte, bis ich in einer Stunde wieder zurück bin, um dich zu holen.“

      Die Frau knipste das Licht aus, verließ den Raum und verschloss die Tür. David, der zurückgelassene Junge von neun Jahren fühlte sich total verlassen. Er betete, wie es ihm die Mutter beigebracht hatte, und bat den lieben Gott, dass seine Eltern bald zurückkehren sollen, weil er ohne sie nicht leben könne. Er schläft auf dem Stuhl ein. Im Traum erscheinen seine Eltern, die ihm zulächeln und mit den Worten trösten, dass er nicht traurig

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