Ardantica. Carolin A. Steinert

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Ardantica - Carolin A. Steinert Ardantica

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die dünnen Steinfäden zerbrachen. Jeder Laut knisterte verräterisch und selbst Pans Schritte schienen unglaublich laut zu sein. Nun, anschleichen konnte sich hier wenigstens keiner. Sie wechselten auf den Weg, doch das Knirschen der kleinen Steinchen war nicht angenehmer. Es war ein gewaltiger Schlosspark, den sie nun durchquerten. Aber es überraschte sie nicht im Geringsten. Pan hatte ja bereits erläutert, dass es einen Austausch und Parallelbauten bis vor wenigen Jahrhunderten gab und soweit ihr bekannt war, wurde das Neue Palais in Potsdam Mitte des 18. Jahrhunderts fertiggestellt.

      Mittlerweile begann es zu dämmern, die Sonne in ihrem Rücken war blutrot und verteilte ihr oranges Licht.

      »Hat was Apokalyptisches«, meinte Leyla und dann sah sie es. Zu spät. Sie wollte noch innehalten, doch … Die Welt um sie herum war plötzlich wieder in Farbe getaucht. Die Sonne beschien unzählige grüne Bäume und Wiesen. Pan war verschwunden. Sie drehte sich um. Hinter ihr lag das Universitätsgelände und keine Handbreit entfernt flackerte die Luft auffällig. Es war eben jene Stelle, die sie an ihrem Geburtstag so in Panik versetzt hatte. Sie starrte auf die Stelle, bis das Sonnenlicht ihr in den Augen brannte und sie sich abwenden musste. Sie sah sich um. In der Ferne waren zwei Jogger, doch die hatten sie nicht bemerkt. Was jetzt? Sie atmete tief ein und aus. Das war’s. Sie konnte jetzt einfach nach Hause fahren und fertig. Einfach alles vergessen. Einen Haken an die Sache machen und sich freuen, unbeschadet entkommen zu sein. Aber genau das konnte sie eben nicht und sie wusste nicht warum. Noch einmal atmete sie tief ein und aus und trat dann durch das Flackern hindurch zurück nach Naurénya. Die Farbe wurde wieder aus der Welt gesaugt, sie sah zu Pan auf. Er stand regungslos da, mit verschränkten Armen und sagte zunächst nichts. Dann:

      »Siehst du die Übergänge?«

      »Ja … ich … also es ist so ein Flackern und …«

      Er nickte. »Wir können es hier auch sehen. Aber wir können nicht hindurch – noch nicht.«

      »Wieso nicht?«

      Er ging nicht darauf ein.

      »Wenn du es sehen kannst, solltest du Übergänge, die du nicht kennst, meiden. Sonst bleibst du noch irgendwann in einer Hauswand stecken, weil in der einen Welt kein Gebäude steht, in der anderen schon.« Wieder klang es mehr nach Desinteresse, als nach einer Warnung. Er drehte sich um und setzte seinen Weg fort.

      »Komm schon«, rief er. »Nur weil wir denken, dass hier keiner überleben kann, muss das noch lange nicht so sein.« Ein ausreichendes Argument, wie sie fand. Leyla musterte noch einmal kurz das Flackern, machte dann einen Bogen darum und folgte ihm rasch.

      »Was passiert …« Noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, geschah etwas mit ihm. Sein Körper krümmte sich und binnen eines Wimpernschlags war der große Mann verschwunden und eine Raubkatze fauchte sie an.

      »Ernsthaft?«, fragte sie leicht gekränkt. »Keine Lust mehr, Fragen zu beantworten?« Offensichtlich hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen, denn die unheimliche Katze wich zwar nicht von ihrer Seite, war aber fortan kein Gesprächspartner mehr. Sie kam sich beinahe eskortiert vor.

      Die Umgebung änderte sich schlagartig. Leyla hatte es schon aus der Ferne sehen können: Das Ende der Schwärze. Plötzlich überschritt sie die Grenze, das Ende der Versteinerung. Ihre Füße bewegten sich auf normalem Kies, links und rechts waren saftig grüne Wiesen, vor ihr in nicht allzu weiter Entfernung war ein Anwesen, das einem König würdig gewesen wäre. Goldene Figuren und riesige Blumenkübel säumten eine lange, geschwungene Treppe und endeten vor einem gigantischen Tor. Die Mauer daneben war jedoch recht niedrig und diente eher der Zierde, denn wirklich der Abschreckung. Dahinter erkannte Leyla eine schneeweiße Villa. Und genau diese schien Pans Ziel zu sein. Leyla wandte sich um. Hinter ihr standen die schwarzen Bäume wie drohende Riesen, flankiert von schwarzen Hecken und Büschen. Kein Blatt bewegte sich und am Horizont reckten sich die schwarzen Gebäude der Universität in die Höhe und ließen das dahinter liegende Gebirge noch trostloser aussehen. Es war wirklich aberwitzig, wie das Phänomen plötzlich und grundlos abbrach und der normalen Welt wieder Platz machte. Was auch immer hier die normale Welt sein mochte.

      Sie wollte gerade weitergehen, als ihr etwas auffiel. Hatte Pan nicht gesagt, die Versteinerung hatte in der Neujahrsnacht, also im Winter, stattgefunden? Wieso trugen die versteinerten Bäume und Büsche dann Blätter? Sie sollte sich dringend eine Frageliste erstellen – nur für den Fall, dass Pan wieder gesprächig werden würde.

      Dieser führte sie nun zielstrebig den geschwungenen Pfad entlang und bog in der Tat dann zur Villa ab. Er sprang die Treppe hinauf und verharrte vor dem gigantischen Eichenholztor. Dort wartete er auf Leyla, die endlich auch keuchend die oberste Stufe erklomm. Er gönnte ihr offenbar keine Pause, denn er fauchte, schlug mit seinem Schwanz gegen die Tür und sah sie herausfordernd an.

      »Ich soll Klopfen«, mutmaßte sie und der Panther schien zufrieden mit ihrer Annahme. Doch Leyla war nicht bereit, das Spielchen mitzuspielen. »Was hältst du davon, wenn du dich wieder in deine menschliche Gestalt begibst und mir ein paar Fragen beantwortest. Zum Beispiel, wo wir hier sind und was wir hier wollen.« Sie funkelte den Panther an, der davon gänzlich unbeeindruckt schien. Er richtete sich auf und starrte Leyla nieder. Fordernd schlug er erneut gegen das Tor. Leyla schluckte. Er machte ihr doch Angst in dieser Gestalt und vielleicht tat sie wirklich besser daran zu tun, was er erwartete. Zögernd hob sie die Hand und klopfte leicht gegen das Holz. Dann sah sie sofort wieder zu Pan. Wenn Raubkatzen die Augen verdrehen konnten, so war sie sich ziemlich sicher, dass Pan gerade genau dies tat. Seufzend hob sie erneut die Hand, um dieses Mal etwas lauter zu klopfen, als ihr die goldene Glocke ins Auge fiel. Sie betätigte das Läutseil. Die Glocke bewegte sich, doch es kam kein Ton heraus.

      »Sie funktioniert nicht«, sagte sie und zog erneut.

      »Ja, ja so schnell bin ich nicht.«

      Erschrocken sprang Leyla zurück, als die Stimme ertönte und gleichzeitig die Pforte aufgerissen wurde. Das Gebrabbel seinerseits wich einem kleinen Schrei, dann wurde das Tor augenblicklich wieder zugeworfen. Leyla stand vollkommen perplex da. Sie hatte nicht einmal jemanden gesehen.

      »Hallo?«, fragte sie leicht irritiert und ganz langsam öffnete sich das Tor erneut.

      »Wer seid ihr? Was wollt ihr?«, fragte die Stimme und jetzt erst erblickte Leyla den kleinen Gnomen, der auf dem Boden hockte. Er war in etwa so groß wie ihre Hand, hatte ein kleines, unglaublich faltiges Gesichtchen und eine sehr große Nase. Die Haut wirkte ledrig und die kleinen schwarzen Knopfäugelein begutachteten voller Schrecken Pan.

      »Was bist du?«, rief Leyla verblüfft, was dazu führte, dass der entsetzte Blick nun ihr galt.

      »Bitte?«, fragte das Wesen schockiert. Pan schien die Unterhaltung zu lange zu dauern, er setzte sich einfach in Bewegung und marschierte in den Innenhof.

      »Halt!«, rief der kleine Gnom entsetzt, was vollkommen überflüssig war, denn Pan hatte ohnehin schon innegehalten. Kurz fragte sich Leyla warum. Als sie jedoch ebenfalls durch das Tor trat, spürte sie den Grund sofort. Sie konnte hier nicht atmen! Entsetzt machte sie einen Schritt zurück, holte tief Luft und blickte zu dem kleinen Männlein, das die Arme verschränkt hatte und versuchte seinen ängstlichen Blick in einen bitterbösen zu wandeln.

      »Ich glaube«, sagte Leyla stockend, da Pan immer noch keine Anstalten machte, sich zu verwandeln, »Ich glaube, wir wollen zum Besitzer dieses Grundstücks.« Jetzt blickte der Gnom sie vollkommen fassungslos an.

      »Du glaubst?!«, krächzte er und warf noch einen nervösen Blick auf Pan. »Was bist du, dass …« Er hielt schlagartig inne. »Millmill, lass sie mal ein Stück herein«, rief er und schlüpfte

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