Maggie. Bettina Reiter
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Maggie - Bettina Reiter страница 9
„Was heißt das?“ Toilettenkraft?
„Poststelle.“ Gut, das war um Längen besser, auch wenn der Job ebenfalls meilenweit von Maggies Vorstellungen entfernt war. „Nur wer ein Unternehmen in- und auswendig kennt, jede Abteilung und jeden Mitarbeiter, weiß, wovon er spricht. In der Schreinerei haben Sie vielleicht mit sechsstelligen Beträgen zu tun gehabt, bei uns werden täglich Milliarden umgewälzt, demnach sind Sie ein absolutes Greenhorn. Nun, Sie bekommen diese eine Chance. Mit mir als Mentorin. Ich werde Sie unter meine Fittiche nehmen und wenn Sie ausgebacken sind, wird sich der Markt förmlich um Sie reißen. Jetzt liegt es an Ihnen, ob Sie mein Angebot annehmen oder nicht.“ Iris kam zurück. Ausgerechnet mit Mister Nadelstreifen im Schlepptau, der vermutlich Humpie sein musste. Die Wanze. „Ich warne Sie allerdings vor“, flüsterte Grace ihr zu, „in den nächsten Jahren werden Sie so gut wie kein Privatleben haben und sollten sich ein dickes Fell zulegen.“ Kurz vor Grace machte Iris kehrt und ließ Humpie die letzten Schritte alleine gehen. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. „Mein Sohn wird Sie in alles einweisen“, erklärte Grace lauter. „Und notfalls feuern, wenn Sie nicht die gewünschte Leistung bringen.“
„Immer diese Alleingänge, Mutter.“ Sein genervter Blick streifte Maggie.
„Dir bin ich zuletzt Rechenschaft schuldig.“
„Wo hast du sie aufgegabelt?“ Erneut nahm er Maggie in Augenschein.
„Auf einer Parkbank, wo sonst?“ Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn schien schwieriger zu sein, als Maggie angenommen hatte, und sie befand sich mitten in der Schusslinie. Wobei sich ihr Mitleid für Humpie in Grenzen hielt.
„Schön, Mutter, dann hast du ja endlich jemanden, den du herumkommandieren kannst.“
„Oder jemanden, der bessere Arbeit leistet als du“, erwiderte Grace süffisant.
Humpies Kieferknochen mahlten aufeinander. „Diese junge Dame ist keine Konkurrenz für mich.“ Sein Blick glich einer Kampfansage. Sie stand schon jetzt auf seiner Abschussliste. „Montag früh, pünktlich um sechs Uhr in meinem Büro“, ordnete er knapp an. „Bringen Sie die erforderlichen Papiere mit. Alles Weitere besprechen wir dann.“ Er eilte davon.
Maggie fing Graces Blick auf. „Sind Sie bereit für die Höhle des Löwen?“
„Ja, und ich werde Ihnen beweisen, dass ich ein guter Dompteur bin.“
Mrs. Lynch hob die rechte Augenbraue. „Sie gefallen mir immer besser. Aber wenn Sie in diesem Zirkus mithalten wollen, müssen Sie knallhart sein. Ich wiederhole das nur, damit Ihnen klar ist, worauf Sie sich einlassen. Das hier ist nämlich nicht das beschauliche Cornwall, wo sich Fuchs und Henne gute Nacht sagen. In diesem Unternehmen müssen Sie ständig hinter sich blicken, damit Sie keinen Feind übersehen. Unter ihren Stuhl schauen, der laufend angesägt werden wird und vor allem sollten Sie nach einer Devise leben: In der Citizen-Welt regiert ausschließlich Geld, nicht das Herz.“
Eine harte Aussage, die Maggie noch beschäftigte, nachdem sie sich längst in ihrem Pensionszimmer befand. War sie tatsächlich dazu gemacht, die Ellenbogen zu benutzen? Sich gegen alle Widerstände zu behaupten und Gefühle außen vor zu lassen?
Zweifel, die sich verstärkten, als sie einen Anruf von Minnie erhielt. Finleys Tante setzte sie über Randalls Tod in Kenntnis. Maggie sank weinend auf das Bett, nachdem sie aufgelegt hatten, und dachte an das letzte Gespräch mit ihm. Dieser Mann war ein außergewöhnlicher Mensch gewesen, dessen Tod sie tief traf. Dabei hatte sie ihn kaum gekannt, trotzdem fühlte es sich anders an. Und wie schlimm musste sein Tod für Annie sein. Es wäre schön gewesen, sie zu kennen. Ob sie ihr schreiben sollte?
Maggie blickte aus dem Fenster und hatte plötzlich St. Agnes vor ihrem geistigen Auge. Die Bank vor Randalls Geschäft. Alecs und Harrys Grab. Die Klippen, den rauschenden Ozean und Kraniche, die ihre Kreise am Himmel zogen …
♥♥♥
Dublins Brücken spiegelten sich in der ruhig dahinfließenden Liffey, die auch die gepflegten Häuserreihen auf ihrer Oberfläche tanzen ließ. Besonders im Merrion Square fanden sich viele entzückende Gebäude im Georgianischen Stil mit ihren weiß verputzten Ornamenten und den Backsteinen. Über teils feudale Eingangsportale spannten sich Ziergiebel und viele verfügten über romantische Freitreppen.
Gedankenvoll schlenderte Maggie an der Nationalgalerie vorbei, stand ehrfürchtig vor der Börse Irish Stock Exchange und fuhr mit der Stadtbahn in die Nähe von Temple Bar. Das kulturelle Viertel am Südufer der Liffey platzte beinahe aus allen Nähten, denn die ganze Welt schien an diesem Wochenende dasselbe Ziel zu haben, oder es ging allen ähnlich wie ihr: Sie mussten sich beschäftigen, um auf andere Gedanken zu kommen. Wobei Dublin durchaus sehenswert war.
Am besten gefielen Maggie die engen Gassen mit den Kopfsteinpflastern, die den Straßenzügen ein mittelalterliches Flair einhauchten. Hochmodern wirkte dagegen der Spire, eine über hundertzwanzig Meter lange Edelstahl-Säule, die nach oben hin schmaler wurde und von vielen scherzhalber als der größte Zahnstocher der Welt bezeichnet wurde.
In der Nähe einiger Kaufhäuser spielten Musiker irische Folkmusik, als Maggie in den Doppeldeckerbus stieg, den sie auch am Sonntag als Verkehrsmittel nutzte. Bis zum Abend hatte sie die legendäre Half Penny Bridge gesehen, das imposante Dublin Castle in der Altstadt, das klassizistische Costume House in den Dublin Docklands, die Molly Malone Statue und das Famine Monument. Berührende Bronzestatuen, die verhärmt und ausgemergelt an Irlands große Hungersnot erinnern sollten.
Nach all den Eindrücken wollte Maggie das erlebnisreiche Wochenende mit einem Spaziergang am Hafen ausklingen lassen. Hier herrschte wohltuende Ruhe, obwohl sie einen ähnlichen Trubel wie in den Straßen erwartet hatte. Aber sie stand beinahe alleine am Quay und schlenderte an der Uferpromenade entlang. Begleitet vom Meer, das mit dem blassrosa Horizont verschmolz. Der Geruch der salzigen See umfing sie wie eine zärtliche Umarmung aus der Heimat. Kein Haus, nichts versperrte die Sicht auf diese unendliche Weite, die ihr Herz erfüllte. Die es durchatmen ließ und an den Ketten rüttelte, die ihre Brust umschlossen. Aber noch war Maggie nicht bereit, sich von der Vergangenheit zu lösen. Ihr Gesicht dem Neuen zuzuwenden. Die Zukunft machte ihr mehr Angst, als das Altvertraute. Trotz der Qualen. Dennoch, sie musste eine Entscheidung treffen.
Kurzerhand setzte sich Maggie auf die Steinmauer und zwang sich, an die Citizen-Bank zu denken. An Grace und ihre Warnung. Nach wie vor fühlte sie sich hin und her gerissen. Im Grunde hatte diese Iris vielleicht das richtige Gespür gehabt, indem sie ihr unmissverständlich zu verstehen gab, nicht in diese Welt zu passen. In eine Welt, die düster vor Maggie lag, und als teile die Natur ihre Gedanken, verdunkelte sich auch der Horizont allmählich. Mit ihm der Ozean, als wäre schwarze Tinte ausgelaufen. Sehnsüchtig schaute Maggie in den Himmel. Einige Sterne funkelten bereits und unaufhaltsam verwandelte sich die Stadt in ein Lichtermeer, das die See glitzern ließ wie schillernden Tüllstoff.
Ob der Spiegel von Lyonesse bis hierher leuchten konnte? Nein, den Sagen und Legenden war sie entwachsen, diese Schuhe passten ihr nicht mehr. Es gab keine Wunder. Nur die harte Realität und bittere Gründe, welche sie aus Redruth fortgetrieben hatten. Unter anderem Hanks Vorwürfe. Er und Polly waren sicher froh, dass sie Cornwall den Rücken kehrte. Auch wenn sie die Heimat mit jeder Stunde mehr vermisste.
Wäre alles anders gekommen, wenn sie Alec nicht gekannt hätte?
Maggie erschrak über diesen Gedanken, der plötzlich in ihr war. Doch niemand hörte ihn, um sie zu verurteilen, und da diese Tür geöffnet war, ließ sie sich nicht