Sie war meine Königin. Janina Hoffmann

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Sie war meine Königin - Janina Hoffmann

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erhoffte. Wenn meine Mutter über die erste Begegnung mit meinem Vater und ihre Arbeit in dem Auktionshaus sprach, was selten vorkam, wurde stets deutlich, wie sehr sie ihre Tätigkeit geliebt hatte und dass sie ihr fehlte. Jedoch beeilte sich meine Mutter jedes Mal zu versichern, dass es für sie kein großes Opfer gewesen sei, ihren Beruf auf Wunsch meines Vaters an den Nagel zu hängen, der eine Frau wollte, die nur für ihn und die zukünftigen Kinder da war und der Familie ein gemütliches Zuhause bot. Anders als es die Mütter meiner Schulkameraden taten, putzte meine Mutter allerdings nicht selbst. Sämtliche unangenehmen Tätigkeiten wurden ihr von einer der beiden Haushälterinnen abgenommen, die täglich abwechselnd zu uns kamen.

      Mein Vater sah es auch nicht ein, weshalb die Frau an seiner Seite berufstätig sein sollte, da er selbst doch mehr als genug verdiente. Meine Mutter verbrachte viel Zeit damit, die Zimmer in unserem Haus, die, obwohl sie alle möbliert waren, teilweise nicht genutzt wurden, umzudekorieren. Ein neuer Bodenbelag wurde verlegt, auch wenn der bisherige noch wie neu war, Wände neu tapeziert und gestrichen, Möbel und nicht wertvolle Bilder entsorgt, neue angeschafft und das gesamte Mobiliar immer wieder umgestellt, bis meine Mutter mit dem Aussehen des Raums zumindest für eine Zeitlang zufrieden war. Dann begann sie erneut, einen Renovierungsauftrag zu planen, der der Villa das richtige Flair geben würde. Ständig waren Handwerker in unserem Haus, die anscheinend nie fertig wurden. Dieses ungewöhnliche Hobby meiner Mutter kostete sicher viel Geld, doch davon war ja durch die Arbeit meines Vaters genügend vorhanden. Ich erlebte es nie, dass er die Ausgaben meiner Mutter kritisierte oder sie darauf hinwies, dass es nicht nötig sei, die Zimmerwände fast jährlich neu zu tapezieren. Andererseits zeigte er aber auch keinerlei Interesse an ihren Vorschlägen für eine Verschönerung der Räume. „Du machst das schon“, wiegelte er ab, wenn sie ihm Kataloge mit Farbmustern zeigen wollte, und gab ihr nicht nur auf diese Weise zu verstehen, dass es in seinem Leben weitaus Wichtigeres als Tapetenmaterial und Bodenfliesengrößen gab.

      Wenn meine Mutter nicht gerade unser Haus verschönerte oder unserem Gärtner Ideen für die Neugestaltung unseres Gartens unterbreitete, diskutierte sie mit Mitgliedern einer festen Runde, die sich zweimal wöchentlich im Gemeindehaus traf, über philosophische Themen wie den Sinn des Lebens. Und sie widmete sich Wohltätigkeitsprojekten. Gern organisierte meine Mutter zusammen mit Mitgliedern des Diskussionskreises Basare, deren Einnahmen einem Kinder- oder Tierheim gespendet werden sollten. Sie half mit, Lebensmittel für eine Suppenküche zu sammeln, die Bedürftige mit Mahlzeiten versorgte. Und in der Vorweihnachtszeit ging sie mit ihren Diskussionskreisfreunden von Tür zu Tür, berichtete denen, die ihr öffneten, vom Elend in der Welt und bat um Geldspenden für arme Länder.

      Meiner Schwester Melissa und mir pflegte meine Mutter mit Begeisterung von erfolgreichen Basaren und Spendenaktionen zu berichten, die ihr so viel bedeuteten. War mein Vater anwesend, was selten vorkam, sprach sie diese Dinge nicht an. Hatte sie dies anfangs noch getan, hatte die Art, mit der mein Vater bei solchen Themen seine Augenbraue hob, sie bald gelehrt, dass es besser sei, stattdessen zusammen mit Melissa und mir höflich zuzuhören, wenn mein Vater von dem erfolgreichen Abschluss eines Mandats erzählte, wobei meine Schwester und ich wegen der vielen Fachtermini, die mein Vater dabei verwendete, kaum ein Wort verstanden.

      In den zehn Jahren ihrer bisherigen Ehe hatte es mein Vater auf subtile Art erfolgreich geschafft, das Selbstbewusstsein meiner Mutter zu untergraben, ihr das Gefühl zu geben, sie könne froh sein, dass er überhaupt jemanden wie sie, die offensichtlich so weit unter seinem eigenen Niveau war, zur Frau gewählt hatte. Je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, dass er zu dieser Zeit überhaupt kein Interesse an einer starken Frau hatte. Mein Vater wollte damals jemanden an seiner Seite, der ihn bewunderte, dem er ständig seine Überlegenheit demonstrieren konnte. Er hingegen behandelte meine Mutter all die Jahre mit emotionaler Kälte, bis er ihrer irgendwann überdrüssig war und in ihr wohl nur noch ein lästiges Anhängsel sah, das es loszuwerden galt. Ich erfuhr nie, was wirklich in meiner Mutter vorging, als mein Vater sie für eine andere, selbstbewusstere Frau verließ, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als meine Mutter ihn am meisten gebraucht hätte.

      Solange ich mich zurückerinnern kann, tat meine Mutter alles, um den hohen Ansprüchen meines Vaters gerecht zu werden. Dazu gehörte auch, dass sie auf nahezu krankhafte Weise auf ihre Figur achtete. Meine Mutter maß einen Meter achtzig und war damit fast so groß wie mein Vater. Sie hatte rotblondes kurzes Haar, das sie, wie es zu der Zeit Mode war, zu einer bauschigen Frisur föhnte, und hellbraune Augen. Ihre Nase war etwas spitz. Trotzdem war sie meiner Ansicht nach eine sehr schöne Frau. Wie ich von alten Fotos wusste, war meine Mutter schon als junges Mädchen schlank gewesen. Trotzdem bildete sie sich ein, überflüssige Pfunde verlieren zu müssen, und hielt sich daher ständig streng an irgendwelche Diäten, die sie einer der Frauenzeitschriften, die sie gern las, entnommen hatte und die völlig unrealistische Abnehmerfolge in kürzester Zeit versprachen. Nach dem Ende einer solchen Diät hatte meine Mutter die mühsam verlorenen Pfunde nach eigener Aussage schnell wieder zugenommen – man sah es ihr nämlich keineswegs an – und musste die nächste Diät beginnen, um der „Verfettung“, wie sie es nannte, Einhalt zu gebieten. Nicht zuletzt aufgrund ihrer schlanken Figur hatte meine Mutter auch eine ihrer Ansicht nach zu geringe Oberweite, über die sie sich meinem Vater gegenüber so lange beklagte, bis er ihr zum zehnten Hochzeitstag endlich eine kostspielige Brustvergrößerung bei einem bekannten Schönheitschirurgen schenkte.

      Meine zu der Zeit achtunddreißigjährige Mutter war, nachdem die Verbände endlich abgenommen worden waren, überglücklich über ihre neuen Brüste und den anerkennenden Kommentar meines Vaters: „Die Investition hat sich gelohnt. Du siehst aus wie neu.“

      Ich hingegen fand, dass meine Mutter fortan aussah, als hätte sie sich zwei Orangen unter ihr Oberteil gesteckt, wenn ich mich auch davor hütete, das laut auszusprechen. Meine Mutter war nämlich keine sehr kritikfähige Person. Ein falsches Wort über ihre neuen Brüste, wenn auch im Scherz, und sie wäre am Boden zerstört gewesen.

      Dass mein Vater die nunmehr umfangreichere Oberweite meiner Mutter zu schätzen wusste, hielt ihn jedoch nicht davon ab, weiterhin seinen außerehelichen Affären nachzugehen, ein Hobby, das ihm fast genauso wichtig war wie seine zeitintensive Tätigkeit als Anwalt und bei dem er sich nicht besondere Mühe gab, es vor seiner Frau zu verbergen. Mein zu der Zeit neununddreißigjähriger Vater hatte dunkelblondes Haar, das bereits Geheimratsecken erkennen ließ, und graue Augen, die mitunter sehr kalt, insbesondere der Damenwelt gegenüber aber auch sehr charmant, wirken konnten. Er war ein attraktiver Mann mit einer sportlichen Figur, noch dazu sehr erfolgreich, und das nutzte er gegenüber jüngeren Frauen, die ihn vorrangig interessierten, gnadenlos aus. Mehr als einmal klingelte bei uns zu Hause das Telefon, und wenn meine Mutter, Melissa oder ich uns meldeten, wurde wortlos aufgelegt. Ging mein Vater, wenn er denn einmal zu Hause war, an den Apparat, beendete er das Telefonat oft mit einem Satz wie „Ich kann jetzt nicht“ oder „Ich rufe dich später zurück“. Anschließend kehrte er zurück zu uns an den Esstisch oder vor den Fernseher, als wäre nichts gewesen. Mein Vater hatte aufgrund seines Berufs sowieso lange Arbeitstage. Manchmal kam er abends, bevor Melissa und ich im Bett waren, nach Hause, um anschließend noch einmal zu einem Termin aufzubrechen. Meistens schliefen meine Schwester und ich jedoch schon längst, wenn mein Vater spätabends aus dem Büro oder von einer seiner Geliebten zurückkehrte.

      Oft merkte ich nur an der Traurigkeit meiner Mutter am nächsten Tag, dass zwischen ihr und meinem Vater etwas vorgefallen war. Dass er sie offensichtlich regelmäßig betrog, erfuhr ich kurz vor meinem neunten Geburtstag, als ich mitten in der Nacht erwachte und meine Eltern aufgrund der offensichtlich nicht geschlossenen Tür ihres Schlafzimmers, das schräg gegenüber von meinem Zimmer lag, streiten hörte.

      „Die Sitzung hat eben länger gedauert als erwartet“, teilte mein Vater meiner Mutter sachlich mit. „Ich habe dir ja gesagt, dass es spät werden kann.“

      Es war ihre vor Aufregung schrille Stimme, die mich geweckt hatte. „Bis zwei Uhr nachts?“, fragte sie. „Du willst mir ernsthaft weismachen, dass ihr bis zwei Uhr nachts verhandelt habt?“

      „Ja,

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