Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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auf ihn springen und ihn an der That verhindern könne; er trat auch ein paar Schritte von dem Manne zurück und hielt das gezückte Messer noch immer in der Hand – fest entschlossen, keiner menschlichen Gewalt zu weichen. Der Fremde aber achtete nicht einmal auf die drohende Bewegung, und als er die Leiter so gestellt hatte, daß man jetzt von ihr aus bequem den Ast erreichen konnte, wandte er sich wieder ab, ging zu seiner alten Stelle und sagte dann ruhig:

      /14/ „So, lieber Freund, jetzt sind Sie nicht im Geringsten mehr gehindert; wenn Sie die Schlinge gemacht und um den Hals gelegt haben, brauchen Sie nur die Leiter mit den Füßen umzustoßen, und das Resultat wird ein vollständig befriedigendes sein. – Bitte, geniren Sie sich auch nicht etwa meinetwegen; ich bin schon sehr häufig Zeuge solcher oder ähnlicher Handlungen gewesen und vollständig daran gewohnt.“

      Der junge Mensch war, als er diese Stelle betrat, fest entschlossen, seinem wahrscheinlich verfehlten Leben ein Ende zu machen, und er hätte auch alle Schwierigkeiten, die sich ihm da in den Weg stellen konnten, in seiner doch nun einmal verzweifelten Stimmung überwunden. Dieses Entgegenkommen eines Fremden aber, diese wahrhaft entsetzliche Gefälligkeit, mit der er die Hand lieh, einen Mitmenschen zum Selbstmörder zu machen, ja das kalte, ironische Lächeln, das auf seinen Zügen lag, strich ihm doch wie ein eisiger Reif über die Seele, und starr den Blick auf ihn geheftet, rief er:

      „Mensch oder Teufel, der Du bist – hebe Dich weg von mir! – Eine eigene Angst überkommt mich in Deiner Nähe – fort und laß mich allein sterben!“

      Ein Lächeln flog über die Züge des Fremden.

      „Es ist sehr freundlich von Ihnen,“ sagte er, „daß Sie mich mit dem vertraulichen Du anreden, und wenn Sie nicht in solcher entsetzlichen Eile wären, die mondbeschienene Erdoberfläche zu verlassen, so könnte es vielleicht zu einer näheren Bekanntschaft führen – doch die Menschen sagen: des Menschen Wille ist sein Himmelreich, und wer sich aus diesem Himmelreich selber eine Hölle machen will, dem,“ setzte er achselzuckend hinzu, „kann man es natürlich nicht wehren. Ich störe außerdem nie ein Vergnügen – also à revoir mon cher, denn – wenn Sie Ihren Vorsatz ausführen, soupiren wir vielleicht heut Abend noch zusammen.“

      Damit lüftete er leicht den Hut, drehte sich ab und wollte den Platz eben verlassen, als der junge Verbrecher, vielleicht durch die Verzögerung und das Zusammentreffen mit einem Fremden – möglicher Weise auch durch die furchtbare Bereit /15/ willigkeit wankend gemacht, mit der dieser ihn in seinem Vorsatz zu bestärken schien, ihn noch einmal anrief:

      „Und ist das alle Hülfe, die Sie mir leisten wollten?“

      Der Fremde drehte sich lachend um und sagte:

      „Wünschen Sie vielleicht Geld von mir zu borgen?“

      „Teufel!“ knirschte der junge Verbrecher zwischen den Zähnen, wandte sich ab und ergriff jetzt entschlossen die Leiter – was auch hatte er auf Erden noch zu suchen – aber der Fremde schien sich anders besonnen zu haben. Er ging nicht, sondern kehrte um, kam bis auf fünf Schritt etwa, wo der junge Mann schon die Schlinge befestigte, heran und sagte:

      „Hören Sie einmal, lieber Freund. Sie scheinen mir ein nicht unbedeutendes Ahnungsvermögen zu besitzen. Warten Sie noch einen Augenblick mit Ihrer Abreise, es wär’ doch möglich, daß ich auch hier auf Erden noch eine Beschäftigung für Sie fände.“

      „Sie? für mich?“ sagte der junge Selbstmörder mit finsterem Blick. „Wer sind Sie denn überhaupt?“

      „Der Teufel,“ sagte der Fremde ruhig – und nur mit einem leisen spöttischen Zug um die Lippen. „Sie nannten ja vorhin meinen Namen.“

      „Der Teufel?“ rief der Unglückliche, und ein eigenthümliches Zittern flog über seinen Leib – die stille Nacht – der fahle Mondschein, der einsame Ort, ja die unheilige Absicht selbst, in der er sich hier befand, das alles mochte zusammenwirken, um sein Herz mit einem unbestimmten Schauder zu erfüllen – aber das konnte doch nur Momente dauern, und mit heiserer Stimme lachte er wild auf:

      „Das wäre in der That ein vortrefflicher Gesellschafter für meine Reise – wenn es überhaupt einen Teufel gäbe. – Nur so viel ist sicher, ein Herz haben Sie nicht, oder Sie könnten nicht mit einem Menschen in meiner Lage Ihren Scherz noch treiben. Fort! Sie sind nicht im Stande, mir zu helfen.“

      „Das käme auf einen Versuch an,“ sagte der Fremde. „Sie brauchen jedenfalls Geld, weiter nichts.“

      „Und selbst eine kleine Summe könnte mir nichts nützen,“ sagte der junge Spieler finster, „mein Unglück liegt tiefer – /16/ ich habe meinen Beruf verfehlt, und jede Hülfe jetzt würde nur dazu dienen, mein Schicksal um Monate – ja vielleicht Wochen hinaus zu zögern.“

      „Ihren Beruf verfehlt? Caramba!“ sagte der Fremde (und der Teufel soll allerdings immer nur spanisch, aber dabei anständig fluchen) „an solchen Leuten habe ich eigentlich von jeher ein Interesse genommen. Ich verkehre am allerliebsten mit Menschen, die ihren Beruf verfehlt haben. Kommen Sie herunter und lassen Sie uns ein halbes Stündchen mit einander plaudern; wollen Sie sich nachher noch absolut hängen, so haben Sie die ganze Nacht vor sich, und kein Mensch wird Sie daran verhindern. Was sind Sie eigentlich?“

      „Zuerst beantworten Sie mir die nämliche Frage, die ich vorhin an Sie gerichtet,“ sagte da der junge Mann, der jetzt von der Leiter wieder herabstieg, aber trotzdem noch mit einem heimlichen Grausen in das bleiche Antlitz des Fremden sah.

      „Und habe ich das nicht schon gethan?“ sagte dieser ruhig. „Ich bin wirklich der Teufel.“

      „Sie treiben Ihren Spott mit mir,“ rief der junge Mann, indem er aber doch die Gestalt des Fremden mit einem scheuen Blick überflog.

      „Wie soll ich mich legitimiren?“ erwiderte achselzuckend der Fremde; „glauben Sie etwa, daß ich mit Hörnern und Pferdefuß herumlaufe, wie mich einzelne alberne Menschen schildern, um Kinder und Schafsköpfe damit fürchten zu machen? Mit einer solchen Gestalt könnte ich mich natürlich vor Niemandem blicken lassen. Am Tag aber von Geschäften überladen, besuche ich gern Abends im Mondenschein die Erde und gehe dann eben mit dem Monde; denn irgendwo scheint er doch die ganze Nacht.“

      „Und was wollen Sie von mir?“ sagte der junge Mann scheu, und fühlte wie ein Zittern durch seine Glieder lief – „meine Seele?“

      Der Fremde lachte laut auf. „Glauben Sie wirklich, daß ich mich einer einzigen lumpigen Seele wegen hier eine Stunde zu Ihnen gesellt hätte? Das wäre der Mühe werth! Ich habe meine Freude an ganz anderen Dingen und, wie gesagt, viel mehr Vergnügen daran, Leute, die ihren Beruf /17/ verfehlt haben, in die richtige und passende Bahn zu bringen, als sie abfahren zu sehen, ohne daß sie der Welt – und mir etwas genützt hätten. Wie heißen Sie?“

      „Guido Lerche.“

      „Und Ihr bisheriger Beruf?“

      Guido Lerche schwieg und sah düster nach dem Fremden hinüber, endlich sagte er: „Schriftsteller – Dichter – aber wenn Sie der wirklich wären, für den Sie sich ausgeben, so müßten Sie doch auch mich und meinen Beruf kennen.“

      Achselzuckend erwiderte der Fremde: „Die Menschen sagen allerdings häufig: „Der Teufel soll alle Schriftsteller und Schriftstellerinnen Deutschlands kennen“; es ist das aber nur eine ganz gemeine Schmeichelei – ich bin es nicht im Stande. Sie müssen mich deshalb entschuldigen. – Wahrscheinlich schreiben Sie anonym?“

      Guido Lerche biß sich auf die Unterlippe; er stand schon gewissermaßen

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