Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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Beide einmal vernünftig mit einander sprechen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich schon vielen Leuten geholfen habe, und sobald Sie sich nur ein klein wenig anstellig zeigen, ist die Sache auch gar nicht etwa so schwer. Nur mit dummen Menschen mag ich nichts zu thun haben, oder die brauchen mich vielmehr nicht. Sie arbeiten mir auch sehr häufig durch ihre Dummheit in die Hände, und anfangen läßt sich doch nichts mit ihnen – man muß sie eben einfach gehen lassen.“

      „Und Sie wollen mir helfen?“ sagte Lerche, ohne aber bis jetzt noch seine Stellung zu verändern – „und wie das anfangen? Soll etwa meine unsterbliche Seele der Preis sein?“

      „Seien Sie nicht kindisch,“ erwiderte der Fremde; „wenn mir etwas an Ihrer ‚unsterblichen Seele‘ läge, so brauchte ich Sie ja nur nicht zu stören. Sie machen sich überhaupt von Ihrer Seele und meinem Verlangen danach einen total falschen Begriff und beurtheilen die Sache einfach wie /18/ der große Haufe nach den verschiedenen Märchen, die sie darüber hören, und die gewöhnlich geradezu abgeschmackt sind.“

      In Guido Lerche’s Herzen dämmerte in dem Moment zuerst wieder eine Hoffnung. War es denn nicht möglich, daß er hier einen reichen – und dann natürlich verrückten Engländer gefunden hatte, der zufällig Zeuge seines beabsichtigten Selbstmordversuchs gewesen, und nun in seiner barocken Weise ihm zu helfen wünschte? Er mußte wenigstens wissen, was der Fremde, der sich für den Teufel ausgab, eigentlich von ihm wolle und ob er in ihm einen Retter gefunden – der letzte Ausweg blieb ihm ja dann noch immer unverwehrt. Er ließ den Strick los, trat von den untersten Sprossen der Leiter herunter und die Arme verschränkt auf den Fremden zu, der ihn ruhig, wo er stand, erwartete. Jetzt sagte er freundlich:

      „Kommen Sie, Herr Lerche, wir wollen uns da drüben, am Rand des kleinen Wäldchens, unter einen Baum setzen, wo der Thau das Laub nicht getroffen hat, und dort erzählen Sie mir einfach – aber, wenn ich bitten darf, so kurz als möglich, Ihre Schicksale. – Ich bedarf nur der Andeutungen und verstehe ganz vortrefflich zwischen den Zeilen zu lesen.“

      Lerche betrachtete ihn aufmerksam. Wie ein Engländer sah er eigentlich nicht aus – schon die schwarzen, gelockten Haare sprachen dagegen – weit eher wie ein Italiener oder Spanier; er hatte auch außerordentlich weiße und zarte Hände, und in der seidenen feuerrothen Cravatte funkelte ein prachtvoller Diamant. Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt aber der Fremde der bezeichneten Stelle zu, und es war in der That ein wundervoller Platz, wie man ihn sich nicht reizender hätte aussuchen können.

      Voll und klar stand der Mond am blauen, sternbesäeten Himmel; nur hier und da zogen lichte und durchsichtige Wolkenschleier darüber hin und warfen für Momente einen Halbschatten auf die Erde. Ueber ihnen wölbte sich das breite Dach des Kastanienbaumes – vor ihnen lenkte sich allmälig der leise ablaufende Hang dem kleinen Strom entgegen, unfern von dem, aus eingeschlossenen Mauern hervor, die weißen Dämpfe der dort zum Abkühlen gesammelten /19/ heißen Quelle stiegen. – Drunten im Thal aber und drüben auf dem andern Ufer der Lahn blitzten die Lichter der zahllosen Hotels, und von dort her tönte auch noch die rauschende Melodie eines lustigen Galopps, zu der sich die geputzten Paare auf dem Parket des Saales im Kreise schwenkten. Still und majestätisch aber lagen dahinter die mondbeschienenen und dicht bewaldeten Hänge der Berge, und stiller, heiliger Frieden ruhte über dem ganzen Bilde.

      Der Fremde schien die prachtvolle Scenerie selber mit Wohlgefallen zu betrachten. Er warf sich auf das weiche Laub nieder, und den rechten Ellbogen auf den Boden stützend, sagte er:

      „Allerliebste Gegend hier – und so kühl und frisch heut Abend. Bitte, Herr Lerche, nehmen Sie Platz, und nun erzählen Sie mir einmal, was Sie eigentlich zu einem Schritt getrieben, den Ihr Menschen doch nur einmal im Leben wagen könnt, während Ihr dabei völlig und unrettbar in das Dunkel einer geheimnißvollen Zukunft hinausspringt. – Merkwürdig – nicht einmal ein unvernünftiges Pferd springt über eine Bretterwand, wenn es nicht sehen kann, wo es drüben im Stande ist, die Füße hinzusetzen.“

      „Und weshalb nehmen Sie ein solches Interesse an mir?“ sagte Lerche düster, indem er aber doch der Einladung Folge leistete und sich neben dem Fremden auf das wie aufgeschüttete Laub niederwarf.

      „Werden Sie nicht langweilig,“ erwiderte der Fremde – „woher vermuthen Sie, daß ich überhaupt Interesse an Ihnen nehme? Ich will nur sehen, ob Sie sich hier aus der Welt nicht noch nützlich machen können – wäre das nicht der Fall, so würde ich Sie nicht weiter belästigen. Also erzählen Sie frisch von der Leber weg; es ist noch früh, und Sie haben übrig Zeit.“

      „Aber,“ sagte Lerche.– „wenn ich mich einem vollkommen Fremden anvertrauen soll, so muß ich doch wenigstens im Ernst wissen, mit wem ich es zu thun habe. Wer sind Sie? Wie heißen Sie?“

      „Wer ich bin, habe ich Ihnen schon vorhin gesagt. Wie ich heiße? Ihre Nation hat zahllose Namen für mich – /20/ manche sogar beleidigender Art, wenn mich die kindliche Einfalt derartiger Menschen überhaupt beleidigen könnte.“

      „Sie treiben Ihren Scherz mir mir,“ sagte Lerche – „Ihr gutes Herz verleitet Sie, einem Unglücklichen zu helfen, ohne ihn zu Dank verpflichten zu wollen.“

      „Mein gutes Herz?“ lachte der Fremde jetzt wirklich grell und unheimlich auf. – „Das ist vortrefflich, Herr Lerche, ich fange wirklich an zu glauben, daß Sie ein Dichter sind, denn Sie haben Phantasie. Mir ist schon viel im Leben nachgesagt, aber ein gutes Herz – hahahaha – das ist in der That äußerst komisch! Aber bitte, beginnen Sie. – Mit wem Sie es zu thun haben, wissen Sie jetzt. Doch geniren Sie sich nicht. Neues können Sie mir nicht berichten, denn im Leben der Menschen wiederholen sich ja derartige Dinge, und nur von Ihrem sechzehnten Jahre fangen Sie an – die Kindergeschichten brauche ich nicht zu wissen. Wer war Ihr Vater?“

      „Ein Weinhändler,“ sagte Lerche, der sich doch nicht recht behaglich fühlte – aber es mußte ein Engländer sein, denn ein anderer Mensch wäre gar nicht auf den Gedanken gerathen, sich direct für den Teufel auszugeben.

      „Ein Weinhändler! – hm – das ist gut,“ nickte sein Nachbar zufrieden – „und zu welchem Lebensberuf wurden Sie bestimmt?“

      „Ich sollte demselben Geschäft folgen,“ sagte Lerche – „hatte aber keinen besondern Trieb dazu. Der harten Arbeit als Küper war mein schwächlicher Körper nicht gewachsen – ich fühlte immer einen Hang zur Poesie und ging frühzeitig zum Theater.“

      „Sehr gut,“ nickte der Teufel – „aber damit ging es nicht.“

      „Nein,“ sagte Lerche zögernd – „Intriguen und Chicanen wurden gegen mich gesponnen.“

      „Natürlich,“ lächelte sein Nachbar – „Sie finden nie einen schlechten Schauspieler, gegen den nicht die bösartigsten Intriguen angezettelt werden.“

      „Aber ich war kein schlechter Schauspieler,“ fuhr Lerche auf.

      /21/ „Bitte, fahren Sie fort,“ nickte der Andere. „Sie verließen die Bühne, weil der schlechte Geschmack des Publikums Ihre Verdienste nicht zu würdigen wußte, und gingen – ?“

      „Nach Amerika –“

      „Caramba,“ sagte der Fremde wieder – „das ist weit! Aber es gefiel Ihnen auch dort nicht?“

      „Nein – das materielle Volk da drüben hat keinen Sinn für Poesie – in der That keinen andern Gedanken, als immer nur Geld – Geld – Geld. – Wenn ich hätte mit Spitzhacke und Schaufel arbeiten wollen –“

      „Aber das wollten Sie nicht!“

      „Nein,

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