Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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betheiligen.“

      „Aber die mißglückten Versuche, die ich selber –“ sagte etwas schüchtern Herr Lerche.

      „Bester Freund, die lassen Sie dann Anderen entgelten,“ lachte sein freundlicher Rathgeber; „denn wer selber etwas schreiben kann, wird natürlich nicht Recensent. Ihre Gewissenhaftigkeit steht Ihnen doch hoffentlich nicht dabei im Wege? – Und überdies,“ fuhr der Fremde leichthin fort, „werden Sie mit der Zeit auch so verbittert werden, daß Ihnen die Galle schon von selber kommen wird, und nichts in der Welt nährt besser als Galle –“

      „Ich habe immer das Gegentheil geglaubt,“ wagte Lerche eine schüchterne Entgegnung; denn wenn ihm der Fremde nichts weiter geben wollte, als den Rath, so hätte er ihn eben so gut können sich selber überlassen, und dann wäre jetzt Alles überstanden gewesen.

      Der Fremde würdigte ihn keiner Antwort; er hatte still vor sich nieder gesehen und leise dazu mit dem Kopfe genickt.

      „Eine Auswanderungs-Agentur würde Ihnen nicht genügen,“ sagte er endlich – „je mehr ich mir die Sache überlege, desto mehr bin ich davon überzeugt. Daß Sie aber als Recensent Ihr Glück machen werden, ist gewiß. Wir sprechen uns wieder.“

      „Verehrter Herr,“ bemerkte Lerche endlich, „das ist Alles recht schön und gut, aber wie soll ich dazu gelangen, selbst nur darin einen Anfang zu bekommen?“

      „Ich gebe Ihnen einen Empfehlungsbrief mit an die Theater-Agentur in X.,“ sagte der Fremde, „die bringt Sie in die rechte Bahn – ich stehe mit ihr in Geschäftsverbindung.“

      „Aber womit käme ich selbst nach X.?“ seufzte Lerche; „ich habe keinen rothen Heller mehr im Vermögen. Wenn Sie mir nur wenigstens die fünfhundert Thaler auf mein ehrliches Gesicht borgen wollten. – Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort –“

      Der Fremde lachte laut auf. „Die Menschen,“ sagte er endlich, nennen mich immer einen „dummen Teufel“, aber so /26/ dumm ist der Teufel denn doch wahrhaftig nicht, daß er einem deutschen Dichter Geld borgen sollte. – Caramba, die Idee ist nicht übel!“

      „Sie nennen sich immer den Teufel,“ sagte Lerche, dem es doch anfing, unheimlich in der Nähe des blassen Mannes zu werden, noch dazu, da sich dieser direct weigerte, ihm irgend welchen Vorschuß zumachen; „wenn Sie nun wirklich der Herr wären – und ich muß Ihnen gestehen, daß ich mir bis dahin ein solches Wesen anders gedacht habe –“

      „Mit feuersprühenden Augen und Hörnern, wie?“ lächelte der Fremde.

      „Wenn auch vielleicht nicht so – aber doch –“

      „Und was wollten Sie vorhin sagen?“

      „Wirklich also den Fall genommen,“ wiederholte Lerche, „so wäre es doch für Sie ein Leichtes, mir auch ohne directen Vorschuß zu Geld zu verhelfen. Sie brauchten mir nur einen einzigen Thaler anzuvertrauen, und drüben an der Spielbank könnte ich –“

      „Das geht nicht,“ unterbrach ihn kopfschüttelnd der Fremde; „ich – habe mit den Herren da drüben einen ganz bestimmten Contract und kann nicht gegen mein eigenes Geld spielen.“

      „Aber wie soll ich hier fortkommen?“

      „Hm,“ sagte der Fremde und sah ihn von der Seite an – „und wenn ich Ihnen nur die geringste Summe anvertraute, so machten Sie doch Dummheiten, liefen wieder hinüber und wären Ihr Geld in einer Viertelstunde los – denn Segen ist nicht darin.“

      „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort –“

      Der Fremde pfiff durch die Zähne. – „Sie halten mich für eben so leichtgläubig wie Ihre erste Liebhaberin,“ sagte er; „aber ich will Ihnen wenigstens von hier forthelfen,“ setzte er hinzu. „Ich muß Ihnen aufrichtig gestehen, daß mir nicht viel daran liegt, wenn Sie sich hier hängen, denn es entsteht dadurch immer ein unangenehmes Gerede für die Bank. Was Sie dann im Land drin thun, kümmert mich nicht. Uebrigens sehe ich ein, daß Sie sich nicht selber zu helfen wissen, denn zum directen Stehlen scheinen Sie mir zu ungeschickt. Sie müssen deshalb etwas Geld in die Hand /27/ bekommen – aber so viel sage ich Ihnen, werfen Sie ein einziges Stück des von mir erhaltenen Geldes auf den grünen Tisch, so verschwindet es im Nu, hinterläßt nichts als einen häßlichen Fleck und – die Folgen haben Sie sich nachher selber zuzuschreiben.“

      „Und wie viel würden Sie die Güte haben –“

      „Hier sind zwanzig Gulden,“ sagte der Fremde, indem er in die Tasche griff und die Silberstücke Herrn Lerche hinreichte, „das wird gerade hinreichen, um Sie nach X. zu bringen.“

      „Und dort dann?“

      „Geben Sie diese Karte in der Redaction des Theaterblattes ab; der Eigenthümer ist ein guter Freund von mir.“

      „Und wie soll ich hier im Hotel meine Rechnung bezahlen?“

      „Bester Freund,“ lachte der Fremde, „die Idee mit dem Strick ist viel zu ausgezeichnet, als daß ich dazu beitragen möchte, sie zu vereiteln. Wenn Sie aber meinem Rath folgen, so befestigen Sie das Seil so, daß Sie es, wenn Sie unten sind, nachziehen können – es wird lang genug sein, und Sie können es vielleicht noch einmal gebrauchen.“

      Lerche schauderte zusammen – war es die Berührung des Geldes oder der Gedanke an einen nochmaligen Selbstmordversuch, auf den der Fremde so kalt und fast höhnisch anspielte – aber das Geld brannte ihm nicht in der Hand, wie er anfangs in der That gefürchtet hatte, und scheu und leise sagte er nur:

      „Verlangen Sie einen Schein dafür?“

      Wieder legte sich der Zug von kaltem Spott über die unheimlichen Züge des Fremden.

      „Glauben Sie, daß ich lumpiger zwanzig Gulden wegen einen Pact mit Ihnen eingehen würde, oder daß mich etwa gar nach Ihrer Seele verlangt? – Reisen Sie vollkommen ruhig, ich werde Sie nicht weiter beunruhigen; denn daß selbst mir ein Schein von Ihnen nichts hülfe, wissen Sie genau so gut wie ich.“

      „Und wie soll ich Ihnen danken?“

      „Daß Sie augenblicklich in Ihr Hotel zurückgehen, Ihre /28/ Sachen in Ordnung bringen und dann gleich den Nachtzug nach Gießen benutzen.“

      Lerche hatte sich bemüht, den auf der Karte fein gestochenen Namen bei Mondenlicht zu lesen, aber war es nicht im Stande – die Karte selber schien schwefelgelb und trug einen grellrothen schmalen Rand.

      „Es steht nur mein Name darauf,“ sagte der Fremde, der es bemerkte, „Edler von der Hölle – also auf Wiedersehen, lieber Freund!“ Und rasch richtete er sich empor, nickte dem jungen Mann vertraulich zu und war schon in den nächsten Secunden in den dunkeln Schatten des Kastanienwäldchens verschwunden.

      2. In Ruhe.

      Lange Jahre waren nach den oben beschriebenen Vorfällen verflossen – lange, bewegte Jahre, und wenn auch die Welt im Allgemeinen ruhig weiter ging, so verbitterte sich doch das rastlose Menschenvolk indessen die kurze, ihm hier vergönnte Spanne Zeit nach besten Kräften. Nationen schlugen sich mit Nationen und vertrugen sich wieder, und nur im ganz Kleinen bohrten sich die einzelnen Exemplare der „Gesellschaft“ hartnäckig ihren Weg. Was auch da draußen im Großen und Ganzen geschehen mochte, es kümmerte sie nicht, denn nur ihr eigenes Interesse trieb sie weiter, um – in dem allgemeinen Drängen und Treiben nach vorwärts – noch

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