Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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ein solcher Brief von Doctor Rabener. Sein Lustspiel wäre auf sieben Bühnen zur Aufführung gekommen, und er hätte noch nichts davon gehört.“

      „Ich auch nicht,“ sagte Herr Köfer, nahm den Brief, knitterte ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche.

      „Herr Blesheim wünscht ebenfalls Abrechnung,“ fuhr der junge Mann fort. „Er behauptet, Sie hätten ihm auf seine vier letzten Briefe gar nicht geantwortet.“

      „Das ist sehr leicht möglich,“ sagte Herr Köfer – „die Herren scheinen weiter gar nichts zu thun zu haben, als Briefe zu schreiben – wir müssen ihnen das abgewöhnen. Stecken Sie den Wisch in den Papierkorb. Was sonst noch?“

      „Anmeldung von neuen Stücken.“

      „Bekannte Namen?“

      /41/ „Nein.“

      „Fort damit!“

      Die Thür ging wieder auf, und Herr Guido Lerche trat, von dem zweiten Commis gefolgt, der ihm auf der Treppe begegnet war, in’s Zimmer.

      „Aber, Herr Lerche – der Setzerjunge wartet schon zwei Stunden auf Sie,“ sagte Herr Köfer vorwurfsvoll.

      „Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?“ citirte Herr Lerche und ging ohne Gruß an seinen Platz, Herrn Köfer gerade gegenüber; „ich bin die Nacht erst um halb Drei nach Hause gekommen und habe trotzdem schon heute Morgen den Artikel beendet. Ich muß ihn nur noch einmal durchlesen, nachher kann ihn der Junge mitnehmen.“

      Herr Guido Lerche hatte sich in den Jahren, in denen wir das Vergnügen nicht hatten, ihm zu begegnen, sehr zu seinem Vortheil verändert, was wenigstens sein physisches Selbst betraf. Er war dick und rund geworden, trug einen kleinen, aber sehr buschigen Schnurrbart, leinene Vorhemdchen und papierne Vatermörder, sah also immer sehr reinlich aus und zeigte einen nicht unbedeutenden Ansatz zu einer mühsam erworbenen rothen Nase.

      „Wo waren Sie denn bis halb drei Uhr?“ sagte Herr Köfer, der in sofern Interesse daran nahm, als Herr Lerche schon seit fünf Jahren als Gatte seiner Schwester sein Schwager und dabei „stummer“ Theilhaber des Geschäfts geworden.

      „Wo ich war?“ sagte Guido – „Bomeier gab ein famoses Champagner-Souper nach dem Theater, und wir haben uns köstlich amüsirt. Ist ein ganz famoser Kerl!“

      „Sind Sie mit der Recension fertig?“

      „Gewiß.“

      „Darf ich Sie bitten?“

      Lerche reichte ihm das Blatt hinüber, und Herr Köfer warf kaum den Blick darauf, als er ausrief:

      „Aber, bester Lerche – Sie reißen ja das Stück furchtbar herunter, und es hat ausgezeichnet gefallen! Der Autor ist beinah nach jedem Act gerufen geworden, und der Regisseur hatte alle /42/ Hände voll zu thun, ihn nur zu entschuldigen. Das Publikum war ganz außer sich.“

      „Lieber Schwager,“ sagte Herr Lerche verächtlich, „thun Sie mir den einzigen Gefallen und nennen Sie mir nur gar nicht das Wort Publikum. Was ist Publikum? Eine Masse, die Entrée bezahlt, um das Institut zu erhalten und sich ein paar Stunden Abends zu amüsiren. Für ihr Eintrittsgeld haben sie dann allerdings Sitz, aber wahrhaftig keine Stimme, und mit Ihrer Erfahrung müssen Sie doch schon lange wissen, daß eine solche Masse wohl steuerpflichtig sein kann und sein muß, aber nie die geringste Rücksicht auf ihr Urtheil verlangen darf.“

      „Aber der Autor hat einen so bekannten Namen!“ sagte Herr Köfer, doch noch nicht vollständig überzeugt.

      „Und was thut das?“ rief Herr Lerche. „Das Urtheil über dramatische Productionen haben wir in der Hand, nicht das Publikum, und wer ist der Autor überhaupt? Kennen wir ihn? Hat er es auch nur der Mühe werth gefunden, uns einen Anstandsbesuch zu machen? – heh?“

      „Das allerdings,“ sagte Herr Köfer.

      „Gut,“ bemerkte Herr Lerche, „den Herren müssen wir wenigstens Lebensart lehren und sie davon überzeugen, daß sie ohne uns nichts sind – nachher werden sie zahm und fressen aus der Hand. Ueberlassen Sie das mir, Schwager. Ich weiß, wie man mit derartigem Gelichter umspringen muß.“

      Herr Köfer hatte indessen die Recension über das gestern gegebene Stück weiter verfolgt. – „Hm,“ sagte er dabei – „Bomeier wird damit zufrieden sein – kann nicht mehr verlangen, aber – haben Sie sich da verschrieben? – Was bedeutet denn der letzte Satz?“

      „Welcher?“

      Herr Köfer las: „Fassen wir aber das Ganze in wenige Worte zusammen und bewundern wir fortan sein großes Talent für Form, für Stilistik – seine Begabniß, sich das Außerordentlichste anzueignen – seine reizende, schöne Factur, seine zarten Fühlhörner und seine ernsthafte – ich /43/ möchte fast sagen passionirte Indifferenz ... das verstehe ich nicht.“3

      „Lieber Schwager,“ sagte Herr Lerche, mit der linken Hand eine abwehrende Bewegung machend – „überlassen Sie das mir. Sie verstehen das allerdings nicht, aber es drückt in höherer Weise aus, was unser geistiges Ich bei einer solchen Leistung empfindet. Bomeier ist in der That ein Künstler erster Klasse, und ich hoffe nur, daß er unserem Institut erhalten bleibt. Etwas Rohes, das er noch an sich hat, wollen wir dann schon abschleifen und poliren.“

      „Na,“ sagte Herr Köfer – „dann geben sie nur dem Jungen da das Manuscript, daß er in die Druckerei kommt, denn er wartet schon eine ewige Zeit. Ich will hinüber gehen und mich rasiren lassen – mein Barbier kommt jetzt,“ und ein viereckiges Stück Marmor mit einer Lyra darauf als Handgriff auf seine verschiedenen Briefschaften stellend, verließ er das Bureau, um sich auf kurze Zeit in seine eigenen Räume zurückzuziehen.

      Herr Lerche hatte indessen den Setzerjungen abgefertigt und die verschiedenen eingelaufenen Zeitungen aufgegriffen, in deren Lectüre er sich vollkommen vertiefte. – Die Schreiber waren ebenfalls in voller und eifriger Arbeit, und so mochte es geschehen, daß ein Fremder, von ihnen Allen unbemerkt, das Comptoir betrat und durchschritt. Herr Lerche hatte wenigstens nicht das Geringste gehört, als plötzlich dicht neben ihm eine Stimme sagte:

      „Guten Morgen, Herr Lerche!“

      Guido fuhr in der That zusammen; als er aber über das Zeitungsblatt hinwegsah, erkannte er einen sehr anständig gekleideten Herrn vollkommen in Schwarz, mit sehr sauberer Wäsche, der dicht vor ihm stand und ihm freundlich, ja fast vertraulich zunickte.

      Lerche starrte ihn überrascht an, denn die Züge des Fremden kamen ihm so merkwürdig bekannt vor, und doch konnte er sich in dem Augenblick um’s Leben nicht besinnen, wo er ihn /44/ nur je gesehen hätte. Der Fremde aber, der ihn lächelnd betrachtete, fuhr ruhig fort:

      „Also glücklich im Hafen der Ruhe angelangt? – Sie sehen gut aus, lieber Lerche, und haben sich ordentlich herausgemacht. Das Unterkinn steht Ihnen vortrefflich, und ich hätte Sie beinah gar nicht wiedererkannt.“

      „Mit wem habe ich die Ehre?“ sagte Herr Lerche, der durch das vornehm nachlässige Wesen und diese anscheinende Vertraulichkeit ganz aus seiner gewohnten Rolle fiel und gar nicht grob wurde – „ich muß Ihnen gestehen, daß ich mich nicht erinnern kann, jemals das Vergnügen gehabt zu haben –“

      „Erinnern sich nicht?“ lächelte der Fremde freundlich – „ja, läßt sich denken. Erstlich

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