Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1 - Gerstäcker Friedrich

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kostet ihr zwanzig Groschen bei der Gemüsehändlerin, und die übrigen hat ihr der verrückte Graf, der Engländer, besorgt, mit dem sie ein Verhältniß hat.“

      „Mein verehrtes Fräulein!“ sagte Herr Köfer vorwurfsvoll, die Dame verstand aber die Andeutung nicht, und da sie /37/ sich einmal in ihren Grimm hineingearbeitet hatte, fuhr sie unerbittlich fort:

      „Und einer solchen Person streuen Sie in Ihrem Blatte Weihrauch und nennen sie einen „Stern“, der das Größte ahnen ließe? – eine zweite Schröder-Devrient2 und Sontag? und das mir in’s Gesicht, der ich ihr nur aus alberner Gutmüthigkeit die Rolle abgelassen habe? – Eine zweite Sontag – es ist wahrhaftig zu lächerlich, und nicht etwa weil die Sontag wirklich das war, was die Recensenten aus ihr machten, sondern nur weil sich das Publikum jetzt, das sie nie gehört hat und also auch nicht darüber urtheilen kann, das Außerordentlichste darunter denkt. Was wollen Sie denn nachher noch über mich schreiben?“

      Herr Köfer hatte wirklich mit einer merkwürdigen Gemüthsruhe diese heftigen und leidenschaftlichen Aeußerungen angehört, oder vielmehr über sich ergehen lassen, weil er doch recht gut wußte, daß er diesen Strom nicht dämmen konnte. Er mußte ruhig ablaufen. Jetzt, nachdem die Dame schwieg – und er öffnete indessen einen Brief nach dem andern – sagte er:

      „Verehrtes Fräulein, ich schreibe überhaupt gar nichts – Briefe an meine Correspondenten ausgenommen – also mir können Sie keine Vorwürfe machen. Ich lese nicht einmal meine eigene Zeitung und gehe nicht in’s Theater – was ich aber über Fräulein Bergen gehört habe, klang sehr lobenswerth, und ihre Jugend –“

      „Jugend – bah! –“ sagte Fräulein Ostachini – „sie ist noch nicht hinter den Ohren trocken und schon die größte Kokette, die es auf der Welt geben kann. Die versteht’s – und was muß die Welt denken, wenn neben mir ein solches – Geschöpf in der Weise herausgestrichen wird?“

      „Aber, mein bestes Fräulein,“ sagte Herr Köfer, „was wollen Sie? – wie ich gehört habe, hat es vorgestern Abend wirklich Kränze und Bouquets geregnet, und wenn sich das Publikum selber –“

      „Reden Sie nicht, als ob Sie eben erst auf die Welt gekommen wären,“ unterbrach ihn Fräulein Ostachini mit einer wegwerfenden Bewegung des Kopfes – und sie that Herrn /38/ Köfer darin Unrecht, denn mit seinem unrasirten Gesicht und den grauen Bartstoppeln sah er wahrhaftig nicht so aus – „als ob man nicht wisse, woher die Kränze und Bouquets kommen und wie billig das ist, wenn man es geschickt gemacht hat. Wenn ihr nur jeder ihrer Courmacher ein Bouquet geworfen hätte, wäre sie im Grünen erstickt. – Soliden Damen (Fräulein Ostachini zählte achtunddreißig Jahre) – sind allerdings solche Hilfsquellen verschlossen – aber desto scheußlicher ist es,“ fuhr sie gereizt fort, „wenn sich die unabhängige Presse auch noch dazu hergiebt, Vorspann an dem Triumphwagen einer solchen – Person zu nehmen. Sängerin, bah! – sie hat keine Spur von Koloratur; der eine Triller war eine wirkliche Parodie auf jeden Gesang, und bei den hohen Tönen erfaßte mich fortwährend eine unsagbare Angst, daß sie jetzt umkippen müsse – und das Spiel – wie eine Wahnsinnige fuhr sie auf der Bühne herum, und das heißt nachher ein Kunsttempel – man möchte verrückt darüber werden.“

      „Und womit kann ich Ihnen eigentlich dienen?“ sagte Herr Köfer, indem er eben seinen letzten Brief aufbrach; die gelesenen hatte er auf verschiedene Haufen sortirt.

      Fräulein Ostachini gerieth wirklich in Verlegenheit um eine Antwort, denn eigentlich hatte sie nur schimpfen und ihrem Herzen Luft machen wollen – einen weiteren Zweck konnte ihr „Besuch“ natürlich nicht haben.

      „Mir?“ sagte sie endlich – „mir sollen Sie gar nicht dienen; aber dem Publikum, indem Sie nicht solche wahnsinnige Recensionen hinaus in die Welt werfen, die diese Mamsell vergöttern und einen Stern aus einem völlig talentlosen Dinge machen. Wer soll denn da noch Liebe zur Kunst haben, wenn man sieht, daß die größte Mittelmäßigkeit in solcher Weise verherrlicht wird? Meiner Meinung nach erheischte doch schon die Würde Ihres Blattes, daß Sie nicht einer solchen Profanation zugänglich wären.“

      „Die Würde unseres Blattes?“ sagte Herr Köfer, und selbst ihm kam diese Behauptung komisch vor; „aber, mein liebes Fräulein, wir recensiren oder geben vielmehr der Stimme des Publikums Ausdruck – unparteiisch versteht sich /39/ und allein im Sinne der Kunst, – und darin werden Sie mir doch gewiß Recht geben, daß junge aufstrebende Talente unterstützt werden müssen.“

      „Junge Talente!“ sagte Fräulein Ostachini; „die Person hat sich schon auf drei, vier Theatern herumgetrieben. Doch Sie werden es erleben! Am Sonntag singt sie die Julia, und eine schöne Vorstellung mag das werden! Das sage ich Ihnen aber, wenn Sie in diesen Lobhudeleien fortfahren, so sind wir die längste Zeit Freunde gewesen. Ich verlange von einer Theaterzeitung ein unparteiisches, durch keine Rücksichten oder Protectionen beeinflußtes Urtheil.“

      „Fräulein Ostachini!“ sagte Herr Köfer.

      „In der That,“ rief aber die aufgeregte Dame – „und nicht die geringste Rücksicht für mich selber – aber auch ebenso für Andere, und Ihrem Herrn Lerche bitte ich das von mir auszurichten.“

      „Und sonst kann ich Ihnen mit nichts dienen?“ sagte Herr Köfer, während die Dame ihren Shawl fester um die Schultern zog.

      „Heute nicht,“ sagte Fräulein Ostachini, nicht in der Stimmung, höflich zu sein; „guten Morgen, Herr Köfer!“ und mit den Worten fegte sie zum Bureau hinaus und nahm alle die Papierschnitzeln, Bindfaden, Nußschalen und sonstigen Gegenstände mit, die in ihrer Bahn lagen und die die alte Kathrine in den letzten Tagen versäumt hatte auszukehren.

      Herr Köfer sah ihr über seine Brille nach – ohne sie zu begleiten, wie er es vorher bei Herrn Bomeier für nöthig befunden; dann aber, als sie die Thür hinter sich zuschlug, murmelte er leise:

      „Ja wohl – nicht die geringste Rücksicht für mich selber, und das Unglück möchte ich erleben, wenn wir nur ein einziges Mal sagten, daß ihre Stimme – die so scharf geworden ist, daß sie Einem durch Mark und Bein schneidet, ein wenig belegt gewesen wäre – Herr Du meine Güte, ich glaube sie drehte das Comptoir um!“

      Der eine Schreiber, der sich kurz vorher ein Paket Briefe geholt hatte, die ihm Herr Köfer bei Seite gelegt, kam damit wieder zu seinem Pult.

      /40/ „Aber ich muß in die Druckerei zurück,“ sagte der Setzerjunge, der noch immer in der Ecke stand.

      „Und der Doctor kommt noch immer nicht!“ rief Herr Köfer und fuhr sich mit der Hand durch die ungekämmten Haare. „Springen Sie doch einmal hinüber, Splitzner, und sehen Sie, wo er bleibt.“

      Der „erste“ Commis legte die Briefe auf. –

      „Doctor Hesbach wünscht Abrechnung über sein hier in Commission befindliches Stück,“ sagte er, indem er den einen Brief vorschob; „er behauptet, in den Zeitungen gelesen zu haben, daß es in Breslau, Köln, Cassel, Dresden, Frankfurt a. M. und Wiesbaden gegeben sei.“

      „Ist denn das Honorar dafür eingekommen?“

      „Ja, Herr Köfer.“

      „Schön, dann schreiben Sie ihm, sobald es käme, sollte er augenblicklich Abrechnung erhalten.“

      „Es ist eingekommen, Herr Köfer,“ sagte der junge Mann.

      „Esel,“ erwiderte Herr Köfer, „haben Sie nicht gehört, was ich Ihnen gesagt habe? Und die anderen Briefe?“

      „In

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